2. Die näheren Momente des Inhalts und der Form des Romantischen


Aus den näheren Momenten, welche in dieser Grundbestimmung liegen, haben wir nun im allgemeinen den Kreis der Gegenstände sowie die Form zu entwickeln, deren veränderte Gestalt durch den neuen Inhalt der romantischen Kunst bedingt ist.

Der wahre Inhalt des Romantischen ist die absolute Innerlichkeit, die entsprechende Form die geistige Subjektivität, als Erfassen ihrer Selbständigkeit und Freiheit. Dies in sich Unendliche und an und für sich Allgemeine ist die absolute Negativität von allem Besonderen, die einfache Einheit mit sich, die alles Außereinander, alle Prozesse der Natur und deren Kreislauf des Entstehens, Vergehens und Wiedererstehens, alle Beschränktheit des geistigen Daseins verzehrt und alle besonderen Götter zu der reinen unendlichen Identität mit sich aufgelöst hat. In diesem Pantheon sind alle Götter entthront, die Flamme der Subjektivität hat sie zerstört, und statt der plastischen Vielgötterei kennt die Kunst jetzt nur einen Gott, einen Geist, eine absolute Selbständigkeit, welche als das absolute Wissen und Wollen ihrer selbst mit sich in freier Einheit bleibt und nicht mehr zu jenen besonderen Charakteren und Funktionen auseinanderfällt, deren einziger Zusammenhalt der Zwang einer dunklen Notwendigkeit war. - Die absolute Subjektivität als solche jedoch würde der Kunst entfliehen und nur dem Denken zugänglich sein, wenn sie nicht, um wirkliche, ihrem Begriff gemäße Subjektivität zu sein, auch in das äußere Dasein hereinträte und aus dieser Realität sich in sich zusammennähme. Dies Moment der Wirklichkeit gehört dem Absoluten an, weil das Absolute, als unendliche Negativität, sich selbst als einfache Einheit des Wissens mit sich und damit als Unmittelbarkeit zum Resultat ihrer Tätigkeit hat. Dieser auch unmittelbaren Existenz wegen, welche im Absoluten selber begründet ist, erweist sich dasselbe nicht als der eine eifrige Gott, der das Natürliche und endliche menschliche Dasein nur aufhebt, ohne sich darin als wirkliche göttliche Subjektivität zur Erscheinung herauszugestalten, sondern das wahrhaft Absolute schließt sich auf und gewinnt dadurch eine Seite, nach welcher es auch für die Kunst erfaßbar und darstellbar wird.

Das Dasein Gottes aber ist nicht das Natürliche und Sinnliche als solches, sondern das Sinnliche zur Unsinnlichkeit, zur geistigen Subjektivität gebracht, die, statt in ihrer äußeren Erscheinung die Gewißheit ihrer als des Absoluten zu verlieren, gerade durch ihre Realität erst die gegenwärtige wirkliche Gewißheit selber erhält. Gott in seiner Wahrheit ist deshalb kein bloßes aus der Phantasie erzeugtes Ideal, sondern er stellt sich mitten in die Endlichkeit und äußere Zufälligkeit des Daseins hinein und weiß sich dennoch in ihr als göttliches Subjekt, das in sich unendlich bleibt und diese Unendlichkeit für sich macht. Indem dadurch das wirkliche Subjekt die Erscheinung Gottes ist, gewinnt die Kunst jetzt erst das höhere Recht, die menschliche Gestalt und Weise der Äußerlichkeit überhaupt zum Ausdruck des Absoluten zu verwenden, obschon die neue Aufgabe der Kunst nur darin bestehen kann, in dieser Gestalt nicht die Versenkung des Inneren in die äußere Leiblichkeit, sondern umgekehrt die Zurücknahme des Inneren in sich, das geistige Bewußtsein Gottes im Subjekt zur Anschauung zu bringen. Die unterschiedenen Momente, welche die Totalität dieser Weltanschauung als Totalität der Wahrheit selber ausmachen, finden daher jetzt ihre Erscheinung am Menschen in der Art, daß weder das Natürliche als solches, als Sonne, Himmel, Gestirne usf., den Inhalt und die Form abgibt, noch der griechische Götterkreis der Schönheit, noch Helden und äußere Taten auf dem Boden der Familiensittlichkeit und des politischen Lebens; sondern das wirkliche, einzelne Subjekt in seiner inneren Lebendigkeit ist es, das unendlichen Wert erhält, indem sich in ihm allein die ewigen Momente der absoluten Wahrheit, die nur als Geist wirklich ist, zum Dasein auseinanderbreiten und zusammenfassen.

