19. Der Stücklohn

 

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45) "Das System der Stückarbeit kennzeichnet eine Epoche in der Geschichte des Arbeiters; es steht in der Mitte zwischen der Stellung des einfachen Tagelöhners, der vom Willen des Kapitalisten abhängig ist, und dem genossenschaftlichen Handwerker, der in nicht ferner Zukunft in seiner Person den Handwerker und Kapitalisten zu vereinigen verspricht. Stückarbeiter sind tatsächlich ihre eigenen Meister, auch wenn sie am Kapital des Unternehmers arbeiten." (John Watts, "Trade Societies and Strikes, Machinery and Cooperative Societies", Manchester 1865, p. 52, 53.) Ich zitiere dies Schriftchen, weil es eine wahre Gosse aller längst verfaulten, apologetischen Gemeinplätze. Derselbe Herr Watts machte früher in Owenismus und publizierte 1842 ein andres Schriftchen: "Facts and Fictions of Political Economy", worin er u.a. Property für Robbery [Eigentum für Raub] erklärt. Es ist schon lange her.

46) T. J. Dunning, "Trade's Unions and Strikes", Lond. 1860, p. 22.

47) Wie das gleichzeitige Nebeneinander dieser zwei Formen des Arbeitslohns Fabrikantenprellereien begünstigt: "Eine Fabrik beschäftigt 400 Leute, von welchen die Hälfte im Stücklohn arbeitet und ein unmittelbares Interesse daran hat, länger zu arbeiten. Die anderen 200 werden pro Tag bezahlt, arbeiten ebenso lang wie die anderen, aber erhalten kein Geld für die Überstunden ... Die Arbeit dieser 200 Leute während einer halben Stunde täglich ist gleich der Arbeit einer Person während 50 Stunden oder 5/6 der wöchentlichen Arbeitsleistung einer Person und stellt einen handgreiflichen Gewinn für den Unternehmer dar." ("Reports of Insp. of Fact., 31st October 1860", p. 9.) "Überstunden herrschen noch immer in beträchtlichem Umfange vor; und in den meisten Fällen mit der Sicherheit gegen Entdeckung und Bestrafung, die das Gesetz selbst gewährt. Ich habe in vielen früheren Berichten aufgezeigt ... welches Unrecht an allen Arbeitern begangen wird, die nicht Stücklohn, sondern Wochenlohn erhalten." (Leonard Horner in "Reports of Insp. of Fact., 30th April 1859", p. 8, 9.)

48) "Der Lohn kann auf zwei Arten gemessen werden; entweder an der Dauer der Arbeit oder an ihrem Produkt" ("Abrégé élémentaire des principes de l'Écon. Pol.", Paris 1796, p. 32.) Verfasser dieser anonymen Schrift: G. Garnier.

49) "Es wird ihm" (dem Spinner) "ein bestimmtes Gewicht Baumwolle übergeben, und er muß dafür in einer gewissen Zeit ein bestimmtes Gewicht an Twist oder Garn von einem gewissen Feinheitsgrad liefern und erhält für jedes so beschaffene Pfund soundso viel. Ist die Arbeit von mangelhafter Qualität, so wird er bestraft; ist das Quantum geringer als das für eine bestimmte Zeit festgesetzte Minimum, so wird er entlassen und ein tüchtigerer Arbeiter eingestellt."(Ure, l.c.p. 316, 317.)

50) "Wenn das Arbeitsprodukt durch viele Hände geht, auf die alle ein Teil des Profits kommt, während nur das letzte Paar Hände die Arbeit verrichtet, dann geschieht es, daß die Bezahlung, welche schließlich die Arbeiterin erreicht, jämmerlich unangemessen ist." ("Child. Empl. Comm. II. Rep.", p. LXX, n. 424.)

51) Selbst der apologetische Watts bemerkt: "Es wäre eine große Verbesserung des Stücklohnsystems, wenn alle an einem Stück Arbeit Beschäftigten Teilhaber am Vertrag wären, jeder entsprechend seinen Fähigkeiten, statt daß ein Mann daran interessiert ist, seine Kameraden für seinen eigenen Vorteil abzurackern." (l.c.p. 53.) Über die Gemeinheiten dieses Systems vgl. "Child. Emp. Comm. Rep. III", p. 66, n. 22; p. 11, n. 124; p. XI, n. 13, 53, 59 usw.

