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II. [Das psychologische Auswachsen der Mittel zu Zwecken; das Geld als extremstes Beispiel]

 

Es bedarf wohl keines besonderen Nachweises, daß diese Vordatierung des Endzwecks an keiner Mittelinstanz des Lebens in solchem Umfange und so radikal stattfindet als am Geld. Niemals ist ein Objekt, das seinen Wert ausschließlich seiner Mittlerqualität, seiner Umsetzbarkeit in definitivere Werte verdankt, so gründlich und rückhaltslos zu einer psychologischen Absolutheit des Wertes, einem das praktische Bewußtsein ganz ausfüllenden Endzweck aufgewachsen. Auch wird diese abschließende Begehrtheit des Geldes gerade in dem Maße steigen müssen, in dem es immer reineren Mittelscharakter annimmt. Denn dieser bedeutet, daß der Kreis der für Geld beschaffbaren Gegenstände sich immer weiter ausdehnt, daß die Dinge sich immer widerstandsloser der Macht des Geldes ergeben, daß es selbst immer qualitätsloser, aber eben deshalb jeder Qualität der Dinge gegenüber gleich mächtig wird. Seine wachsende Bedeutung hängt daran, daß alles, was nicht bloß Mittel ist, aus ihm herausgeläutert wird, weil erst so die Reibungen mit den spezifischen Charakteren der Objekte hinwegfallen. