Der große Bauernkrieg 1525


(31.3.1915)

 

Deutschland hat drei große Kriege geführt: den Einheitskrieg 1870/71, die Befreiungskriege 1813 und den Bauernkrieg 1525, den man auch, seinem einseitigsten Interpreten, A. Bebel, folgend, den »ersten Sozialistenkrieg« nennen könnte. Heute, wo in seltener Übereinstimmung der Parteien Sozialisten, Liberale, Israeliten, Internationale sich entschlossen haben, für heimische Kultur, Sitte und Herd gemeinsam einzutreten, ist es vielleicht nicht uninteressant, auf die Zerspaltenheiten, Intrigen, Verrätereien und Hadernisse zurückzublicken, denen Deutschland vor der Begründung seines Nationalcharakters (der sich im allgemeinen doch während der Reformationszeit konstituierte) ausgesetzt war. Wie ein böser Alp legt sich dem Historiker, der, vom Strome unserer Zeit getragen, durch jene entlegenen Gefilde wandelt, der Druck nationaler Zerfleischung, nationalen Zerwürfnisses, auf die Brust. Dies war einst Deutschland (denkt man), vor dem ein Hutten ausrufen konnte: »Wahrlich, es ist ein Lust zu leben!« Und dankbar erinnert man sich jenes Kaiserwortes in den denkwürdigen Kriegstagen des August: »Ich kenne keine Parteien mehr«.

Fünf Parteien gab es damals in Deutschland: Bauern, Adel, Städter, Fürsten und Geistlichkeit. Der unterdrückte Stand war der der Bauern. Zu leiden hatte er unter dem Adel, den Fürsten und der Geistlichkeit. Unter der letzteren zumeist. Der Adel, der überall auf schwer zugänglichen Felspunkten, an Pässen, Verkehrsstraßen, Flußläufen und Zollgrenzen seine Zwingburgen hatte, ehedem der gefährlichste Feind und Ausbeuter der Bauern, war gegen das Ende des 15. Jahrhunderts in seiner Hauptmacht gebrochen. Das Emporblühen der Städte, hinter deren Befestigungen das Landvolk seine Zuflucht finden konnte; die Erfindung der Schießwaffen, die die schwere gepanzerte Reiterei unbrauchbar machte; die auswärtigen Kriege, Dynastiekriege der Kaiser, zu denen die Ritter Gefolgschaft zu leisten hatten — all das hatte das Ansehen und die Selbständigkeit der Ritterschaft untergraben; das Raubrittertum, dem die Bauernschaft bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts ausgeliefert war, dem sie Leibeigenschaft und Frondienste zu leisten hatte, war durch den Beschluß eines ewigen Landfriedens auf dem Reichstage zu Worms 1495 zum Abschwur des Fehderechts gezwungen worden, was gleichbedeutend war mit einer Lahmlegung der Geldquellen des Rittertums und einem Schutz der Bauern.

Doch blieb nach wie vor der Druck einer Unzahl von Lasten und Abgaben, die aus den verschiedensten Schutz- und Vogtei-verhältnissen, Gemeindeverbänden, Grund- und Lehensherrenrechten hervorgingen, und desto unerträglicher wurden, je mehr nach Erfindung des schweren Geschützes und nach Ausdehnung der Verschwendungs-, Mätressen- und Günstlingswirtschaft neue ganz willkürliche Auflagen für Transport, Verpflegung usw. hinzukamen. Die Geistlichkeit, vielfach in der Bedrückung und Ausbeutung der Bauern ein schlimmer Zwillingsbruder des Adels, war ebenfalls von den Bauern heftig gehaßt. Infolge der Unentwickeltheit der Verhältnisse, infolge der Beschränktheit und Unbildung der Massen war der Klerus leicht zur Herrschaft gekommen. Die Klagen über die Lebensweise der Geistlichen wurden von Tag zu Tag schlimmer. Die Fürsten ihrerseits, weltliche und geistliche, hatten ihre Gedanken einzig darauf gerichtet, wie sie die kaiserliche Obergewalt lahmlegen könnten, um ungestört ihrem Luxus und ihrer Verschwendung zu frönen, daneben ein möglichst großes Soldaten- und Beamtenheer unterhalten zu können. Zwar standen ihnen sogenannte Landstände zur Seite, aber die Interessen der Landstände waren mit denen der Fürsten viel zu eng verknüpft, als daß sie selbständige Bedeutung hätten erlangen können. Die einzige Hoffnung des Bauerntums konnte das in der feudalen Gesellschaft als neuer Stand emporkommende Städtertum sein, dem es aufgrund seines Handels- und Erfindungsgeistes allmählich gelingen mußte, ein größeres Maß von Freiheit und Selbständigkeit als das Bauerntum zu erringen. Hatte der Bauer zwar bereits unter der Monopolisierung des Handels in den Händern der Fugger und anderer Handelsgeschlechter zu leiden, so hing doch alles von der Frage ab, wie die neuaufkommende Partei des Bürgertums zu dem Freiheitswillen der Bauern sich stellen würde. Die Städter, und bis zu einem gewissen Grad auch der Adel, der sich seinerseits gegen die Fürsten zu behaupten hatte, waren Parteien, die bei dem bevorstehenden Kampfe zwischen Fürsten und Bauern zweifellos den Ausschlag geben konnten. So lagen die Dinge, als zunächst der geistige Kampf losbrach.

