1. Leben und Schriften, Einteilung seiner Philosophie


Johann Friedrich Herbart, am 4. Mai 1776 als einziger Sohn eines Justizrats in Oldenburg geboren, schon auf dem Gymnasium mit Wolffscher und Kantischer Philosophie bekannt, ging, nachdem er den Widerstand seiner Eltern überwunden, 1794 nach Jena, um Fichte zu hören, äußerte jedoch bereits dort seine Bedenken gegen die Ich-Lehre und kritisierte die in deren Sinne gehaltenen beiden ersten Schellingschen Schriften (1796). Die seiner Universitätszeit folgenden Jahre (1797 - 1800) brachte er - wie Kant, Fichte und Hegel - zunächst als Hauslehrer zu, und zwar in der Berner Patrizierfamilie von Steiger. Sein schon damals vorhandenes Interesse für Pädagogik ließ ihn die Bekanntschaft Pestalozzis machen. Seine Zöglinge beschäftigte er hauptsächlich mit Poesie (Homer) und Mathematik, während er den Unterricht in Moral und Geschichte auf später verschob. Nach zweijährigem Aufenthalte im Hause seines Freundes J. Smidt in. Bremen, habilitierte er sich 1803 in Göttingen als Privatdozent der Philosophie und (als erster) der Pädagogik, wurde 1806 daselbst außerordentlicher, 1809 in Königsberg, auf Wilhelm von Humboldts Empfehlung, ordentlicher Professor (nach Krug, dem Nachfolger Kants) und Direktor des von ihm gegründeten ersten pädagogischen Seminars. Seine Hoffnungen, Hegels Nachfolger in Berlin zu werden, erfüllten sich nicht. Von 1833 bis zu seinem Tode (14. August 1841) lehrte er wieder in Göttingen, sich streng auf seine Vorlesungen, Studien und pädagogischen Bestrebungen beschränkend. Von öffentlichen Angelegenheiten hielt der unpolitische, beinahe weltabgewandte Mann sich fern; an dem Schritt der »Göttinger Sieben« (1837) hat er nicht teilgenommen.

Die wichtigeren Werke Herbarts sind: Allgemeine Pädagogik 1806. Hauptpunkte der Metaphysik 1806/08. Allgemeine praktische Philosophie 1808. Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie 1813 (am besten zur Einführung geeignet). Lehrbuch zur Psychologie 1816. Psychologie als Wissenschaft, neugegründet auf Erfahrung, Metaphysik und Mathematik 1824/25. Allgemeine Metaphysik nebst den Anfängen der philosophischen Naturlehre 1828/29. Kurze Enzyklopädie 1831. Umriß pädagogischer Vorlesungen 1835 (populär, auch bei Reclam).

Herbarts Denken ist im Gegensatz zu dem Gefühlsüberschwang seiner romantischen Zeitgenossen, rein verstandesmäßig. Ähnlich wie Christian Wolff, mit dem er überhaupt in seiner nüchternen Art manches gemein hat, ist diesem mathematisch gerichteten Geiste Wahrheit und Deutlichkeit der Begriffe der höchste Maßstab. Alles Pathos liegt ihm, auch im Stile, völlig fern. Sein Standpunkt will »die richtige Mitte zwischen mystischer Anschauung und Empirismus« suchen. Philosophie ist nach Herbarts, in bewußtem Gegensatz zu Schelling und mit einer gewissen Anlehnung an Kant, aufgestellter Definition: Bearbeitung der in der Erfahrung gegebenen Begriffe. Aus den Hauptarten dieser Bearbeitung ergeben sich die einzelnen Teile der Philosophie: Die Logik bezweckt Verdeutlichung der Begriffe, die Metaphysik oder theoretische Philosophie mit ihren drei Anwendungen: Naturphilosophie, Psychologie und Religionsphilosophie oder natürlicher Theologie, deren Berichtigung; die Ästhetik endlich, die bei Herbart auch die Ethik, ja alle »praktischen« Wissenschaften als »Kunstlehren« in sich schließt, betrachtet die von Beifall bezw. Mißfallen begleiteten Begriffe, welche sie durch Wertbestimmungen ergänzt. In der formalen Logik hat Herbart nichts Eigentümliches geschaffen. Wir beginnen daher mit seiner Metaphysik einschl. Naturphilosophie.


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