Vergleichen wir diese Bestimmung der romantischen Kunst mit der Aufgabe der klassischen, wie die griechische Skulptur dieselbe in gemäßester Weise erfüllt hat, so drückt die plastische Göttergestalt nicht die Bewegung und Tätigkeit des Geistes aus, der aus seiner leiblichen Realität in sich gegangen und zum innerlichen Fürsichsein durchgedrungen ist. Das Veränderliche und Zufällige der empirischen Individualität ist zwar in jenen hohen Bildern der Götter getilgt; was ihnen aber fehlt, ist die Wirklichkeit der für sich seienden Subjektivität in dem Wissen und Wollen ihrer selbst. Äußerlich zeigt sich dieser Mangel darin, daß den Skulpturgestalten der Ausdruck der einfachen Seele, das Licht des Auges abgeht. Die höchsten Werke der schönen Skulptur sind blicklos, ihr Inneres schaut nicht als sich wissende Innerlichkeit in dieser geistigen Konzentration, welche das Auge kundgibt, aus ihnen heraus. Dies Licht der Seele fällt außerhalb ihrer und gehört dem Zuschauer an, der den Gestalten nicht Seele in Seele, Auge in Auge zu blicken vermag. Der Gott der romantischen Kunst aber erscheint sehend, sich wissend, innerlich subjektiv und sein Inneres dem Inneren aufschließend. Denn die unendliche Negativität, das Sichzurücknehmen des Geistigen in sich, hebt die Ergossenheit in das Leibliche auf; die Subjektivität ist das geistige Licht, das in sich selbst, in seinen vorher dunklen Ort scheint und, während das natürliche Licht nur an einem Gegenstande leuchten kann, sich selbst dieser Boden und Gegenstand ist, an welchem es scheint und den es als sich selber weiß. Indem nun aber dies absolut Innere sich zugleich in seinem wirklichen Dasein als menschliche Erscheinungsweise ausspricht und das Menschliche mit der gesamten Welt in Zusammenhang steht, so knüpft sich hieran zugleich eine breite Mannigfaltigkeit sowohl des geistig Subjektiven als auch des Äußeren, auf welches der Geist sich als auf das Seinige bezieht.

Die so gestaltete Wirklichkeit der absoluten Subjektivität kann folgende Formen des Inhalts und der Erscheinung haben.

a) Den ersten Ausgangspunkt müssen wir von dem Absoluten selber nehmen, welches als wirklicher Geist sich ein Dasein gibt, sich weiß und betätigt. Hier wird die menschliche Gestalt so dargestellt, daß sie unmittelbar gewußt wird als das Göttliche in sich habend. Der Mensch erscheint nicht als Mensch in bloß menschlichem Charakter, beschränkter Leidenschaft, endlichen Zwecken und Ausführungen oder als im bloßen Bewußtsein von Gott, sondern als der sich wissende einzige und allgemeine Gott selber, in dessen Leben und Leiden, Geburt, Sterben und Auferstehen sich nun auch für das endliche Bewußtsein offenbar macht, was Geist, was das Ewige und Unendliche seiner Wahrheit nach sei. Diesen Inhalt stellt die romantische Kunst in der Geschichte Christi, seiner Mutter, seiner Jünger sowie auch aller derer dar, in welchen der Heilige Geist wirksam und die ganze Göttlichkeit vorhanden ist. Denn insofern es Gott, der ebenso in sich Allgemeine, ist, der in dem menschlichen Dasein erscheint, so ist diese Realität nicht auf das einzelne, unmittelbare Dasein in der Gestalt Christi beschränkt, sondern entfaltet sich zur gesamten Menschheit, in welcher der Geist Gottes sich gegenwärtig macht und in dieser Wirklichkeit mit sich selbst in Einheit bleibt. Die Ausbreitung dieses Selbstanschauens, Insich- und Beisichseins des Geistes ist der Frieden, das Versöhntsein des Geistes mit sich in seiner Objektivität - eine göttliche Welt, ein Reich Gottes, in welchem das Göttliche, das von Hause aus die Versöhnung mit seiner Realität zu seinem Begriff hat, sich in dieser Versöhnung vollführt und dadurch für sich selber ist.

