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Anhang III.

Allgemeine Bemerkungen über die Nahrungsmittel, nebst einer Anweisung zur Bereitung zweckmäßiger Speisen und Getränke für Kranke und Genesende

Eine zweckmäßige Diät im engern Sinne, d. i. die Lebensordnung in Beziehung auf Speisen und Getränke, ist bei der Behandlung von Krankheiten so wichtig, dass ohne dieselbe selbst die wirksamsten Arzneien meist den beabsichtigten Zweck verfehlen und erfolglos bleiben. So wie eine gute Diät im ganzen Umfang des Worts, d. i. eine zweckmäßige und vernünftige Lebensweise im Essen und Trinken, Schlafen, Wachen, in Bewegung, Ruhe u. s. w. für den Gesunden das beste Präservativ- und Schutzmittel vor den meisten Krankheiten abgibt; eben so macht in kranken Tagen eine gute Diät des Leibes und der Seele, neben zweckmäßiger Krankenpflege, einen wichtigen Teil des Heilungsgeschäfts durch Natur- und Kunsthilfe aus (s. oben die Artikel Diät, Gesundheitsregeln, Jagd, Mittel zur Verlängerung des Lebens, Mittel, Schlaf befördernde). Bei der Diät im engern Sinne kommt sowohl die Qualität, als die Quantität der Speisen und Getränke, welche ein Mensch, ein Gesunder, oder ein Kranker, genießt, in Betracht. Eine zweckmäßige Umänderung der Diät, z. B. statt animalischer Kost eine vegetabilische, auf längere oder kürzere Zeit, heilt oft allein die schlimmsten, langwierigsten und hartnäckigsten Krankheiten (s. Frühlingskuren und Diät) oder sie beugt ihnen vor. So können wir, um nur ein Beispiel anzuführen, bei vollsaftigen Personen, welche zur Apoplexie disponieren, dem drohenden tödlichen Schlagfluss vorbeugen, wenn wir ihnen statt der sehr nährenden, reizenden animalischen Speisen, die weniger nährenden, kühlenden, verdünnenden Nahrungsmittel aus dem Pflanzenreich, statt der geistigen Getränke viel kaltes Wasser zum täglichen Genuss empfehlen. Was die Qualität der Nahrungsmittel betrifft, so ist vor Allem notwendig, dass sowohl Speisen, als Getränke, eine gesunde Beschaffenheit haben und keine, durch Verderbnis, Verfälschung u. s. w. herbeigeführte, schädliche Bestandteile enthalten, worauf die Gesundheitspolizei in jedem gut eingerichteten Staat zu achten hat.

Die Nahrungsmittelkunde in sanitätspolizeilicher Hinsicht ist ein so weitumfassender Gegenstand, dass er in dem sehr guten „Grundriss der Sanitätspolizei“ von Nicolai, die Hälfte der ganzen Schrift einnimmt. — Es gehören hierher die Kenntnis von den Getränken: Wasser, Bier, Wein, Branntwein, Kaffee, Tee, Milch, Schokolade u. s. w. (s. d. Artikel), — von der Butter, deren gesunde oder schädliche Beschaffenheit, Verfälschung, — die Kenntnis schädlicher Tiere, die Krankheiten der Haustiere, wobei der Genuss des Fleisches davon der Gesundheit schadet, als Milzbrand des Rindviehes, Lungenseuche, Rangkern der Schweine, Maul- und Klauenseuche der Kühe, die Schaffäule u. a. m. Auch das Fleisch der vom Blitz erschlagenen Tiere, so wie jedes sonst gesunden Viehs, welches kurz vor dem Schlachten stark gejagt, gehetzt worden, ist ungesund. Eben so entwickelt sich durch Fäulnis in Würsten, im Käse u. s. w. oft ein Gift, ferner in Fischen, Austern, Muscheln u. s. w. (s. o. Anhang I. A. S. 658 ff.). Jeder Koch, jede Köchin, jede gute Hausfrau muss Kenntnisse über ungesunde und verfälschte oder sonst nachteilig gewordene, verdorbene Speisen und Getränke, über die essbaren und die giftigen Schwämme (s. d.), über die Reinheit und Verfälschung der Gewürze u. s. w. besitzen, wozu Accums Schrift (über Verfälschung der Nahrungsmittel u. s. w.) eine gute Anleitung gibt.

Bei den vegetabilischen Nahrungsmitteln, welche die Feld- und Gartenfrüchte geben, ist gleichfalls Manches zu berücksichtigen. Es kann durch schlechte Beschaffenheit, auch durch Verwechselung der essbaren Hülsenfrüchte, der essbaren Suppenkräuter, Salate, Beeren u. s. w. mit ähnlichen giftigen Pflanzen, wenn diese genossen werden, oft eine ganze Familie erkranken, ja in Todesgefahr geraten. So z. B. sind alle oberflächlich liegenden, grünen oder halbgrünen, bitter schmeckenden Kartoffeln, auch solche, die ausgewachsen und erfroren, wieder aufgetaut und von widerlich süßem Geschmack sind, so wie alle Gartengemüse, worauf der sogenannte Honigtau oder Mehltau sich vorfindet, der Gesundheit nachteilig. — Mangel an Kenntnis der giftigen Pflanzen, ihrer Wurzeln, Blätter, Früchte, Samen u. s. w. ist oft Schuld an schlimmen Verwechselungen, z. B. wenn statt der Erbsen die Ervenlinse (Ervum ervilla), die rote Platterbse (Lathyrus cicera), die Kicher (Cicer arietinum), — statt der Petersilie die Hundspetersilie (Aethusa Cynapium), der Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum), der Taumelkörbel (Chaerophyllum temulentum), der Schierling (Coninm maculatum und Cicuta virosa), — anstatt der gesunden Salatarten der Giftlattig (Luctuca virosa), statt des Schwarzkümmels der Same vom Stechapfel (Datura Stramonium), statt der Pastinakwurzel die Wurzel vom Eisenhut (Aconitum) oder Bilsenkraut (Hyoscyamus), statt des Fenchelsamens der Same von Bilsenkraut, statt der schwarzen Waldkirsche die Beere der Tollkirsche (Atropa Belladonna), statt der Heidelbeere die Sumpfbeere (Vaccinium uliginosum), statt der Preiselbeere die Sandbeere (Arbutus uva ursi) genommen und verspeist werden. Genau beschrieben und abgebildet sind alle diese giftigen Pflanzen in Wincklers Schrift: „Die Giftpflanzen Deutschlands.“