Aussichten Englands für die Zukunft

 

Das ist die Lage der britischen Arbeiterklasse, wie ich sie während einundzwanzig Monaten durch meine eignen Augen und durch offizielle und sonstige authentische Berichte kennengelernt habe. Und wenn ich diese Lage, wie ich auf den vorstehenden Seiten oft genug ausgesprochen habe, für eine schlechterdings unerträgliche halte, so bin ich nicht der einzige, der das tut. Schon Gaskell erklärt 1833, daß er an einem friedlichen Ausgange verzweifelt und daß eine Revolution schwerlich ausbleiben könne. Carlyle erklärt 1838 den Chartismus und das revolutionäre Treiben der Arbeiter aus dem Elend, in dem sie leben, und wundert sich nur, daß diese so ruhig acht lange Jahre am Tisch des Barmekiden gesessen haben, wo sie von der liberalen Bourgeoisie mit leeren Versprechungen gespeist wurden - und 1844 erklärt er, daß die Organisation der Arbeit sogleich in Angriff' genommen werden müsse,

"wenn Europa, wenigstens England, noch lange bewohnbar bleiben solle".

Und die "Times", das "erste Journal Europas", sagt im Juni 1844 geradezu:

"Krieg den Palästen, Friede den Hütten, das ist ein Schlachtruf des Schreckens, der noch einmal durch unser Land ertönen mag. Mögen die Reichen sich in acht nehmen!"

Nehmen wir indes noch einmal die Chancen der englischen Bourgeoisie vor. Im schlimmsten Fall gelingt es der ausländischen, besonders der amerikanischen Industrie, die englische Konkurrenz auch nach der, in wenig Jahren nötigen, Abschaffung der Korngesetze aushalten zu können. Die deutsche Industrie macht jetzt große Anstrengungen, die amerikanische hat sich mit Riesenschritten entwickelt. Amerika mit seinen unerschöpflichen Hülfsmitteln, mit den unermeßlichsten Kohlen- und Eisenlagern, mit einem beispiellosen Reichtum an Wasserkraft und schiffbaren Flüssen, besonders aber mit seiner energischen, tätigen Bevölkerung, gegen welche die Engländer noch phlegmatische Schlafmützen sind, Amerika hat in weniger als zehn Jahren eine Industrie geschaffen, welche in gröberen Baumwollenwaren (dem Hauptartikel der englischen Industrie) schon jetzt mit England konkurriert, die Engländer aus dem nord- und südamerikanischen Markt verdrängt hat und in China neben der englischen verkauft wird. In andern Industriezweigen geht es ebenso. Ist ein Land dazu begabt, das industrielle Monopol an sich zu reißen, so ist es Amerika. Wird also auf diese Weise die englische Industrie geschlagen - wie dies in den nächsten zwanzig Jahren, wenn die jetzigen sozialen Zustände bleiben, wohl nicht anders geschehen kann, so wird die Majorität des Proletariats auf immer "überflüssig" und hat keine andre Wahl als zu verhungern oder - zu revolutionieren. Denkt die englische Bourgeoisie an diese Chance? Im Gegenteil, ihr liebster Ökonom, MacCulloch, doziert ihr aus seiner Studierstube heraus: Es ist gar nicht daran zu denken, daß so ein junges Land wie Amerika, das noch gar nicht ordentlich bevölkert ist, mit Erfolg Industrie treiben oder gar gegen ein altes industrielles Land wie England konkurrieren könne. Es wäre wahnsinnig von den Amerikanern, wenn sie das versuchen wollten, denn sie können nur Geld dabei verlieren, laßt sie hübsch beim Ackerbau bleiben, und wenn sie erst das ganze Land bebaut haben, dann wird die Zeit auch wohl kommen, wo sie mit Vorteil Industrie treiben können. - Und das sagt der weise Ökonom, und die ganze Bourgeoisie betet's ihm nach, während die Amerikaner einen Markt nach dem andern wegnehmen, während ein verwegner amerikanischer Spekulant vor kurzem eine Partie amerikanischer Waren nach England schickte, wo sie zur Wiederexportation verkauft wurden!

Aber selbst für den Fall, daß England das industrielle Monopol behielte, daß seine Fabriken fortwährend an Zahl wüchsen, was würde die Folge sein? Die Handelskrisen würden bleiben, und mit der Ausdehnung der Industrie und der Vermehrung des Proletariats immer gewaltsamer, immer schauderhafter werden. Das Proletariat würde durch den fortschreitenden Ruin der kleinen Mittelklasse, durch die mit Riesenschritten sich entwickelnde Zentralisation des Kapitals in den Händen weniger, in geometrischer Proportion zunehmen und bald die ganze Nation, mit Ausnahme weniger Millionäre, ausmachen. In dieser Entwicklung tritt aber eine Stufe ein, wo das Proletariat sieht, wie leicht es ihm wäre, die bestehende soziale Macht zu stürzen, und dann folgt eine Revolution.

 


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Seite zuletzt aktualisiert: 11.10.2005 
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