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I. [Der wirtschaftliche Wert als Objektivation subjektiver Werte, vermöge der Distanzierung zwischen dem unmittelbar genießenden Subjekt und dem Gegenstand]

 

So kann man sagen, daß der Wert eines Objekts zwar auf seinem Begehrtwerden beruht, aber auf einer Begehrung, die ihre absolute Triebhaftigkeit verloren hat. Ebensowenig aber darf das Objekt, wenn es ein wirtschaftlicher Wert bleiben soll, sein Wertquantum zu einer Höhe steigern, bei der es praktisch wie ein absolutes wirkt. Die Distanz zwischen dem Ich und dem Gegenstand seiner Begehrung kann eine so weite werden - sei es durch die sachlichen Schwierigkeiten der Beschaffung, sei es durch exorbitante Höhe des Preises, sei es durch Bedenken sittlicher oder anderer Art, die sich dem Streben nach ihm entgegenstellen -, daß es zu gar keinem realen Willensakt kommt, sondern das Begehren entweder erlischt oder zu einem schattenhaften Wünschen wird. Der Abstand zwischen Subjekt und Objekt, mit dessen Aufwachsen der Wert, mindestens in dem wirtschaftlichen Sinne, entsteht, hat also eine untere und eine obere Grenze, so daß die Formulierung, das Maß des Wertes sei gleich dem Maße des Widerstandes, der sich der Erlangung begehrter Dinge nach Natur-, Produktions- und sozialen Chancen entgegensetze - den Sachverhalt nicht trifft. Gewiß würde Eisen kein wirtschaftlicher Wert sein, wenn sich seiner Erlangung keine größeren Schwierigkeiten entgegensetzten, als etwa der Erlangung der Luft zum Atmen; aber andrerseits mußten diese Schwierigkeiten unter ein gewisses Maß sinken, damit man das Eisen überhaupt zu derjenigen Fülle von Werkzeugen verarbeiten konnte, die es wertvoll machte. Oder auch: man hat behauptet, die Werke eines fruchtbaren Malers würden, bei gleicher Kunstvollendung, weniger kostbar sein als die des minder produktiven; das ist erst oberhalb einer bestimmten Quantitätsgrenze richtig. Denn es bedarf gerade einer gewissen Fülle von Werken eines Malers, damit er überhaupt erst einmal denjenigen Ruhm erwerbe, der den Preis seiner Bilder hochhebt. So hat ferner in einigen Papierwährungsländern gerade die Seltenheit des Goldes es dahin gebracht, daß das niedere Volk überhaupt nicht mehr Gold nehmen mag, wenn es ihm zufällig geboten wird. Ja, gerade den Edelmetallen gegenüber, deren Eignung zur Geldsubstanz man auf ihre Seltenheit zu gründen pflegt, darf die Theorie nicht übersehen, daß diese Seltenheitsbedeutung erst oberhalb einer ziemlich erheblichen Häufigkeit einsetzen kann, ohne welche diese Metalle dem praktischen Geldbedürfnis gar nicht dienen und also den Wert, den sie als Geldstoffe besitzen, gar nicht erlangen könnten. Vielleicht läßt nur die praktische Habsucht, die über jedes gegebene Quantum von Gütern hinausbegehrt, und der deshalb jeder Wert zu knapp erscheint, es verkennen, daß nicht Seltenheit, sondern ein gewisses Mittleres zwischen Seltenheit und Nichtseltenheit in den meisten Fällen die Bedingung des Wertes bildet. Das Seltenheitsmoment ist, wie eine leichte Überlegung zeigt, in die Bedeutung der Unterschiedsempfindlichkeit einzurangieren; das Häufigkeitsmoment in die Bedeutung der Gewöhnung. Wie nun das Leben allenthalben durch die Proportion dieser beiden Tatsachen: daß wir ebenso Unterschied und Wechsel seiner Inhalte, wie Gewöhnung an jeden derselben bedürfen - bestimmt wird, so stellt sich diese allgemeine Notwendigkeit hier in der speziellen Form dar, daß der Wert der Dinge einerseits einer Seltenheit, also eines Sichabhebens, einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf, andrerseits aber einer gewissen Breite, Häufigkeit, Dauer, damit die Dinge überhaupt die Schwelle des Wertes überschreiten.

 


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Seite zuletzt aktualisiert: 14.09.2004