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Amulette

Amulette, Anhängsel. Sie gehören zu den sympathetischen Volksmitteln, welche vorzüglich auf psychische Weise wirksam sind. Übrigens unterscheide ich nach ihren Wirkungen spezieller 1) rein psychisch wirkende Amulette. Sie mögen aus noch so unwirksamen Dingen bestehen, wenn der Mensch nur daran glaubt, so wirken sie von der psychischen Seite des Lebens auf die körperliche, sowohl wohltätig als nachteilig, je nachdem die Natur des dadurch hervorgerufenen Affekts in Beziehung zur Krankheit verschieden wirkt. Aber auch für diejenigen, die nicht daran glauben, sind Amulette nicht ganz unwirksam. Unwillkürlich wird man, wenn man dergleichen am Leibe trägt, des Tages und des Nachts daran erinnert, und mag diese Erinnerung durch Ideenkombination, auch einen humoristischen, sarkastischen oder lächerlichen Gedanken und Einfall erregen, gleichviel, jedes Abstrahieren des Geistes vom Körperleiden kann für letzteres wohltätig sein, und wenn z. B. der große Kant sich dadurch Zahnschmerzen stillte, dass er vorsätzlich mit der Kraft seines Geistes davon abstrahierte, so ist dies wesentlich nicht verschieden von jener Art und Weise, wo diese Abstraktion zufällig und unwillkürlich durch irgend ein Ding außer uns, es heiße Amulett oder Kirchturmspitze, hervorgebracht wird. 2) Rein materiell und körperlich wirkende Amulette. Sie bestehen aus arzneilichen wirksamen Stoffen, Kampher, Asant, Knoblauch, Metallen, Pfeffer und andern Ingredienzien, welche teils örtlich durch Resorption der Haut, teils dadurch wirken, dass die Körperwärme einen Teil ihrer Stoffe mehr entwickelt, verflüchtigt und dieser durch das Atemholen mit der atmosphärischen Luft den Lungen und so dem Blut zugeführt wird. Bei kleinen Kindern wirken solche Amulette rein materiell, bei Erwachsenen ist ihre Wirkung mehr gemischt, indem auch die Vorstellung, der Glaube, die Einwirkung aufs Geruchsorgan, das so innig mit der Assoziation der Ideen und dem Geschlechtlichen in Verbindung steht, hier von psychischem Belang sind. — Ein materiell wirkendes, hierher zu rechnendes Mittel gegen Spulwürmer, welches ich oft sehr wirksam gefunden, ist hier in der Stadt als „Umbinden gegen Würmer“ bekannt und wird vom Schuhmacher Rieper und andern Personen hierselbst viel appliziert. Er verrichtet es auf folgende Weise:

Nr. 17. Nimm: Asant, Kampher, schwarzen Kümmel und Knoblauch, von jedem für einen halben Schilling, Schiesspulver und Küchensalz, von jedem eine Messerspitze voll, und sieben Körner schwarzen Pfeffer. Alles wird gehörig gestoßen, gequetscht und vermischt, in einen kleinen Beutel von feiner Leinwand getan und dieser mittels etwas Wagenteers auf den Nabel geklebt und durch eine Binde fest erhalten. Man wendet das Mittel neun Tage lang bei abnehmendem Mond (am besten drei Tage nach dem Vollmond) an. Das Kind bekommt in dieser ganzen Zeit keine reine Wäsche, wird auch nicht gewaschen. Am achten Tag wird ein Tee von einem bis anderthalb Quentchen Sennesblätter (s. Abführmittel) zum Purgieren genommen, wonach oft recht viele Würmer abgehen. Am neunten Tage wird der Beutel abgenommen und verbrannt. — Ein anderes Amulett wurde vom Leibarzt Dr. Sachse in Schwerin vor zehn Jahren als Schutzmittel vor der ausländischen Cholera empfohlen. Es ist dieses:

Nr. 18. Nimm: schwarzen Pfeffer, 18, Körner, Knoblauch zwei Spelten, Kalmus und Kampher, von jedem ein Quentchen, etwas Bernstein, Schwefel und Alaun, alles gut pulverisiert, gequetscht und gemischt. Tue das Ganze in einen kleinen Beutel, befestige diesen auf dem Nabel, feuchte auch das Säckchen Morgens und Abends mit Branntwein an. (S. Schwerin, freimüth. Abendblatt 1831. Nr. 666).