Vorbereitet war er durch die Begründung der Universitäten (Prag 1348, Heidelberg 1387, Leipzig 1409, Freiburg 1452, Tübingen 1477, Wittenberg 1502), durch das Wiederaufleben der antiken Kultur in der italienischen Renaissance, durch den ganzen Umsturz des Mittelalters und der Hierarchie, wie ihn die großen Erfindungen (Buchdruckerkunst, Schießpulver) und die großen Entdeckungen (Amerika, Erdumdrehung) mit sich brachten.

Die Folge war: der soziale Kampf. Und da der soziale Feind im großen allgemeinen die omnipotente, universale Geistlichkeit war, so nahm er die Formen einer stark religiös gefärbten Revolte an. Das Auftreten Luthers in dieser Bewegung ist nicht einzigartig, sondern nur ein Höhepunkt der freiheitlichen Bewegungen, die sich vom Auftreten der Katharer im 10. Jahrhundert über Voltaire und die Enzyklopädisten bis in unsere Tage zu Strauß und Renan erstreckt.

Als Luther auftrat, 1517, war bereits heftig gekämpft worden. In Böhmen, wohin englische Reformer und Revolutionäre geflüchtet waren, war Johannes Huß aufgetreten, Professor an der Universität zu Prag. Er griff den Papst als Stellvertreter Gottes an und nannte ihn einen »Nachfolger Judas Ischarioths«. Er bestritt die Zulässigkeit der Inquisition und die Verfolgung wegen Glaubenssätzen, kämpfte gegen den Ablaß, Zeremonien, Reliquien und Heiligenverehrung, befürwortete die Einziehung der geistlichen Güter. Nur der Ausbruch eines nationalen Zerwürfnisses mit den zahlreichen an der Universität Prag studierenden Deutschen verhinderte, daß Huß für Deutschland 100 Jahre früher schon wurde, was Luther später wurde. 1415 wurde Huß als Ketzer verbrannt.

