Wider Heraklit und Genossen


Deshalb scheinen mir jene, die Feuer zum Grundstoff wählten

Und aus dem Feuer allein sich das Weltall dachten entstanden,

Ganz und gar von der Wahrheit Weg in die Irre zu gehen.

Diesen voran als erster begann Herakleitos das Treffen,

Dessen dunkele Sprache in griechischen Landen berühmt ist,

Mehr bei den Gecken jedoch als den ernsteren Forschern der Wahrheit.

     Denn die Toren bewundern und lieben just alles am meisten,

Was sie unter dem Mantel verschrobener Worte versteckt sehn,

Und sie halten für wahr, was hübsch um die Ohren sie kitzelt

Und was auf ist geschmückt mit dem Wohllaut witziger Rede.

     Denn ich frage, warum nur die Dinge so mannigfach wären,

Wenn ihr Ursprung wäre das lautere Feuer alleine?

Denn es nützte ja nichts, daß des Feuers Glut sich verdünnte

Oder verdichtete, hätten die Teile des Feuers dasselbe

Wesen, das ebenso schon das Feuer im ganzen besitzet.

Zwar wenn enger die Teile zusammen sich pressen, wird schärfet

Werden die Glut und gelinder, wenn diese zerstreut und getrennt sind.

Aber an weitere Wirkung ist doch bei solchem Verhältnis

Gar nicht zu denken, geschweige, daß solche Verschiedenheit könnte

Aus dem Feuer entstehn durch Verdichtung oder Verdünnung.

     Ferner noch dies: wenn das Leere sie noch zu den Dingen gesellten,

Könnte sich leichter das Feuer verflüchtigen oder verdichten.

Freilich erkennt sein Buch, daß vieles mit seinen Gedanken

Streitet; und da er sich scheut, an das lautere Leere zu glauben,

So verliert er den richtigen Weg aus Angst vor der Steilheit.

Auch dies sieht er nicht ein, daß, wenn man das Leere beseitigt,

Alles sich dichtet und klumpet zu einem ureinzigen Körper,

Der nichts könnte mit Wucht aus dem Innern entsenden und schleudern,

Wie glutwirkend das Feuer das Licht und die Dämpfe entsendet.

Daraus sieht man: das Feuer besteht aus lockeren Teilchen.

     Meinet man nun etwa gar, daß das Feuer auf anderem Wege

Könn' als Ganzes vergehn und sein eigenes Wesen verändern

(Wenn man sich nämlich bedenkt, an teilweise Löschung zu glauben),

Löste sich selbstverständlich das Ganze der Glut in ein Nichts auf,

Und aus dem Nichts dann würde, was irgend entsteht, sich entwickeln.

Denn was immer sich ändert und seine bisherigen Sitze

Wechselt, erleidet sofort die Vernichtung des früheren Zustands.

Drum muß etwas bestehn, was unzerstörbar darin bleibt,

Soll dir nicht alles zumal in das Nichts vollständig versinken

Und aus dem Nichts sich erheben aufs neue die Fülle der Dinge.

     Da es nun jetzt feststeht, daß es völlig bestimmte Atome

Gibt, die immer und ewig dasselbige Wesen behalten,

Die durch wechselnde Ordnung und Zugang oder auch Abgang

Alle Naturen verändern und diese zu neuen gestalten,

Weiß man, daß nimmer aus Feuer bestehen die Körper der Dinge.

Denn gleichgültig erschien es, ob etliches wich' und verschwände,

Andres hinzu sich gesellte und manches die Ordnung verkehrte,

Wenn nur des Feuers Glut sich in allem stetig erhielte;

Denn dann war' es doch Feuer, was allerwegen entstünde.

Doch, wie ich meine, so ist's: es gibt Urkörperchen, deren

Ordnung, Lage, Gestalt und Zusammenstoß und Bewegung

Feuer erzeugt; und verändert die Lage sich, ändert sich gleichfalls

Ihre eigne Natur; dann gleichen sie nimmer dem Feuer

Noch auch anderen Dingen, die unseren Sinnen Atome

Zuzusenden vermögen und unser Gefühl zu erregen.

     Ferner behaupten zu wollen: nur Feuer ist alles in allem

Und nichts Wirkliches gibt's in dem Reich der Natur als das Feuer,

Wie Herakleitos es lehrt, das scheint mir der Gipfel des Wahnsinns.

Denn von dem Sinnlichen aus kämpft selber er wider die Sinne

Und erschüttert ihr Zeugnis, auf dem doch der Glaube beruhn muß,

Und wodurch er doch selber das Feuer erkannt und benannt hat.

Denn er vermeint durch die Sinne das Feuer wohl richtig zu fassen,

Aber was sonst nicht minder gewiß, das mag er nicht glauben.

Dies will nichtig fürwahr und ganz wahnsinnig mir scheinen.

Wem denn sonst ist zu trauen? Was kann denn als sicher uns gelten

Außer den Sinnen, durch die wir bemerken, was wahr und was falsch ist?

Ferner: weshalb denn soll man von all dem anderen absehn,

Um nur des Feuers Natur allein noch übrig zu lassen,

Statt vom Feuer zu schweigen und irgendwas andres zu wählen?

Scheint mir doch eins wie das andre ein Satz von der gleichen

Verrücktheit!

 

Jene mithin, die im Feuer den Grundstoff sämtlicher Dinge

Sehn und das Weltall lassen allein aus dem Feuer entstehen,

Ferner auch, die in der Luft den Urquell alles Entstehens

Setzen, und die in dem Wasser den einzigen Schöpfer erblicken,

Oder auch jene, die glauben, die Erde verehren zu müssen

Als Allmutter, die wechselnd in alle Naturen sich wandle,

Scheinen mir alle sich weit von dem richtigen Weg zu verirren.

Nimm nun noch jene hinzu, die Doppelprinzipien lehren,

Da sie Feuer der Luft und Erde dem Wasser gesellen,

Und nicht minder, die alles aus vier Elementen entstanden

Glauben, aus Feuer und Erde, dem luftigen Hauch und dem Feuchten.


 © textlog.de 2004 • 29.03.2024 08:54:50 •
Seite zuletzt aktualisiert: 14.09.2005 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright