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7) Scheintod der Neugebornen

7) Scheintod der Neugebornen. Das neugeborene Kind muss man lange und genau ansehen, um sich zu überzeugen, ob es lebt oder nicht. Höchst falsch ist die Meinung, dass der Abgang von Kindespech (Meconium) oder die losgehende Oberhaut Zeichen des Todes wären; denn schon bei manchen Scheintoten lassen die Schließmuskeln des Afters und der Urinblase nach, und oft werden Kinder mit der Blasenkrankheit (Pemphygus) geboren, wobei große Stücken der Oberhaut losgehen. — Die Art des Scheintodes ist hier verschieden.

1) Sie entstand durch Apoplexie, z. B. wenn dem Kinde die Nabelschnur um dem Halse war, wenn es mit dem Halse lange in der Geburt steckte, wie dies öfters bei der Fußgeburt der Fall ist;

2) der Scheintod kann durch Verblutung, Zerreißen der Nabelschnur, frühes Lösen des Mutterkuchens etc. entstanden sein.

3) Das Kind kann im Wesentlichen erstickt sein, indem die Nabelschnur vorfiel, stark gedrückt wurde und somit der Oxydationsprozess zwischen Mutter und Kind aufhörte.

Behandlung. a) Reinigung der Haut durch ein warmes Bad, wie bei allen Neugebornen. Ist die Nabelschnur noch nicht abgeschnitten und der Mutterkuchen schon abgegangen, so trenne man sie nicht, sondern lege das Kind mit der Nachgeburt ins Bad, da man nicht weiß, ob nicht noch durch die Nabelschnur etwas zur Ader gelassen werden muss.

b) Reinigung des Mundes von Schleim, sanftes kunstmäßiges Lufteinblasen.

c) Stellt sich das Leben nach Verlauf von 10 bis 15 Minuten noch nicht ein, so nehme man das Kind aus dem Bad, reibe es mit wollenen Tüchern trocken, gebe ihm einige sanfte Schläge vor den Hintern, gehe im Zimmer einige Mal mit ihm schnell auf und nieder, lege es wieder ins Bad und tröpfle ihm einige Tropfen kaltes Wasser drei bis sechs Fuß hoch aus einem Teetopf auf die Herzgrube. Noch besser ists, eine kleine Kinderklistierspritze — im Notfall eine gewöhnliche Klistierspritze, welche jede Hebamme bei sich führt, in kaltes Wasser ein paar Augenblicke zu legen, sie dann mit frischem, kaltem Wasser zu füllen und sie in der Entfernung von ein bis zwei Fuß gegen die Herzgrube und die Brust des Kindes mit Kraft, aber stoßweise, in ununterbrochenem Strahl, zu entleeren. Ist nach ein- bis zweimaliger Anwendung des Wasserstrahls das Atmen noch nicht eingetreten, so nehme man einen neuen Besen, tauche ihn in kaltes Wasser und lasse aus einiger Entfernung einen Regen auf den Kopf, auf das Gesicht und den Unterleib des Kindes fallen. Dabei bewege eine Gehilfin des letzteren Arme und Beine, indem sie erstere ausbreitet und zusammenlegt, letztere gegen den Unterleib anbeugt und ausstreckt. Man achte auf die Nabelschnur; diese pulsiert oft zuerst beim zurückkehrenden Leben; ist das Gesicht des Kindes blutrot, so lasse man etwas Blut aus derselben weg.

d) Man bestürme das Kind ja nicht mit heftigen Reizen, man halte ihm ja kein englisch Riechsalz, keinen Salmiakspiritus etc. unter die Nase; denn dadurch tötet man bei der großen Reizempfänglichkeit des Kindes nur den letzten Funken des Lebens; höchstens kann ein solches Verfahren nach vier bis sechs fruchtlos verflossenen Stunden gebilligt werden.**

e) Ist ein bis zwei Stunden Zeit mit fruchtlosen Belebungsversuchen, wozu auch das Massieren (s. oben S. 699) gehört, verstrichen, so versäume man die Anwendung des Galvanismus und der Akupunktur ja nicht (s. oben S. 701); doch fange man mit zwei bis fünf und später erst mit mehreren Plattenpaaren der Säule an. Da aber die Erbauung der letzteren oft Umstände macht, so verdient der Keilsche Apparat, die elektro-magnetische Induktionsrolle, welche nach Belieben von den schwächsten, bis zu den stärksten Graden der galvanischen Kraft schnell gesteigert werden kann, hier, wie in allen ähnlichen Fällen von Scheintod, den Vorzug. —