Die Hussitenkriege, von Huß hervorgerufen, wurden der Ausgangspunkt der ganzen deutschen Bauernkriege. Die Agitation unter der Landbevölkerung, die Huß und seine Anhänger betrieben hatten, war auf fruchtbaren Boden gefallen und hatte weitgreifende Gärungen zur Folge. Als die Hussitenkriege niedergeschlagen waren, flohen Tausende von vertriebenen Hussiten in alle umliegenden österreichischen und süddeutschen Nachbargebiete und trugen ganz beträchtlich zur Verbreitung revolutionärer Ideen bei. In Franken trat Hans Böheim auf, »das Pfeifer Hänslein« genannt. Er beschränkte sich nicht darauf, zu predigen und die Nichtsnutzigkeit der Zustände zu schildern. Er gab Anweisungen, wie man dem Unrecht abhelfen und dem armen Manne aufhelfen könne. Vor einer Zahl von 30-40 000 Zuhörern predigte er: »Es gelte, ein neues Gottesreich aufzurichten, worin alles abgetan sei, weder Kaiser, Fürst noch Papst, noch irgendeine andere weltliche oder geistliche Herrschaft bestehe; jeder solle des andern Bruder sein, mit eigener Hand das tägliche Brot gewinnen und keiner mehr haben als der andre. Alle Zinsen, Gülten und Fronden, Zölle und Steuern, alle Abgaben und Leistungen sollten für immer abgetan, Wald, Wasser und Weide überall frei sein.« In den Niederlanden brach ein Aufstand aus, in Oberschwaben, der Abtei Kempten, im Schwarzwald und im Elsaß. Die wichtigsten Bauernbünde, der »Bundschuh« im Elsaß und der »Arme Konrad« in Württemberg, waren geheime Verschwörungen zum Zwecke des Sturzes von Fürsten und Geistlichkeit. Das Programm des Bundschuhs war: »Aufhebung des geistlichen Gerichts, Aufhebung der Zölle, des Umgelds und anderer Lasten, Selbstverwaltung der Gemeinden, Geschworenengerichte, Aufhebung der Ohrenbeichte«. Einer der Hauptartikel lautete: »In der ganzen Christenheit solle ein beständiger Friede aufgerichtet werden, wer sich dawider setze, totgestochen, wer aber durchaus kriegen wolle, mit Handgeld wider die Türken und Ungläubigen geschickt werden.« Das Programm des »Armen Konrad« lautete: »Das Herzogtum Württemberg und alle umliegenden Landschaften sollten von dem Joch der Fürsten, Bischöfe, Prälaten, der Burgherrn und der Ehrbarkeit befreit werden. Sobald der Bund auf 21 000 Glieder angewachsen sei, solle der Krieg gegen weltliche und geistliche Herren eröffnet, die Güter der Klöster und Herren eingezogen und damit die armen Leute aufgebessert werden.« Die Organisation der beiden Bünde erstreckte sich über ganz Elsaß, über nahezu ganz Süddeutschland mit Ausnahme Bayerns. Auch in Steiermark, Kärnten und Krain brachen Unruhen aus. Der »Bundschuh« endete durch Verrat. (Die Pläne wurden dem Markgrafen von Baden unterbreitet. Der Anführer Joß Fritz mußte fliehen). Der »Arme Konrad«: durch kaiserliche Gewalt. Die Hauptleute wurden hingerichtet und in den Hungerturm geworfen. Das Eigentum der Bauern geplündert, gebrandschatzt und verwüstet. Der schwäbische Adel versammelte sich zu Urach und schloß gegen die allenthalben im Reich umgehenden Unruhen und Empörungen des gemeinen Mannes ein Bündnis zu gegenseitiger Hilfe.

Der Anschlag der 95 Thesen an der Schloßkirche zu Wittenberg und die Gegnerschaft der Päpstlichen gegen die Kühnheit Luthers brachten den Sturm von neuem zum Ausbruch. Luthers Auftreten und Ungestüm erregten ungeheures Aufsehen. Mit einem Schlage war er, der vorher unbekannte Mönch, die Hoffnung Deutschlands und der Bauern. Alle oppositionellen Elemente in Deutschland jubelten ihm zu. Als er 1519 schrieb: »So wir Diebe mit Strang, Mörder mit Schwert, Ketzer mit Feuer strafen, warum greifen wir nicht viel mehr an diese schädlichen Lehrer des Verderbens als Päpste mit allerlei Waffen und waschen unsere Hände in Blut?« Da glaubte man revolutionäre Worte zu hören, Worte der Auflehnung gegen die bestehende Ordnung, und kein geringer Teil seiner Anhänger war der Meinung: was dem Papsttum recht, müsse Fürsten und Herren, die es in ihrer Art nicht besser machten, billig sein.« Aber Luther war kein Revolutionär. Er war unser deutscher Reformator und hatte Besseres im Sinne. Die Unterstützung, die ihm der Kurfürst von Sachsen gewährte, der große Anhang, den er im Adel und namentlich im Bürgertum gefunden, ließen es ihm rätlich erscheinen, einzulenken und den Kampf auf einen rein geistlichen, rein kirchlichen zu beschränken. Er erklärte laut und nachdrücklich, daß seine Lehre mit materiellen und politischen Dingen nichts zu tun habe, daß er das Verhältnis der Untertanen zu ihren Herren nicht anzutasten gedenke. Als Ulrich von Hütten und Franz von Sickingen sich gegen den Erzbischof von Trier wandten, schrieb Luther: »Wenn die geistlichen Fürsten nicht hören wollen Gottes Wort, was begegnet ihnen billiger, als daß man sie von der Welt ausrotte.« Den gedrückten Bauern aber rief er zu: »Leiden, leiden, Krieg, Krieg, ist des Christen Recht und kein andres.« »Dem Seelheil des gemeinen Mannes ist eine schwere Last von Arbeit und Entbehrung dienlich, er würde sonst allzu üppig.«

Vielleicht hat Luther damit das Abschwenken der Städter und des Adels zu den Feinden der aufständigen Bauern verursacht. Es ist schwer, einen geistigen Einfluß nachträglich abzuschätzen und zu beurteilen. Gewiß ist, daß er sich zufolge seiner politisch indifferenten, ja reaktionären Stellung deshalb mit den Revolutionären der Zeit, Thomas Münzer, den Wiedertäufern, Schwarmgeistern und Bilderstürmern in Konflikt verwik-kelte.

