1. Der wesentliche Inhalt der Skulptur


Das Element, in welchem die Skulptur ihre Gebilde realisiert, ist, wie wir sahen, das erste, noch allgemeine Dasein der räumlichen Materie, an welcher noch keine weiteren Partikularitäten zum Kunstgebrauch verwendet werden als die allgemeinen räumlichen Dimensionen und die näheren räumlichen Formen, deren jene

Dimensionen zu ihrer schönsten Gestaltung fähig sind. Dieser abstrakteren Seite des sinnlichen Materials entspricht nun als Inhalt am meisten die in sich beruhende Objektivität des Geistes, insofern sich der Geist weder gegen seine allgemeine Substanz noch gegen sein Dasein in seiner Körperlichkeit unterschieden hat und deshalb zum Fürsichsein in seiner eigenen Subjektivität noch nicht zurückgegangen ist. Hierin liegt zweierlei.

a) Der Geist als Geist ist zwar immer Subjektivität, inneres Wesen seiner Selbst, Ich. Dies Ich nun aber kann sich von dem, was im Wissen, Wollen, Vorstellen, Empfinden, Handeln und Vollbringen den allgemeinen und ewigen Gehalt des Geistes ausmacht, losscheiden und sich in seiner besonderen Eigentümlichkeit und Zufälligkeit festhalten. Dann ist es die Subjektivität als solche, welche zum Vorschein kommt, indem sie den objektiven, wahrhaften Inhalt des Geistes hat fahrenlassen und sich nur formell als Geist gehaltlos auf sich selbst bezieht. Bei der Selbstgefälligkeit z. B. kann ich mich einerseits zwar ganz objektiv verhalten und einer sittlichen Handlung wegen mit mir zufrieden sein. Dennoch aber ziehe ich mich, als selbstgefällig, aus dem Inhalte der Handlung schon heraus, trenne mich als Einzelnen, als dieses Ich, von der Allgemeinheit des Geistes ab, um mich mit ihr zu vergleichen. Die Zustimmung meiner zu mir selber bei dieser Vergleichung gibt die Selbstgefälligkeit, in welcher sich dieses bestimmte Ich, gerade als dieses Eine, über sich selber freut. So ist zwar das eigene Ich bei allem, was der Mensch weiß, will und ausführt; aber es macht einen großen Unterschied, ob es ihm bei seinem Wissen und Handeln auf sein eigenes partikulares Ich oder auf das ankommt, was den wesentlichen Inhalt des Bewußtseins ausmacht; ob der Mensch sich mit seinem Ich in diesen Inhalt unterschieden einsenkt oder in der steten Bezogenheit auf seine subjektive Persönlichkeit lebt.

α) Das Subjektive als solches verfällt bei dieser Überhebung über das Substantielle in die abstrakte Besonderheit der Neigung, in die Willkür und Zufälligkeit der Empfindungen und Triebe, wodurch es bei der Beweglichkeit in bestimmten Taten und Handlungen der Abhängigkeit von bestimmten Umständen und deren Wechsel anheimfällt und sich überhaupt der Beziehbarkeit auf anderes nicht zu entschlagen vermag. Das Subjekt steht damit als die bloße endliche Subjektivität der wahrhaften Geistigkeit gegenüber. Hält es nun in diesem Gegensatze mit dem Bewußtsein desselben in seinem Wollen und Wissen dennoch nur an sich selber fest, so gerät es, außer der Leerheit der Einbildungen und Selbstbespiegelung, weiterhin in die Häßlichkeit der Leidenschaften und des Charakters, in Lasterhaftigkeit und Sünde, in Tücke, Bosheit, Grausamkeit, Trotz, Neid, Hochmut, Hoffart und alle die anderen Kehrseiten der menschlichen Natur und deren gehaltlose Endlichkeit.

β) Diese ganze Sphäre des Subjektiven ist aus dem Inhalte der Skulptur sogleich auszuschließen, die nur der Objektivität des Geistes angehört. Unter Objektivität nämlich ist hier das Substantielle, Echte, Unvergängliche zu verstehen, die wesentliche Natur des Geistes, ohne das Ergehen ins Akzidenteile und Vergängliche, dem sich das Subjekt in seiner bloßen Beziehung auf sich selbst überantwortet.