f) Ist das Leben des Kindes zurückgekehrt, so gehe man ihm der Schwäche wegen einige Teelöffel voll warmen Tee mit einem Teelöffel voll Wein. Mit Recht klagt Lebenheim (Hufelands Jour. 1842. St. 6. S. 81), dass die Hebammen in keinem Stücke mehr fehlen, als in der rechten Weise, scheintoten Neugebornen Luft einzublasen, was allerdings viel Geschick, Vorsicht und Übung erfordert. Da nicht jede Hebamme einen Chaussierschen Blasebalg hat, so muss es wohl bei dem Lufteinblasen mit dem Mund sein Bewenden haben. Dies muss, nach L., folgender Massen vorgenommen werden. Das Kind wird auf ein Bettkissen, welches bei kaltem Wetter erwärmt ist, wo möglich auf einen hohen Tisch, damit die Hebamme sich nicht tief bücken dürfe, horizontal gelegt; die Beine desselben mit einem gewärmten wollenen Tuch leicht zugedeckt; die Hebamme tritt auf des Kindes linke Seite, legt ihre rechte Hand dergestalt mit ausgebreiteten Fingern auf die Brust desselben, dass der Daumen ein wenig über die Herzgrube des Kindes hinab gegen dessen Nabel zu liegen komme; die anderen vier Finger aber den Brustkasten möglichst umfassen, und zwar so, dass der Zeigefinger und der kleine Finger an die unteren Ränder der Rippen zu beiden Seiten angelegt werden. Mit dem Goldfinger und kleinen Finger der linken Hand drückt die Hebamme die Nasenflügel des Kindes zusammen, mit dem Mittelfinger und dem Daumen belegt sie die beiden Wangen, damit sie von der einzuhauchenden Luft nicht nutzlos und störend ausgedehnt werden; mit dem Zeigefinger hebt sie das Kinn des Kindes und dessen Kopf dergestalt in die Höhe, dass der Winkel, den das Kinn mit dem Halse bildet, ein möglichst stumpfer werde, wodurch das Eindringen der Luft in die Luftröhre sehr erleichtert, der Schlund dagegen mehr geschlossen wird. Nun legt sich die Hebamme mit ihrem Mund so auf den Mund des Kindes, dass die Lippen des letzteren die der Hebamme einigermaßen umfassen, und haucht ihren Atem in den Mund des Kindes; anfänglich eine kleine Portion Luft gebend; dabei hebt sie mit den an die untern Rippenränder angelegten Fingern die Rippen empor, um die Bewegung des kindlichen Brustkastens beim eignen Atmen desselben nachzuahmen und das Eindringen der Luft in die Lungen zu befördern.

Es ist von der größten Wichtigkeit, dass die operierende Hebamme hierbei mit angestrengter Aufmerksamkeit auf das Gefühl des Daumens ihrer rechten Hand, welcher sich auf der Herzgrube des Kindes befindet, achte, um ein Eindringen der eingehauchten Luft in den Magen des Kindes sogleich zu bemerken. Hebt sich der Magen, so muss ein gelinder Druck mit dem Daumen gegen denselben die eingedrungene Luft zu entfernen suchen, alsdann die Lage des Kindes ein wenig verändert werden, indem man es in eine nach rechts oder links geneigte Lage bringt und die Schenkel des Kindes seinem Bauche mehr oder weniger nähert, um dadurch den Unterleib mehr zu verengern und den Austritt der in dem Magen befindlichen Luft zu bewirken, wozu ein mäßiges Bewegen des Kopfes nach hinten und vorn ebenfalls beiträgt. Nun wiederholt die Hebamme das Einhauchen mit derselben Vorsicht. Hebt sich dabei die kindliche Brust, so wird das Experiment in der Art fortgesetzt, dass dadurch das Selbstatmen des Kindes möglichst genau nachgeahmt wird, indem durch das Einhauchen nur eine solche Quantität Luft beigebracht werde, als ein neugebornes Kind beim Selbstatmen einzieht, was eine verständige Hebamme wohl abmessen kann, wenn es ihr beim mündlichen Unterrichte einige Male vorgemacht worden ist; indem ferner beim Einhauchen der kindliche Brustkasten von den Rippen aus gehoben und erweitert, beim beendigten jedesmaligen Einhauchen aber mit den, die Kindesbrust umfassenden Fingern mäßig zusammengedrückt und so das Ausatmen bewirkt wird. In dieser Weise wird der Versuch mindestens fünf Minuten lang fortgesetzt, aber ohne alle Übereilung und ohne Anwendung einer ungehörigen Gewalt. Äußert sich einige Lebensregung im Kinde, so ist nach Maßgabe derselben zu verfahren und zwar, bei geringen Lebensäußerungen, die Fortsetzung des Lufteinhauchens; bei etwas stärkern, die kalte Dusche und das Besprengen des Gesichtes mit kaltem Wasser einige Male vorzunehmen. Lassen die Lebensäußerungen wieder nach, so wird mit etwas Spirituosen Dunst, wie oben gelehrt worden, zugefächelt und mit dem Lufteinblasen fortgeschritten. Atmet das Kind dennoch zu schwach, so wird es einige Male lebhaft emporgehoben, damit es die Luft stärker anwehe, auch durch Heben der Rippen und abwechselndes Niederdrücken der Brust nachgeholfen, wobei aber notwendig die Nachhilfe eine dem Zwecke entsprechende sein muss, nicht aber das Selbstatmen durchkreuzen darf: also das Einatmen mit dem Heben der Rippen, das Ausatmen mit dem Niederdrücken der Brust zu begleiten ist. Eine Gehilfin kann dabei eine kleine Leinwand-Kompresse mit erwärmtem Rum, oder mit etwas Ähnlichem befeuchtet, schnell auf die Herzgrube legen, dabei aber der Lichtflamme nicht zu nahe kommen, auch mit etwas erwärmtem Rum den Nacken des Kindes und die Achselhöhlen gelinde reiben, am besten mit den Fingern einer warmen weichen Hand. Es ist sehr förderlich, wenn bei solchen Umständen ein zu einer feinen Spitze zugedrehtes Streifchen weißes Papier die Nasenhöhle des Kindes kitzelt, um es zum Niesen zu reizen, wodurch das Atmen bald zu normaler Kräftigkeit gedeiht. —