Thomas Münzer, der aufrechteste und stärkste Vertreter der revolutionären Schicht des Volkes, war Lehrer an der lateinischen Schule zu Aschersleben, dann zu Halle, stiftete daselbst einen geheimen Bund wider den Erzbischof von Magdeburg und Primas von Deutschland, »um die Christenheit zu reformieren«, ward Prediger zu Zwickau, erst Anhänger Luthers, dann dessen immer entschiedenerer Gegner. Er zweifelte tiefer als Luther. »Können wir nicht irren, wenn wir Christus und die Apostel für göttlich halten ...« Ganz unglaubliche Worte; besonders für die damalige, vom Geist der christlichen Religion erfüllten Zeit. Niemals hätte sich Luther so zu radikalen Gedanken und Äußerungen hinreißen lassen. Von Luther sagte Münzer: »Die Gewalt des Papstes, des Ablasses, des Fegfeuers, der Seelmessen und anderer Mißbräuche verwerfen, das sei nur halb reformiert, Luther sei ein untüchtiger Reformator, ein Weichling, der dem zarten Fleisch Kissen unterlege, er erhebe den Glauben zu sehr und mache aus den Werken zu wenig.« Den Mystikern und Schwärmern warf Münzer sich in die Arme. Dem Geist revolutionärer Gärung, der sein Zeitalter ergriffen und die ganze gesellschaftliche Atmosphäre durchtränkt hatte. In Prag ließ er ein Pamphlet »gegen die Papisten« anschlagen, das Huß als seinen Lehrer und Mitstreiter rühmte. Von Nürnberg aus eröffnete er eine heftige Polemik gegen Luther, betitelt »Schutzrede und Anwort wider das geistlose, sanftlebige Fleisch zu Wittenberg«, in welcher der aufrührerische Mann in ungerechter und gehässiger Weise Luther angreift und ihm darin zum Vorwurf macht, »dem Adel die Kirchen und Klöster zu schenken, deshalb sei dieser mit ihm zufrieden«, d. h. sein Anhänger.

Dieser Mann trat nun an die Spitze der wiederauflebenden Bewegung. Flüchtlinge aus den niedergedrückten Aufständen des Jahres 1517 hatten allerorts vorgearbeitet. Vertriebene Geistliche, die um Amt und Würden gekommen waren, hatten den Wanderstab ergriffen und wanderten von Ort zu Ort, predigend in Franken, Schwaben, Salzburg, Tirol, am Bodensee, in der Schweiz und am Oberrhein. Die wiedertäuferischen »Prädikanten«, teils Handwerker, teils Bauern, die aus eigener Anstrengung lesen und schreiben gelernt hatten (die Nihilisten der Bewegung), zogen von Ort zu Ort und begeisterten, kraft des in ihnen wohnenden Feuers, die Massen. Im Allgäu, am Bodensee und in Schwaben, in Thüringen, in Franken und in der Pfalz, im Salzburgischen, in der Schweiz und in Tirol, überall brachen die Bauern auf, um den entscheidenden Schlag zu führen. Die Bauern hatten ihre Beschwerden wider die Herren überall in zwölf Artikeln zusammengefaßt, die, nach den Lokalzuständen verschieden, in der Hauptsache doch übereinstimmend waren. Ein »Artikelbrief« Münzers begleitete das Manifest. Daß die Artikel von ihm entworfen waren, hat man behauptet; nachgewiesen ist es nicht. Doch ließ Münzer um jene Zeit eine seiner revolutionärsten Schriften verbreiten, worin er auseinandersetzte, wie die Herren regierten und wie man regieren solle, und worin er aus 13 Bibelstellen beweisen wollte, daß das Volk recht habe, schädliche Herren abzusetzen. »Nur es kurz gemacht,« hieß es hier, »alle die Herren, die aus ihres Herzens Lust und aus ihren eigenwilligen letzten Köpfen eigennötige Gebote ausbringen, die sind rechte und echte Räuber und abgesagte Feinde ihrer eigenen Landschaft. Nur solche Moab, Agag, Ahab, Phalaris und Nero aus den Stühlen gestoßen, ist Gottes höchstes Wohlgefallen.«

