2. Schriften


Zu einer ausführlichen Systematisierung seiner Lehre in einem grundlegenden Hauptwerke ist Leibniz nicht gekommen; die meisten seiner Aufsätze wurden in Zeitschriften (zuerst in den Acta eruditorum Lipsiensium, später in dem Journal des savants) veröffentlicht; er selbst hat außer einigen Jugendarbeiten nur die Theodizee herausgegeben. Dazu kommen die zahlreichen wichtigen Briefe, in denen er manche in seinen Schriften weniger berührte Punkte seiner Lehre näher ausgeführt hat. Die bisher vollständigste Ausgabe der philosophischen Schriften inkl. Briefe ist die von Gerhardt, 7 Bände, Berlin 1875-1890; frühere die von J. E. Erdmann (3 Bde. 1840) und die in der Pertzschen (unvollständigen) Sammlung Leibnizscher Schriften enthaltenen, von Gerhardt edierten 7 Bände mathematischer Schriften. Besser als diese umfangreichen und doch nicht vollständigen Gesamtausgaben dient dem philosophisch interessierten Laien die vierbändige Ausgabe der Philosophischen Bibliothek, namentlich die von A. Buchenau übersetzten, von E. Cassirer sorgfältig ausgewählten und erläuterten Hauptschriften nur Grundlegung der Philosophie (2 Bände 1904, 1906), an die sich die gleichfalls von E. Cassirer neu übersetzten und eingeleiteten Nouveaux essais (3. Aufl. 1915) sowie die Theodizee (übers. von Kirchmann, 1879) als 3. und 4. Band anschließen. Sie sind mit wenigen Ausnahmen lateinisch oder französisch geschrieben, obwohl er selber sich entschieden für die Verwendung der deutschen Sprache gerade in der philosophischen Literatur ausgesprochen hat;*) aber er mußte jene beiden Fremdsprachen gebrauchen, wenn er von den Gelehrten und den Gebildeten unter seinen Zeitgenossen gelesen werden wollte. Die wichtigsten der französischen Schriften sind im Urtext herausgegeben von H. Schmalenbach, Ausgew. philos. Schriften (Bibliotheca philosophorum Bd. 2 und 3), Leipzig 1914 f. Wir verzeichnen im folgenden die wichtigeren philosophischen Schriften, soweit sie nicht bereits in der Lebensgeschichte Erwähnung gefunden haben.

1. Meditationes de cognitione, veritate et ideis. Acta Erud. 1684. 2. Nova methodus pro maximis et minimis 1684. 3. De primae philosophiae emendatione et de notione substantiae 1694. 4. Système nouveau de la nature et de la communication des substances. Paris 1695. Dazu drei éclaircissements 1696. 5. Nouveaux essais sur l'entendement humain 1704 (gegen Locke). Diese seine wichtigste Schrift wurde erst 1765 von R. E. Raspe aus dem Nachlaß veröffentlicht. 6. Essais de Theodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l'homme et l'origine du mal (1710, breit, populär). 7. La Monadologie 1714, lateinisch zuerst 1721. 8. Principes de la nature et de la grâce 1714, veröffentlicht 1719.

Außerdem hat Couturat aus dem Manuskript-Nachlaß in Hannover 1903 Opuscules et fragments inédits de L. herausgegeben, die namentlich einen Begriff von seinem großen Plan einer »universellen Charakteristik« (s. unten) geben. Eine vollständige, auf 40-50 Quartbände veranschlagte Gesamtausgabe aller wissenschaftlichen Werke Leibnizens war vor dem Kriege von den vereinigten Berliner und Pariser Akademien der Wissenschaften in Angriff genommen worden.

Die Darstellung der Leibnizschen Lehre ist schon aus dem äußeren Grunde schwierig, weil sich dieselbe an so vielen Stellen seiner Schriften und namentlich seiner weitschichtigen Korrespondenz zerstreut findet. Es war ein unglücklicher Zufall, dass das 18. Jahrhundert unseren Philosophen vorzugsweise aus seinem in philosophischer Beziehung schwächsten Werke, der Theodizee, kennen lernte, während die trefflichen kleineren Aufsätze in den Zeitschriften nur wenigen bekannt waren, die Nouveaux essais gar bis 1765 noch vergessen im Staube der Hannoverschen Bibliothek lagen. So erschien er den Zeitgenossen und Nachlebenden, z.B. auch Kant, nicht in seiner wahren Bedeutung. Denn, obwohl seine Philosophie nicht in systematischer Ausführung auf uns gekommen ist, trägt sie doch systematischen Charakter. Macht Leibniz auch zunächst den Eindruck des großen Eklektikers, der alle philosophischen, politischen und religiösen Standpunkte zu rechtfertigen oder doch zu entschuldigen und aus allen das Gemeinsame herauszufinden liebt, so ist er dabei doch von einem tiefen prinzipiellen und methodischen Interesse geleitet, das auf die philosophische Begründung der Natur- und der Geisteswissenschaften geht.

Wir versuchen, ähnlich wie bei unserer Darstellung Descartes', zunächst diese grundlegenden methodisch-erkenntniskritischen Leitgedanken im Zusammenhange darzulegen [§ 13], um dann erst die in den meisten Darstellungen fast allein beachteten metaphysischen Lehrstücke (Monadenlehre, Theodizee usw.) zu schildern [§ 14].

 

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*) Vgl. seine in Bd. 161 der Philos. Bibl. von W. Schmied-Kowarzick neu herausgegebenen Deutschen Schriften. Bd. I: Muttersprache und völkische Gesinnung. Lpz. 1916. Bd. II: Vaterland und Reichspolitik (politische Abhandlungen).


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