Religion


[C 217] Der Mensch vergibt sich nichts ohne etwas zu erwarten, daher das Sammeln des Lohns im Himmel, Geißelung und dergleichen. Die Philosophie des gemeinen Mannes ist die Mutter der unsrigen, aus seinem Aberglauben konnte unsre Religion werden, so wie unsere Medizin aus seiner Hausmittelkenntnis. Er tat etwas ohne Belohnung vorauszusehen, er erhielt [sie], aber auch ohne sich eines kurz vorhergängigen Verdienstes bewußt zu sein, was war natürlicher als eine Verbindung zwischen jenem Verdienst und dieser Belohnung zu finden? Was konnte für den Religionsstifter wichtiger und was der Gesellschaft nützlicher sein? So wurde der Mensch aus Eigennutz uneigennützig und was ihm das Glück ohnehin zugeführt hätte, wurde ihm als eine Bezahlung angerechnet, die ihn noch mehr verpflichtete.

 

[J 220] Noch eine neue Religion einzuführen, die die Wirksamkeit der christlichen haben sollte, ist wohl unmöglich, deswegen bleibe man dabei und suche lieber darauf zu tragen, und gewiß sind auch die Ausdrücke Christi so beschaffen, dass man, so lange die Welt steht, das Beste wird hineintragen können.

 

[J 833] Eine der schwersten Künste für den Menschen ist wohl die, sich Mut zu geben. Diejenigen, denen er fehlt, finden ihn am ersten unter dem mächtigen Schutz eines, der ihn besitzt, und der uns dann helfen kann, wenn alles fehlt. Da es nun so viele Leiden in der Welt gibt, denen mit Mut entgegen zu gehen kein menschliches Wesen einem schwachen Trost genug geben kann, so ist die Religion vortrefflich. Sie ist eigentlich die Kunst, sich durch Gedanken an Gott ohne weiter andere Mittel Trost und Mut im Leiden zu verschaffen und Kraft demselben entgegen zu arbeiten. Ich habe Menschen gekannt, denen ihr Glück ihr Gott war. Sie glaubten an ein Glück und der Glaube gab ihnen Mut. Mut gab ihnen Glück und Glück Mut. Es ist ein großer Verlust für den Menschen, wenn er die Überzeugung von einem weisen die Welt lenkenden Wesen verloren hat. Ich glaube, es ist dieses eine notwendige Folge alles Studiums der Philosophie und der Natur. Man verliert zwar den Glauben an einen Gott nicht, aber es ist nicht mehr der hilfreiche Gott unsrer Kindheit; es ist ein Wesen, dessen Wege nicht unsere Wege und dessen Gedanken sind, und damit ist dem Hilflosen nicht sonderlich viel gedient.

 

[L 366] Die Religion eine Sonntags-Affäre.

 


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