Das Trauerspiel begann. Von großem Vorteil für die Bauern war, daß während des Jahres 1524 und des ersten Viertels des Jahres 1525 Kaiser Karl V. in einen schweren Krieg mit Franz I. von Frankreich in Italien verwickelt war, der nicht allein den Kaiser verhinderte, sich um deutsche Angelegenheiten zu kümmern, sondern auch seinen Stellvertreter, den Erzherzog Ferdinand, zwang, alle disponiblen Truppen und Gelder ihm zur Verfügung nach Italien zu schicken. Im Herbst 1524 stand dort die Entscheidung zwischen den beiden Gegnern bevor. Die Taktik des Erzherzogs wie des Adels in allen Unterhandlungen war deshalb, die Bauern hinzuhalten und zu vertrösten. Im Allgäu, in Ober- und Unterschwaben brach die Sache zuerst los. Vier Bauernhaufen, der Baltringer, der Oberallgäuer, Unterallgäuer und der Seehaufen, zusammen 32 000 Mann stark, hatten sich dort gebildet und am 7. März nach dem Beispiel des schwäbischen Adels ein gegenseitiges Schutz- und Trutzbündnis geschlossen. Dem Truchseß Georg von Waldburg, obersten Feldhauptmann des schwäbischen Bundes, schrieb der Erzherzog: »Er solle mit den Bauern gütlich handeln, bis er sein Kriegsvolk beisammen habe«. Ähnlich schrieb der bayerische Kanzler Eck an seinen Herrn: »Man solle den Bauern sicheres Geleit geben, damit sie in Unterhandlung träten. Werden sie sich darauf einlassen, so werden wir die Bösewichter hinhalten, bis unser Kriegsvolk ankommt. Dann wollen wir in sie fallen und mit Ernst gegen sie handeln.« Hier wie überall im Bauernkrieg: Der Finte, der Methode, den Erfahrungen der Herren war die aufständische Bauernschaft nicht gewachsen. Daß die schwäbischen Bauern auf die vorgeschlagenen Unterhandlungen eingingen, statt Schlag auf Schlag die Lage auszunutzen, war die erste Ursache ihrer Niederlage. Sie ließen die beste Zeit verstreichen und dem Gegner die Möglichkeit zu Rüstungen. Schlimmer aber war, daß die Bauern im weiteren Verlauf der Begebenheiten gezwungen waren, sich durch Aufnahme von Überläufern aus dem Adel und dem trotz allem adelsfreundlichen Städtertum die Methode ihrer Gegner zu verschreiben. Diese Überläufer neigten zum Teil, wie ja erklärlich, zum Kompromiß und verursachten dadurch Spaltungen und Konflikte innerhalb der einzelnen Bauernhaufen und deren Führern. Zum andern Teil wurden sie wie Götz von Berlichingen zu direkten Verrätern und lieferten die Bauern in die Hände ihrer Feinde. Dazu kam eine mangelhafte Organisation der Verpflegung, Partikularismus der einzelnen Gaue, Landschaften und Interessengruppen, sowie beständiger Mangel an Geld. Sicher hätten die Erträgnisse der säkularisierten Kirchen, Klöster und Opferstöcke genügt, alle notwendigen Ausgaben für eine angemessene Kriegsführung zu decken, aber es fehlte an zweckmäßiger Verwendung der beschlagnahmten Gelder. Die Bauern ließen es sich genügen mit Plündern und Verwüstung, oft mit Schwelgen und Gelage. Es fehlte an einer umfassenden Disziplin und an einem gemeinsamen strategischen Plane. So kam es zu Teilerfolgen, zu wüstem Berennen nur planmäßig einnehmbarer Befestigungen, so kam es zu viel nutzlosem Hin und Her und einem sukzessiven Abschlachten der streunenden Bauernhorden durch einen im ganzen viel schwächeren, aber zielbewußten Gegner.

Die Kämpfe spielten sich in der Hauptsache ab in Schwaben und Franken, wo der Truchseß die Heere des schwäbischen Bundes gegen Wendel Hipler, Florian Geyer, Jäcklein Rohrbach befehligte und wo Götz von Berlichingen die Sache später verriet; in Thüringen, wo Münzer persönlich an die Spitze der Revolutionäre trat, im Elsaß, der Pfalz und im Salzburgischen, wo Michael Gaismayer, vielleicht der diplomatischste Kopf des Bauernkrieges, am längsten dem Erzherzog widerstand, schließlich aber ebenfalls niedergezwungen wurde. So endete die große freiheitliche Bewegung kläglich. Doch waren es die ungemäßigten Bauern selbst, die ihren Untergang beschleunigten.


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