Vorwort

     

Was B.s Papiere betrifft, so ordnen sie sich leicht und natürlich. Dagegen habe ich mir erlaubt, sie zu betiteln, nachdem die Briefform den Verfasser gehindert hat, diesen Untersuchungen eine Überschrift zu geben, für welche ich also verantwortlich bin.

B.s Manuskript habe ich sorgfältig wie ein Aktenstück betrachtet. Selbst Soglosigkeiten, wie sie ja einem Briefschreiber begegnen, habe ich stehen lassen, und nicht im Berichtigen zu weit zu gehen. Wenn

B. dafür hält, dass von hundert jungen Leuten, die in der Welt umherirren, 99 durch Frauen gerettet werden, und nur einer durch die göttliche Gnade, so sieht man leicht, dass er in der Rechnung nicht ganz genau gewesen ist, sofern er keinen Platz läßt für die, welche verloren gehen. Wie leicht wäre es gewesen, eine kleine Änderung vorzunehmen; ich meine aber, dass etwas weit Schöneres in B.s Fehlrechnung liegt. Und wenn er einmal einen griechischen Weisen Myson anführt, welcher das seltene Glück gehabt habe, unter die sieben Weisen gezählt zu werden: woher hatte er einen so ungewöhnliche Notiz? Nun, irrte nicht, da ich auf den alten Litterarhistoriker Diogenes von Laerte riet, dass dieser ihn etwas in die Irre geführt habe. Allerdings herrscht bei den Alten einige Unsicherheit darüber, welches die sieben Weisen gewesen seien. Jedoch habe ich's auch hier der Mühe nicht wert gefunden, etwas zu ändern. Es schien mir, dass seine Bemerkung, wenn auch nicht historischen, einen andern Wert hatte. - Schon vor fünf Jahren hatte ich die Papiere so geordnet, wie sie jetzt vorliegen, und es war beschlossen, sie in Druck zu geben. Indessen fand ich es schicklich, noch einige Zeit zu warten, wofür gerade fünf Jahre mir als passendes Spatium erschienen. Diese fünf Jahre sind verlaufen, und ich knüpfe da wieder an, wo ich damals abbrach. - Daß ich kein Mittel, den Verfassern auf die Spur zu kommen, unbenutzt ließ, das bedarf für den Leser wohl keiner Versicherung. Der Trödler führte kein Buch, was ja auch selten von dieser Art Leuten geschieht. Wem das Möbel gehört habe, wusste er nicht; er meinte es auf einer gemischten Auktion gekauft zu haben. Die Erinnerung an meine vielen vergeblichen Versuche ist mir selbst verdrießlich genug: den Leser will ich mit der Aufzählung derselben nicht ermüden. In das Resultat kann ich dagegen den Leser in aller Kürze einweihen. Das Resultat war - nichts.

Ein Bedenken erwachte jedoch; ich spreche es offenherzig aus. Machte ich mich einer Indiskretion schuldig gegen die unbekannten Verfasser? Je vertrauter ich indes mit den Papieren ward, desto mehr schwand jenes Bedenken. Sie ließen nirgends auf eine oder andre Persönlichkeit raten. Vorausgesetzt raten. Vorausgesetzt also, dass die unbekannten Verfasser noch existierten, dass sie hier in der Residenz lebten, dass die unerwartete Bekanntschaft mit ihren eignen Papieren machten, so würde dennoch, falls sie selbst sich nur ferner schweigend verhielten, aus der Herausgabe nichts resultieren. Denn von diesen Papieren gilt es im strengsten Sinne, was man von allem Gedrückten zu sagen pflegt: sie schweigen.

Auch fiel mir ein, diese Papiere könnten als Geldwerte in Betracht kommen. Ein Honorar, als wäre ich der Verfasser, für mich zu beanspruchen, lag mir fern. Die Sache war indes geordnet. Sowie dort in der »Weißen Dame« die ehrlichen schottischen Bauern sich entschließen, das Gut zu kaufen, um es danach den Grafen von Evenel zu verehren, wenn diese einmal zurückkehren sollten, so beschloß ich, das mir als Herausgeber etwa bewilligte Honorar auf Zinsen zu legen, um es den unbekannten Verfassern, falls sie sich eines Tages melden sollten, nebst Zins und Zinseszinsen, zu überantworten. Der Leser wird über meine Naivität lächeln. Ist doch selbst in Dänemark ein Honorar, wie es dem Verfasser zu gute kommt, kein Landgut, und die Unbekannten müßten lange fortbleiben, wenn ihr Honorar, mit allen Zinsen, als Geldwert in Betracht käme. Mein Gewissensbedenken wurde somit auf die leichteste Weise gehoben.

 


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