b) Wie sehr nun aber auch diese Identifikation sich im Wesen des Absoluten selber begründet zeigt, so ist sie als geistige Freiheit und Unendlichkeit keine unmittelbar von Hause aus in der weltlichen, natürlichen und geistigen Wirklichkeit vorhandene Versöhnung, sondern vollbringt sich im Gegenteil nur als die Erhebung des Geistes aus der Endlichkeit seines unmittelbaren Daseins zu seiner Wahrheit. Dazu gehört, daß der Geist, um seine Totalität und Freiheit zu gewinnen, sich von sich abtrenne und sich als Endlichkeit der Natur und des Geistes sich selber als dem an sich Unendlichen entgegensetze. Mit dieser Zerreißung umgekehrt ist die Notwendigkeit verbunden, aus der Abgeschiedenheit von sich selbst, innerhalb welcher das Endliche und Natürliche, die Unmittelbarkeit des Daseins, das natürliche Herz als das Negative, Üble, Böse bestimmt ist, erst durch Überwindung dieser Nichtigkeit in das Reich der Wahrheit und Befriedigung einzugehen. Dadurch ist die geistige Versöhnung nur als eine Tätigkeit, Bewegung des Geistes zu fassen und darzustellen, als ein Prozeß, in dessen Verlauf ein Ringen und Kampf entsteht und der Schmerz, der Tod, das Wehegefühl der Nichtigkeit, die Qual des Geistes und der Leiblichkeit als wesentliches Moment hervortritt. Denn wie Gott zunächst die endliche Wirklichkeit von sich ausscheidet, so erhält auch der endliche Mensch, der von sich außerhalb des göttlichen Reiches anfängt, die Aufgabe, sich zu Gott zu erheben, das Endliche von sich loszulösen, die Nichtigkeit abzutun und durch dieses Ertöten seiner unmittelbaren Wirklichkeit das zu werden, was Gott in seiner Erscheinung als Mensch als die wahrhafte Wirklichkeit objektiv gemacht hat. Der unendliche Schmerz dieser Aufopferung der eigensten Subjektivität, Leiden und Tod, welche mehr oder weniger aus der Darstellung der klassischen Kunst ausgeschlossen waren oder mehr nur als natürliches Leiden hervortraten, erhalten erst im Romantischen ihre eigentliche Notwendigkeit. Man kann nicht sagen, daß bei den Griechen der Tod in seiner wesentlichen Bedeutung sei aufgefaßt worden. Weder das Natürliche als solches noch die Unmittelbarkeit des Geistes in seiner Einheit mit der Leiblichkeit galt ihnen als etwas an sich selbst Negatives, und der Tod war ihnen deshalb nur ein abstraktes Vorübergehen, ohne Schrecken und Furchtbarkeit, ein Aufhören ohne weitere unermeßliche Folgen für das hinsterbende Individuum. Wenn sich aber die Subjektivität in ihrem geistigen Insichsein von unendlicher Wichtigkeit wird, dann ist die Negation, welche der Tod in sich trägt, eine Negation dieses Hohen und Wichtigen selber und deswegen furchtbar, -ein Ersterben der Seele, die sich dadurch als das selber an und für sich Negative von allem Glück für immer ausgeschlossen, absolut unglücklich, der ewigen Verdammnis überantwortet finden kann. Die griechische Individualität dagegen schreibt sich, als geistige Subjektivität betrachtet, diesen Wert nicht zu und darf sich deshalb den Tod mit heiteren Bildern umgeben. Denn der Mensch fürchtet nur für das, was ihm von großem Werte ist. Das Leben aber hat diesen unendlichen Wert für das Bewußtsein nur, wenn sich das Subjekt als geistiges, selbstbewußtes die alleinige Wirklichkeit ist und nun in gerechter Furcht durch den Tod sich selbst als negativ gesetzt vorstellen muß. Auf der anderen Seite jedoch gewinnt der Tod für die klassische Kunst nun auch nicht die affirmative Bedeutung, die er in der romantischen Kunst erhält. Den Griechen war es nicht Ernst mit dem, was wir Unsterblichkeit heißen. Erst für die spätere Reflexion des subjektiven Bewußtseins in sich, bei Sokrates, hat die Unsterblichkeit einen tieferen Sinn und befriedigt ein weitergeschrittenes Bedürfnis.