Als Schutzmittel vor den Masern wird vom Dr. Tott (s. Most, Enzyklop. d. med. u. chirurg. Praxis. 2. Aufl. 2. Bd. S. 472) empfohlen:

Nr. 19. Nimm: Kampher und Schwefel, von jedem ein bis zwei Quentchen. Dieses wird gut pulverisiert, in ein Säckchen getan, mit einem Bande versehen und so um den Hals gehängt, dass das Kind es gerade vor der Herzgrube und zwar Tag und Nacht trägt. Alle acht Tage kann man das Säckchen frisch füllen. Ein Beutel, worin ein Lot gestoßener Schwefel befindlich, Tag und Nacht im Nacken getragen, vertreibt oft schnell die heftigsten nervösen Kopfschmerzen, sie mögen halbseitig sein (Migräne), oder sich nur auf eine kleine Stelle am Vorder-, Mittel- oder Hinterkopf beschränken.

Eine magnetisierte Stahlplatte, in gleicher Weise als Amulett in der Herzgrube, um den Hals hängend, getragen, nachdem ein starker Hufeisenmagnet unter die Fußsohle, die Pole nach den Zehen gerichtet, gebracht worden, entfernt nach eigenen und fremden Erfahrungen, sehr schnell nervöse Schmerzen in der Brust, Brust- und Magenkrampf, Koliken, Blasenkrämpfe und ähnliche Leiden. Zu merken ist, dass alle Magnete, die man künstlich von Stahl macht, vor der Anlegung gehörig erwärmt werden müssen. Der Gebrauch der Amulette aus Gold, Silber, Eisen, Pergament, worauf mysteriöse Zeichen, Sprüche graviert oder geschrieben, war nicht allein im Altertum bekannt, indem sie gegen Verwundung, ansteckende Krankheiten etc. schützen, sondern auch ad irritamentum concubitus, zur Heilung verschiedener Nervenübel dienen sollten (s. Osiander a. a. O. S. 388), sondern auch noch jetzt hält man im Orient sehr viel darauf und wendet sie zum Schutz vor Pest und andern Leiden, gegen Impotenz und Sterilität etc. vielfach an. Gegen die Unfruchtbarkeit trugen die Römerinnen ein ähnliches Amulett am Körper; wie noch jetzt die Hindus, wovon Tennant (Indian recreations, Vol. I, 1803, p. 194) sagt: „On this principle marriet women sometimes teear a small golden Lingam upon the neck or arm.“ Der Herzknochen des Hirsches, am linken Arme getragen, war in den altern Zeiten auch ein geheimes Mittel zur Beförderung der Empfängnis (Osiander 1. c. S. 396).

Gegen das schwere Zahnen der Kinder und zur Verhütung von Krämpfen dabei lobt man nicht ohne Grund die sogenannten Ambraperlen, welche als Amulett Tag und Nacht um den Hals getragen werden. Sie werden auf folgende Art bereitet:

Nr. 20. Nimm: Florentinisches Veilchenwurzelpulver, Gummi arabicum, von jedem drei Quentchen, Weissbrotkrumen zwei und ein halbes Quentchen, arabischen Gummischleim so viel, dass es eine Pillenmasse wird. Dazu mische: aromatisches Nelkenöl, Bergamottenöl, Pomperanzenblumenöl, Tinctura ambrae moschata, von jedem ein Quentchen, guten Moschus sechs Gran, Perubalsam anderthalb Quentchen. Die weiche, gut durchknetete Masse wird nun in eine kleine Kugelform gedrückt, mit einer Nadel durchbohrt, die einzelnen Kügelchen werden auf eine Schnur gereiht und um den Hals getragen.