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III. [Allgemeine Beziehungen zwischen der Geldwirtschaft und dem Prinzip des Individualismus]

 

Eine solche Schwierigkeit besteht nämlich trotz der Eignung des Geldes, das zusammenhaltende Interesse für Vereinigungen sonst unvereinbarer Individuen abzugeben. Beides geht schließlich auf eine und dieselbe Wirkung seiner zurück: Sonderung und gegenseitige Unabhängigkeit den Elementen zu gewähren, die vorher in ursprünglicher Lebenseinheit bestanden haben. Diese Zersetzung trifft einerseits die Einzelpersönlichkeiten und ermöglicht dadurch, daß sich ihre gleichartigen Interessen, wie unabhängig von dem Divergenten und Unversöhnlichen an ihnen, zu einem Kollektivgebilde zusammentun. Sie trifft aber auch andrerseits die Gemeinschaften und erschwert den nun scharf differenzierten Individuen die innere und äußere Vergemeinsamung. Das Schema dieses Widerspruchs, weit über diesen Fall hinausgreifend, durchzieht das ganze gesellschaftliche Leben. Es stammt daher, daß das Individuum einerseits ein bloßes Element und Glied der sozialen Einheit ist, andrerseits aber doch selbst ein Ganzes, dessen Elemente eine relativ geschlossene Einheit bilden. Die Rolle, die ihm als bloßem Organ zukommt, wird deshalb häufig mit derjenigen kollidieren, die es als ganzer und eigener Organismus spielen kann oder will. Derselbe Einfluß, der das aus Individuen zusamengegliederte soziale Ganze trifft und außerdem das Individuum als ein Ganzes selbst, löst an beiden formal gleiche Wirkungen aus, die eben deshalb, da das Individuum jene zwei völlig heterogenen Bedeutungen repräsentiert, oft genug in inhaltliche Gegensätze auslaufen. Darum ist es zwar ein praktischer, aber durchaus kein logischer, theoretisch unauflösbarer Widerspruch, daß das Geld, an der Gesellschaft ebenso wie an den Einzelnen auf Differenzierung der Elemente wirkend, in der einen Hinsicht Erschwerung, in der anderen Erleichterung ebendesselben Geschehens mit sich bringt. Die angedeutete Erschwerung der kollektivistischen Verfügung über Geld hängt min, ganz im allgemeinen, so zusammen. Jeder andere Besitz weist, wie oben betont wurde, durch seine technischen Bedingungen auf eine gewisse Art seiner Verwendung hin, die Freiheit der Disposition über ihn hat vermöge dieser eine sachliche Schränke. Wogegen der Verwendung des Geldes eine solche völlig fehlt, also die gemeinsame Disposition Mehrerer darüber den dissentierenden Tendenzen einen weitesten Spielraum gibt. Damit aber setzt sich die Geldwirtschaft in entschiedenen Gegensatz gegen die Lebensbedingungen der kleinen Wirtschaftskreise, die so vielfach gerade auf gemeinsame Verfügungen, einheitliche Maßregeln angewiesen sind. Man kann, freilich mit sehr starker Verkürzung, sagen, daß der kleine Kreis sich durch Gleichheit und Einheitlichkeit, der große durch Individualisierung und Arbeitsteilung erhält. Indem das Geld als ein abstraktes Gebilde sich aus den wirtschaftlichen Wechselwirkungen eines relativ großen Kreises herstellt, indem es andrerseits durch seinen bloßen Quantitätscharakter den genauesten mechanischen Ausdruck jedes Sonderanspruchs, jedes Wertes individueller Leistung, jeder personalen Tendenz gestattet, vollendet es im Wirtschaftlichen erst jene allgemeine soziologische Korrelation zwischen der Ausdehnung der Gruppe und der Ausbildung der Individualität.

 


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