Als Odysseus z. B. (Odyssee, XI, v. 428-491) in der Unterwelt den Achilleus glücklicher preist als alle vor ihm und nach ihm, da er, ehemals geehrt gleich den Göttern, jetzt ein Herrscher sei unter den Toten, schlägt Achill dies Glück bekanntlich höchst gering an und erwidert, Odysseus solle ihm kein Wort des Trostes vom Tode reden; lieber möchte er ein Ackerknecht sein und, selber arm, einem armen Manne um Lohn dienen, als hier unten alle die hingeschwundenen Toten beherrschen. In der romantischen Kunst dagegen ist der Tod nur ein Ersterben der natürlichen Seele und endlichen Subjektivität, ein Ersterben, das sich nur gegen das in sich selbst Negative negativ verhält, das Nichtige aufhebt und dadurch die Befreiung des Geistes von seiner Endlichkeit und Entzweiung sowie die geistige Versöhnung des Subjekts mit dem Absoluten vermittelt. Für die Griechen war allein das mit dem natürlichen, äußeren, weltlichen Dasein geeinigte Leben affirmativ und der Tod deshalb die bloße Negation, die Auflösung der unmittelbaren Wirklichkeit. In der romantischen Weltanschauung aber hat er die Bedeutung der Negativität, d. h. der Negation des Negativen, und schlägt deshalb ebensosehr zum Affirmativen, als Auferstehung des Geistes aus seiner bloßen Natürlichkeit und unangemessenen Endlichkeit, um. Der Schmerz und Tod der sich ersterbenden Subjektivität verkehrt sich zur Rückkehr zu sich, zur Befriedigung, Seligkeit und zu jenem versöhnten affirmativen Dasein, das der Geist nur durch die Ertötung seiner negativen Existenz, in welcher er von seiner eigentlichen Wahrheit und Lebendigkeit abgesperrt ist, zu erringen vermag. Diese Grundbestimmung betrifft deshalb nicht nur das Faktum des von der Naturseite her an den Menschen herantretenden Todes, sondern ist ein Prozeß, welchen der Geist auch unabhängig von dieser äußerlichen Negation, um wahrhaft zu leben, in sich selber durchführen muß.

c) Die dritte Seite zu dieser absoluten Welt des Geistes bildet der Mensch, insofern er weder unmittelbar an sich selbst das Absolute und Göttliche als Göttliches zur Erscheinung bringt, noch den Prozeß der Erhebung zu Gott und Versöhnung mit Gott darstellt, sondern in seinem eigenen menschlichen Kreise stehenbleibt. Hier macht also das Endliche als solches den Inhalt aus, sowohl nach selten der geistigen Zwek-ke, weltlichen Interessen, Leidenschaften, Kollisionen, Leiden und Freuden, Hoffnungen und Befriedigungen, als auch nach selten des Äußeren, der Natur und ihrer Reiche und einzelnsten Erscheinungen. Für die Erfassungsweise dieses Inhalts tritt jedoch eine zwiefache Stellung ein. Einesteils nämlich ergeht sich der Geist, weil er die Affirmation mit sich gewonnen hat, auf diesem Boden als einem selber berechtigten und befriedigenden Elemente, von welchem er nur diesen positiven Charakter herauskehrt und sich selber in seiner affirmativen Befriedigung und Innigkeit daraus Widerscheinen läßt; anderenteils aber wird derselbe Inhalt zur bloßen Zufälligkeit herabgesetzt, die keine selbständige Gültigkeit in Anspruch nehmen darf, da der Geist in ihr nicht sein wahres Dasein findet und deshalb mit sich nur in Einheit kommt, indem er für sich selber dies Endliche des Geistes und der Natur als Endliches und Negatives auflöst.


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