5. Materialismus, Spiritualismus, Monismus


5. Fassen wir die Grundlehren Spinozas noch einmal als Ganzes, so stellen sie sich als ein großartiger Versuch dar, die einander nackt gegenübergestellten Gegensätze Materialismus - Spiritualismus durch ein neues Drittes, einen eigenartigen Monismus, zu überbrücken, der aber seinerseits den Dualismus doch wieder in seinem Schoße trägt. Die zwei nebeneinander stehenden Substanzen des Descartes, Denken und Ausdehnung, sind bei Spinoza zu bloßen Attributen der einen Substanz geworden, und, wie nur eine Substanz, so gibt es auch nur einen Kausalzusammenhang. Aber dieser äußert sich doch wieder auf eine zweifache, ganz verschiedene Weise. Das Geistige ist nur aus Geistigem, das Körperliche nur aus Körperlichem zu erklären, nicht Geistiges aus Körperlichem oder umgekehrt; beide Attribute sind vielmehr einander ebenbürtig. So wird die scheinbare Einheitlichkeit nur durch die Preisgabe des schon von Descartes entdeckten und nur nicht folgerecht genug durchgeführten erkenntnistheoretischen Kriteriums erkauft; dieses ist zum bloßen Modus der einen Substanz herabgesunken. Spinoza sieht eben die Aufgabe der Philosophie nicht in Erkenntniskritik und Begründung der Wissenschaft, sondern in dem Entwerfen eines großartigen Weltbildes. So »mathematisch« sich auch sein System aufbaut, so ist es doch in letzter Linie durch das Interesse der religiösen Spekulation bestimmt, in diesem Sinne also scholastischer Dogmatismus. Inhaltlich allerdings trennt eine unüberbrückbare Kluft seine moderne Weltanschauung von der der mittelalterlichen Scholastik. Wir haben dabei nicht bloß die Freiheit seiner religiösen (s. § 8), sondern auch die Strenge seiner mechanischen Naturauffassung im Auge, in der er mit Galilei, Descartes und Hobbes auf demselben Boden steht. Mit ihnen teilt er die Abneigung gegen die »Endursachen« (causae finales), gegen alles Hineintragen der Teleologie in die Natur. Die Erklärung der Naturdinge durch den Willen Gottes erscheint ihm als ein asylum ignorantiae für den Naturforscher, ja er läßt Gott erst durch Erreichung bestimmter Zwecke seine Vollkommenheit erlangen.


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