51a) Diesem naturwüchsigen Resultat wird oft künstlich unter die Arme gegriffen. Z.B. im Engineering Trade [Maschinenbau] von London gilt es als herkömmlicher trick, "daß der Kapitalist einen Mann von überlegner physischer Kraft und Fertigkeit zum Chef einer Arbeiteranzahl auswählt. Er zahlt ihm vierteljährlich oder in andren Terminen einen Zuschußlohn unter der Übereinkunft, alles mögliche aufzubieten, um seine Mitarbeiter, die nur den gewöhnlichen Lohn erhalten, zur äußersten Nacheiferung anzustacheln ... Ohne weiteren Kommentar erklärt dies die Kapitalistenklage über "Lähmung der Tätigkeit oder überlegner Geschicklichkeit und Arbeitskraft (stinting the action, superior skill and working power) durch die Trade's Unions". " (Dunning. l.c.p. 22, 23.) Da der Verfasser selbst Arbeiter und Sekretär einer Trade's Union, könnte dies für Übertreibung gelten. Aber man sehe z.B. die "highly respectable" agronomische Cyklopädie von J. Ch. Morton, Art. "Labourer", wo diese Methode den Pächtern als probat empfohlen wird.

52) "Alle, die im Stücklohn bezahlt werden ... haben Vorteil von einer Überschreitung der gesetzlichen Grenzen der Arbeit. Diese Bereitschaft, Überstunden zu machen, ist besonders bei den Frauen zu beobachten, die als Weberinnern und Hasplerinnen beschäftigt sind." ("Rep. of Insp. of Fact., 30th April 1858", p. 9.) "Dies Stücklohnsystem, so vorteilhaft für den Kapitalisten ... strebt direkt, den jungen Töpfer zu großer Überarbeit zu ermuntern, während der 4 oder 5 Jahre, worin er per Stück, aber zu niedrigem Preis, bezahlt wird. Es ist dies eine der großen Ursachen, denen die physische Degeneration der Töpfer zuzuschreiben ist." ("Child. Empl. Comm. I. Rep.", p. XIII.)

53) "Wo die Arbeit in irgendeinem Gewerbe nach der Stückzahl, zu soundso viel je Stück bezahlt wird ... können sich die Löhne dem Betrag nach sehr wesentlich voneinander unterscheiden ... Aber für Tagelohn besteht im allgemeinen ein einheitlicher Satz ... der vom Unternehmer und von Arbeiter als Standardlohn für den Durchschnittsarbeiter in dem Gewerbe anerkannt wird." (Dunnig, l.c.p. 17.)

54) "Die Arbeit der Handwerksgesellen regelt sich nach dem Tag oder nach dem Stück (à la journée ou à la pièce) ... Die Meister wissen ungefähr, wieviel Werke die Arbeiter täglich in jedem métierverrichten können, und zahlen sie daher oft im Verhältnis zum Werk, das sie verrichten; so arbeiten diese Gesellen, soviel sie können, in ihrem eignen Interesse, ohne weitere Beaufsichtigung." (Cantillon, "Essai sur la Nature du Commerce en Général", Amst. Éd. 1756, p. 185 u. 202. Die Erste Ausgabe erschien 1755). Cantillon, aus dem Quesnay, Sir James Steuart und A. Smith reichlich geschöpft haben, stellt hier also schon den Stücklohn als bloß modifizierte Form des Zeitlohns dar. Die französische Ausgabe Cantillons kündigt sich auf dem Titel als Übersetzung aus dem Englischen an, aber die englische Ausgabe: "The Analysis of Trade, Commerce etc., by Philip Cantillon, late of the City of London, Merchant", ist nicht nur späteren Datums (von 1759), sondern erweist sich durch ihren Inhalt als eine spätere Bearbeitung. So z.B. findet sich in der französischen Ausgabe Hume noch nicht erwähnt, während umgekehrt in der englischen Petty kaum mehr figuriert. Die englische Ausgabe ist theoretisch unbedeutender, enthält aber allerlei spezifisch auf englischen Handel, Bullionhandel usw. Bezügliches, was im französischen Text fehlt. Die Worte im Titel der englischen Ausgabe, wonach die Schrift "Taken chiefly from the Manuscript of a very ingenious Gentleman deceased, and adapted etc.", scheinen daher mehr als bloße, damals sehr übliche, Fiktion.

