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Abteilung XII.
 
Über die Akademische oder Skeptische Philosophie
Abschnitt I.

 

Offenbar werden die Menschen durch einen natürlichen Instinkt oder eine Voreingenommenheit getrieben, ihren Sinnen zu glauben. Ohne alle Beweise, und selbst vor dem Gebrauche der Vernunft nehmen wir schon eine Welt außer uns an, welche nicht von unserer Wahrnehmung abhängt, sondern bleiben würde, wenn auch wir und jedes sinnliche Wesen entfernt oder vernichtet würden. Selbst die Tiere werden von der gleichen Meinung geleitet und zeigen in all ihrem Vorstellen, Wollen und Thun diesen Glauben an äußere Gegenstände.

Es ist also offenbar, dass die Menschen im Dienste dieses blinden und mächtigen Natur-Instinkts die ihnen durch die Sinne zugeführten Bilder immer auf äußere Gegenstände beziehen und keinen Zweifel hegen, dass das Eine nur die Vorstellung des Andern sei. Von diesem Tische, dessen Weiße wir sehen, und dessen Härte wir fühlen, glauben wir, dass er unabhängig von unserer Wahrnehmung existiert, und dass er etwas außerhalb der Seele ist, welche ihn wahrnimmt. Unsere Gegenwart gibt ihm nicht das Dasein, und unsere Abwesenheit vernichtet ihn nicht; er bewahrt sein Dasein gleichförmig und ganz unabhängig von der Stellung verständiger Wesen, welche ihn wahrnehmen oder ihn betrachten.

Aber diese allgemeine und ursprüngliche Überzeugung aller Menschen wird durch eine oberflächliche Philosophie leicht zerstört, die uns lehrt, dass der Seele nur ein Bild oder eine Vorstellung gegenwärtig sein könne, und dass die Sinne nur Kanäle seien, welche diese Bilder einführen, ohne einen unmittelbaren Verkehr zwischen der Seele und dem Gegenstande zu haben. Der Tisch, den wir sehen, scheint mit unserer Entfernung kleiner zu werden; aber der wirkliche Tisch, welcher unabhängig von uns besteht, erleidet keine Änderung; es war deshalb nur sein Bild, was der Seele gegenwärtig war. Dies sind die offenbaren Annahmen der Vernunft, und kein Denkender hat je bezweifelt, dass die Gegenstände, welche wir betrachten, wenn wir sagen: dies Haus und dieser Baum, nur Vorstellungen der Seele sind und flutende Bilder oder Darstellungen von Gegenständen, welche gleichförmig und selbstständig bleiben.

Insoweit sind wir durch die Vernunft gezwungen, dem ursprünglichen Natur-Instinkt zu widersprechen, oder ihn zu verlassen und ein neues System in Bezug auf das Zeugnis unserer Sinne anzunehmen. Hier gerät aber die Philosophie in große Verlegenheit, sobald sie dieses neue System rechtfertigen und die Einwürfe und den Spott der Skeptiker widerlegen will. Sie kann nicht mehr auf den untrüglichen und unwiderstehlichen Natur-Instinkt zurückgehen, denn dieser führt uns zu einem ganz andern System, was als unzuverlässig, ja als irrtümlich anerkannt ist, und die Rechtfertigung des angeblichen philosophischen Systems durch eine Reihe von klaren und überzeugenden Gründen, nicht nur der Schein einer solchen Begründung, übersteigt alle menschliche Fähigkeit und Kraft.

Mit welchem Grunde kann bewiesen werden, dass die Vorstellungen der Seele die Wirkungen äußerer Gegenstände seien, die zwar ganz verschieden von ihnen, doch ihnen gleichen (wenn dies möglich ist), und dass sie weder aus der Wirksamkeit der Seele selbst, noch aus der Zuführung eines unsichtbaren und unbekannten Geistes, oder aus irgend einer andern uns noch nicht bekannten Ursache entspringen. Bekanntlich entstehen tatsächlich viele dieser Vorstellungen nicht von äußeren Gegenständen, wie dies im Traume, in der Raserei und andern krankhaften Zuständen der Fall ist. Nichts ist unerklärlicher als die Art, in welcher ein Körper auf die Seele wirken soll, um ein Bild von sich einer Substanz von so verschiedener, ja entgegengesetzter Natur zuzuführen.

 


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