Rom. Frühling


Den 19. Februar.

 

Das Wetter fährt fort, über allen Ausdruck schön zu sein; heute war ein Tag, den ich mit Schmerzen unter den Narren zubrachte. Mit Anbruch der Nacht erholte ich mich auf der Villa Medicis; Neumond ist eben vorbei, und neben der zarten Mondsichel konnte ich die ganze dunkle Scheibe fast mit bloßen Augen, durchs Perspektiv ganz deutlich sehn. Über der Erde schwebt ein Duft des Tags über, den man nur aus Gemälden und Zeichnungen des Claude kennt, das Phänomen in der Natur aber nicht leicht so schön sieht als hier. Nun kommen mir Blumen aus der Erde, die ich noch nicht kenne, und neue Blüten von den Bäumen; die Mandeln blühen und machen eine neue luftige Erscheinung zwischen den dunkelgrünen Eichen; der Himmel ist wie ein hellblauer Taft, von der Sonne beschienen. Wie wird es erst in Neapel sein! Wir finden das meiste schon grün. Meine botanischen Grillen bekräftigen sich an allem diesen, und ich bin auf dem Wege, neue schöne Verhältnisse zu entdecken, wie die Natur, solch ein Ungeheueres, das wie nichts aussieht, aus dem Einfachen das Mannigfaltigste entwickelt.

Der Vesuv wirft Steine und Asche aus, und bei Nacht sieht man den Gipfel glühen. Gebe uns die wirkende Natur einen Lavafluß! Nun kann ich kaum erwarten, bis auch diese großen Gegenstände mir eigen werden.

 




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Seite zuletzt aktualisiert: 05.11.2007 
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