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I. [Die Kaufehe und der Wert der Frau]

 

Hiermit ist der Übergang zu dem zweiten kulturell erhöhenden Motiv der Kaufehe gegeben. Gerade daß die Frauen ein nutzbarer Besitzgegenstand sind, daß Opfer für ihren Erwerb gebracht sind, läßt sie schließlich als wertvoll erscheinen. Überall, so hat man gesagt, erzeugt der Besitz Liebe zum Besitz. Man bringt nicht nur Opfer für das, was man gern hat, sondern auch umgekehrt: man liebt das, wofür man Opfer gebracht hat. Wenn die Mutterliebe der Grund unzähliger Aufopferungen für die Kinder ist, so sind doch auch die Mühen und Sorgen, die die Mutter für das Kind auf sich nimmt, ein Band, das sie immer fester an dieses knüpft; woraus man versteht, daß gerade kranke oder sonst zu kurz gekommene Kinder, die die aufopferndste Hingabe seitens der Mutter fordern, oft am leidenschaftlichsten von ihr geliebt werden. Die Kirche hat sich nie gescheut, die schwersten Opfer um der Liebe zu Gott willen zu verlangen, weil sie wohl wußte, daß wir um so fester und inniger an ein Prinzip gebunden sind, je größere Opfer wir dafür gebracht, ein je größeres Kapital wir sozusagen darin investiert haben. So sehr der Frauenkauf also unmittelbar auch die Unterdrückung, die Ausbeutung, den Sachencharakter der Frau zum Ausdruck brachte, so hat sie durch ihn doch erstens für ihre elterliche Gruppe, der sie den Kaufpreis eintrug, und zweitens für den Mann an Wert gewonnen, für den sie ein relativ hohes Opfer repräsentierte und der sie deshalb im eigenen Interesse schonend behandeln mußte. Für vorgeschrittene Begriffe ist diese Behandlung noch immer elend genug, ja die übrigen entwürdigenden Momente, die den Frauenkauf begleiten, können jenes Bessere so weit paralysieren, daß die Stellung der Frau die jammervollste und sklavenhafteste wird. Aber darum bleibt es nicht minder wahr, daß der Frauenkauf es zu sinnenfälligem und eindringlichem Ausdruck gebracht hat: die Frauen sind etwas wert - und zwar in dem psychologischen Zusammenhange, daß man nicht nur für sie bezahlt, weil sie etwas wert sind, sondern daß sie etwas wert sind, weil man für sie bezahlt hat. Deshalb ist es verständlich, wenn bei gewissen amerikanischen Stämmen das Fortgeben eines Mädchens ohne Preis als eine starke Herabminderung ihrer und ihrer ganzen Familie angesehen wird, so daß selbst ihre Kinder für nichts Besseres als Bastarde gehalten werden.

Und wenn der Frauenkauf auch immer eine polygamische Tendenz und schon insoweit eine Deklassierung der Frauen einschließt, so steckt andrerseits doch gerade die Notwendigkeit des Geldaufwandes jenen Neigungen meistenteils eine Grenze. Von dem heidnischen Dänenkönig Frotho wird berichtet, er habe den besiegten Ruthenen durch Gesetz jede andere Ehe, als die durch Kauf der Weiber geschlossene, verboten; damit habe er den herrschenden laxen Sitten einen Riegel vorschieben wollen, da er in dem Kaufe eine Bürgschaft der Beständigkeit erblickt habe. Auf dem Umwege also, daß er die polygynischen Instinkte, denen er prinzipiell nahesteht, dennoch notgedrungen zurückdämmt, muß der Kauf zu einer Höherschätzung der einen Frau, die man besitzt, führen. Denn, wie es entsprechend die Folge des unmittelbaren Kostenaufwandes ist: die Beständigkeit ist nicht nur die Folge der Schätzung der Frau, sondern auch umgekehrt diese letztere die Folge einer auf irgend anderem Wege hervorgebrachten Beständigkeit. Es ist dabei von größter Wichtigkeit, daß die Verschiedenheit der Preise - sowohl der sozial fixierten wie der durch individuellen Handel zustande kommenden - zum Ausdruck bringt, daß die Frauen an Wert verschieden sind. Von den Kafferfrauen wird berichtet, daß sie ihr Verkauftwerden durchaus nicht als Entwürdigung empfinden, das Mädchen sei im Gegenteile stolz darauf, und je mehr Ochsen oder Kühe sie gekostet hat, um so mehr halte sie sich wert. Man wird vielfach bemerken, daß eine Kategorie von Objekten ein entschiedeneres Wertbewußtsein dann erwirbt, wenn jedes einzelne besonders gewertet werden muß und starke Unterschiede des Preises die Tatsache des Wertes immer neu und scharf empfinden lassen; während allerdings auf anderen Wertungsstufen, wie sich gelegentlich des Wergeldes ergab, gerade die Gleichheit der Entschädigung die objektive Bedeutung des Gegenwertes aufwachsen läßt. So enthält der Frauenkauf ein erstes, freilich äußerst rohes Mittel, den individuellen Wert der einzelnen Frau und - vermöge jener psychologischen Regel der Werte auch den Wert der Frauen überhaupt hervortreten zu lassen. Ja sogar, wo die Frau als Sklavin gekauft wird, ist ein stärkeres Variieren ihres Preises wahrscheinlich als beim männlichen Sklaven. Dieser, der bloß Arbeitstier ist, hat bei gleichem Alter dauernd ungefähr den gleichen konventionellen Preis (im alten Griechenland und in Irland = drei Kühen), während die Sklavin, da sie auch noch spezifischeren Zwecken, als denen der Arbeit dient, je nach ihren persönlichen Reizen an Wert wechselt - obgleich man sich den Einfluß dieses ästhetischen Umstandes bei primitiven Völkern nicht sehr groß vorstellen darf. Jedenfalls ist auch innerhalb des Frauenkaufes offenbar diejenige Stufe die niedrigste, wo der Preis durch Herkommen für alle gleichmäßig fixiert ist, wie bei einigen Afrikanern.

 


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