Zum Hauptinhalt springen

Gesundheit, Qualität und Quantität der Speisen

Es gibt keine einzige Speise, welche für den Menschen absolut gesund oder absolut schädlich und ungesund genannt werden könnte, da hier Gewohnheit, besondere Körperbeschaffenheit, Lebensweise, Beschäftigung, Alter, Geschlecht, Zubereitung der Speisen, der Mitgenuss anderer Speisen, Festigkeit oder Lockerheit, reizende oder kühlende Eigenschaften derselben, selbst Klima, Jahreszeit, Witterung etc. berücksichtigt werden müssen. So lehrt die Erfahrung, dass der übermäßige Genuss der Fleischspeisen, zumal im Sommer und in heißen Ländern, leicht Ekel, und Instinkt nach Pflanzenkost und vegetabilischen Säuren oder solchen Früchten erregt. Dagegen scheint der allgemeine Genuss von Pflanzenkost dem Menschen weniger nachteilig zu werden, am wenigsten, je wärmer das Klima und die Jahreszeit ist. Es gibt ganze Völkerschaften in Asien und Afrika, die fast allein von Pflanzen leben und dennoch gesund sind. Die Japaner essen kein vierfüßiges Tier, nur Wasservögel. In China ist der Fleischgenuss noch seltener; die Hauptnahrung der Ägypter besteht in Milch; die Malabaren leben fast einzig von Gewächsen, und die Bengalen sind mit Reis, Butter, Früchten und Kräutern zufrieden. Im Ganzen scheint der Norden mehr für den Fleischgenuss, der Süden mehr für den Genuss der Vegetabilien zu sein. Nach den neuesten und besten Versuchen über die Verdauung hat man die Tatsache gefunden, dass die Digestion nicht bloß in der Auflösung der homogenen Bestandteile, sondern zugleich in der Umwandlung nicht homogener Nahrungsstoffe in homogene beruhe, in einer Reduktion der verschiedenen auflöslichen Bestandteile auf das einfachste Material der tierischen Prozesse, auf Eiweiß, welches sich in dem verdauten Speisesaft teils aufgelöst, teils in Kügelchen enthalten zeigt. Man hat viele Versuche an Tieren, selbst an Menschen zu dem Zwecke gemacht, um die Verdauungsorgane jenes Umwandlungsgeschäftes zu überheben, indem man sie ausschließlich mit Eiweiß, Zucker etc. fütterte. Sie sind aber alle zum größten Nachteil für die Gesundheit und für das Leben ausgefallen. Eine beträchtliche Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit der Nahrungsmittel ist für die Erhaltung der Gesundheit notwendig.

Was noch die Qualität und Quantität der Speisen nach Alter und Konstitution betrifft, so bedürfen Kinder einer leichtverdaulichen, aber nicht zu konzentrierten Nahrung, in kleinen, oft wiederholten Quantitäten. Bei kranken Kindern beobachte man besonders diese Regel, wenn sie in der Wiedergenesung begriffen sind und sich starker Appetit einstellt. Erwachsenen ist eine seltener wiederholte konsistente, doch nicht zu konzentrierte Nahrung am dienlichsten. Für Greise passt am besten eine konzentrierte, mit Senf, Meerrettich, Pfeffer etc. gewürzte, doch nicht zu konsistente Nahrung. Daher sind für das Kindesalter am zuträglichsten: dünne, nicht reizende Suppen, leicht verdauliches Gemüse und wenig Fleisch; — fürs Jünglings- und Mannesalter: wenig Suppen, aber mehr Gemüse und Fleisch, sowohl gekocht, als gebraten, auch gepökelt, geräuchert; — fürs Greisenalter: stark reizende Suppen und weniger Gemüse und Fleisch.

Muskelstarke, blutreiche Menschen bedürfen großer Mengen Nahrung, die aber nicht sehr konzentriert, nicht zu nährend, oder zu reizend sein darf. Schwache und reizbare Subjekte brauchen wenig, aber konzentrierte und nicht reizende Nahrung. Schwachen und wenig reizbaren Personen bekommt am besten wenig, aber sehr konzentrierte und sehr reizende Nahrung. Bei sitzender Lebensart passt eine konzentrierte und etwas reizende Nahrung in kleinen Quantitäten, bei häufiger Bewegung sind größere Quantitäten einer konsistenten, wenn auch nicht gehaltreichen und wenig reizenden, Nahrung am besten. Im Winter bekommen große Quantitäten einer reizenden Nahrung besser, als im Sommer, wo den meisten Menschen wenig und milde, aber konzentrierte Nahrung am besten zusagt.

An diese Diät in gesunden Tagen schließt sich die Krankendiät fürs verschiedene Lebensalter und die Konstitution häufig an; doch ist dies nicht immer der Fall, und es gibt hier viele Ausnahmen von der Regel, welche der Arzt zu bestimmen hat. So z. B. dürfen Kinder, Jünglinge, robuste Mädchen, Männer und Frauen bei hitzigen Krankheiten, bei allen fieberhaften Ausschlägen und echten Entzündungen edler Organe, namentlich bei Pocken, Masern, Scharlach, Rose, Röteln, bei Entzündung des Gehirns, des Auges, Ohrs, Halses, der Lungen, des Herzens, der Leber etc. in den ersten acht bis zwölf Tagen der Krankheit keine Fleischsuppen oder sonst konzentrierte nährende Suppen, noch weniger Fleisch gemessen; auch fehlt dann ohnehin der Appetit dazu, welcher uns den besten Fingerzeig gibt, indem wir den wahren Satz festhalten, dass kein Kranker ohne Appetit essen soll! — dagegen passen für solche Kranke nur leichte Brot- und Wassersuppen, und Obst als Gemüse, sowohl roh, als gekocht (Äpfel-, Pflaumen-, Kirschen-Kompot) oder als Suppe mit Zucker bereitet.

Je kohlenstoffhaltiger ein Körper ist, desto mehr nährt er, im Fall er noch verdauet wird. So hat z. B. Wachs 81, Olivenöl 77, Fett 69 pro Cent Kohlenstoff (diese Dinge sind bekanntlich sehr schwer verdaulich), Butter 66, Käsestoff 59, Fleischfaser 53, Eiweiß 52, Gallerte 47, Stärkemehl 45 in 100 Teilen. —

Je sauerstoffhaltiger ein Körper ist, desto reizender und desto weniger nährend ist er. Gallerte hat 27, Eiweiß 23, Fleischfaser 19, Käsestoff 11 Teile Sauerstoff in 100 Teilen. —

Je schwerer ein Körper im Wasser erweichbar oder auflöslich ist, desto schwerer ist er zu verdauen, aber desto sättigender ist er, im Fall er verdaut wird. So ist z. B. gesalzenes Fleisch schwerer im Wasser erweichbar, als ungesalzenes, schwerer verdaulich und sättigender; noch mehr gilt dies beim getrockneten Dorsch (Stockfisch). — Je leichter dagegen ein Körper im Wasser auflöslich ist, desto leichter ist er zu verdauen, und dies in solchem Masse, dass ein sehr auflöslicher nicht mehr nährend, sondern Säfte zerteilend und auflösend wirkt, z. B. Kochsalz, Essig, Zitronensäure sind sehr auflöslich und zerteilend, aber nähren nicht.