55) "Wie häufig haben wir gesehen, daß man in gewissen Werkstätten weit mehr Arbeiter einstellte, als zur Arbeit wirklich benötigt wurden? Oft nimmt man Arbeiter an in Erwartung einer noch ungewissen, manchmal sogar nur eingebildeten Arbeit: da man im Stücklohn zahlt, sagt man sich, daß man nichts riskiert, da alle verlorene Zeit zu Lasten der Unbeschäftigten geht." (H. Gregoir, "Les Typographes devant le Tribunal Correctionnel de Bruxelles", Bruxelles 1865, p. 9.)

56) "Remarks on the Commercial Policy of Great Britain", London 1815, p. 48.

57) "A Defence of the Landowners and Farmers of Great Britain", Lond. 1814, p. 4, 5.

58) Malthus, "Inquiry into the Nature etc. of Rent", London 1815, [p. 49, Note].

59) "Die Arbeiter auf Stücklohn bilden wahrscheinlich 4/5 aller Arbeiter in den Fabriken." ("Reports of Insp. of Fact. for 30th April 1858", p. 9.)

60) "Die Produktivkraft seiner Spinnmaschine wird genau gemessen und die Bezahlung für die mit ihr geleistete Arbeit vermindert sich mit, wenn auch nicht entsprechend der Zunahme ihrer Produktivkraft."(Ure, l.c.p. 317.) Letztre apologetische Wendung hebt Ure selbst wieder auf. Er gibt zu, daß bei einer Verlängrung der Mule z.B. eine zusätzliche Arbeit aus der Verlängrung entspringt. Die Arbeit nimmt also nicht in dem Maße ab, worin ihre Produktivität wächst. Ferner: "Durch diese Verlängrung wird die Produktivkraft der Maschine um ein Fünftel gesteigert. Daraufhin wird der Spinner nicht mehr zu demselben Satz für geleistete Arbeit bezahlt wie zuvor, aber weil dieser Satz nicht im Verhältnis von einem Fünftel vermindert wird, erhöht die Verbesserung seinen Geldverdienst für jede gegebene Zahl von Arbeitsstunden" - aber, aber - "die vorhergehende Feststellung erfordert eine gewisse Einschränkung ... der Spinner hat von seinem zusätzlichen halben Schilling etwas für zusätzliche jugendliche Hilfskräfte zu zahlen, und außerdem werden Erwachsene verdrängt" (l.c.p. 320, 321), was keineswegs eine Tendenz zur Steigerung des Arbeitslohns hat.

61) H. Fawcett, "The Economic Position of the British Labourer", Cambridge and London 1865, p. 178.

62) Im Londoner "Standard" vom 26. Oktober 1861 findet man Bericht über einen Prozeß der Firma John Bright et Co. vor den Rochdale Magistrates, "die Vertreter der Trade Union der Teppichweber wegen Einschüchterung gerichtlich zu belangen. Die Teilhaber Brights hatten neue Maschinerie eingeführt, die 240 Yards Teppich in der Zeit und mit der Arbeit (!) produzieren sollten, die früher zur Produktion von 160 Yards erforderlich waren. Die Arbeiter hatten keinerlei Anrecht, an den Profiten teilzuhaben, die durch die Kapitalanlage ihrer Unternehmer in mechanischen Verbesserungen gemacht worden waren. Daher schlugen die Herren Bright vor, den Lohn von 11/2 d. pro Yard auf 1 d. zu senken, wodurch die Einkünfte der Arbeiter für die gleichen Arbeit genau so blieben wie vorher. Aber das war eine nominelle Herabsetzung, von der die Arbeiter, wie behauptet wird, vorher nicht ehrlich verständigt worden waren."

63) "Trades Unions in ihrer Sucht, den Arbeitslohn aufrechtzuhalten, suchen an dem Profit verbesserter Maschinerie teilzunehmen!" (Quelle horreur!)" ... sie verlangen höheren Lohn, weil die Arbeit verkürzt ist ... in anderen Worten, sie streben, eine Steuer auf industrielle Verbesserungen zu legen." ("On Combination of Trades", New Edit., Lond. 1834, p. 42.)

 


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