γ) Dennoch kann auch die objektive Geistigkeit als Geist nicht ohne Fürsichsein zur Realität gelangen. Denn der Geist ist nur als Subjekt. Die Stellung aber des Subjektiven in dem geistigen Inhalte der Skulptur ist von der Art, daß dies Subjektive nicht für sich zum Ausdrucke kommt, sondern sich ganz von jener Substanz durchdrungen und aus ihr nicht formell in sich zurückreflektiert erweist. Die Objektivität hat deshalb wohl ein Fürsichsein, doch ein Sichwissen und -wollen, das sich nicht von dem Gehalt, der es erfüllt, losmacht, sondern mit demselben eine untrennbare Einheit bildet.

Das Geistige in dieser vollendet selbständigen Beschlossenheit des in sich selber Substantiellen und Wahren, dies störungslose unpartikularisierte Sein des Geistes ist das, was wir die Göttlichkeit nennen, im Gegensatz gegen die Endlichkeit, als das Auseinandergehen in das zufällige Dasein, in die Unterscheidung und veränderliche Bewegung. Die Skulptur hat nach dieser Seite hin das Göttliche als solches darzustellen in seiner unendlichen Ruhe und Erhabenheit zeitlos, bewegungslos, ohne schlechthin subjektive Persönlichkeit und Zwiespalt der Handlung oder Situation. Und geht sie nun auch zur näheren Bestimmtheit des Menschlichen in Gestalt und Charakter fort, so muß sie auch hierin nur das Unveränderliche und Bleibende, die Substanz dieser Bestimmtheit auffassen und nur diese, nicht aber das Zufällige und Vorübereilende sich zum Inhalt wählen; denn zu dieser wechselnden, flüchtigen Besonderheit, welche durch die als Einzelheit sich fassende Subjektivität hereinkommt, geht die objektive Geistigkeit noch nicht fort. In einer Lebensbeschreibung z. B., welche die bunten Zufälle, Begebenheiten und Taten eines Individuums erzählt, wird dieser Verlauf mannigfaltiger Verwicklungen und Willkürlichkeiten gewöhnlich mit einer Charakterschilderung geschlossen, die dies breite Detail in allgemeine Eigenschaften, wie »gütig, gerecht, tapfer, von großem Verstande« usw., zusammenfaßt. Dergleichen Prädikate sind das Bleibende eines Individuums, während die anderweitigen Partikularitäten nur seiner akziden-tellen Erscheinung angehören.

Dieses Beständige nun ist es, was auch die Skulptur, als das alleinige Sein und Dasein der Individualität, darzustellen hat. Doch macht sie nicht etwa aus solchen allgemeinen Qualitäten bloße Allegorien, sondern bildet Individuen, die sie in ihre objektiven Geistigkeit als in sich fertig und beschlossen, in selbständiger Ruhe, dem Verhalten gegen Anderes entnommen, auffaßt und gestaltet. Bei jeder Individualität ist in der Skulptur immer das Substantielle die wesentliche Grundlage, und weder das subjektive Sichwissen und - empfinden noch die oberflächliche und veränderliche Besonderheit darf irgendwie die Oberhand gewinnen, sondern das Ewige in den Göttern und Menschen, der Willkür und zufällige Selbstischkeit entrückt, muß seiner ungetrübten Klarheit nach zur Vorstellung gebracht werden.

b) Der andere Punkt, dessen wir zu erwähnen haben, lieg darin, daß der Inhalt der Skulptur, da das Material eine äußerliche Darstellung in den drei ausgefüllten Raumdimensionen erfordert, auch nicht das Geistige als solches, die nur mit sich selbst sich zusammenschließende und in sich vertiefte Innerlichkeit sein kann, sondern das Geistige, das nur erst in seinem Anderen, dem Leiblichen für sich ist. Die Negation des Äußerlichen gehört schon der inneren Subjektivität zu und kann deshalb hier, wo Göttliches und Menschliches seinem objektiven Charakter nach zum Inhalt genommen wird, nicht eintreten. Und nur dies in sich versenkte Objektive, ohne innere Subjektivität als solche, läßt der Äußerlichkeit nach allen ihren Dimensionen freien Lauf und ist mit dieser Totalität des Räumlichen verbunden. Deshalb muß nun aber die Skulptur von dem objektiven Gehalte des Geistes nur das sich zum Gegenstand machen, was sich im Äußerlichen und Leiblichen vollständig ausdrücken läßt, weil sie sonst einen Inhalt erwählt, den ihr Material in sich aufzunehmen und in gemäßer Weise zur Erscheinung zu bringen nicht mehr imstande ist.


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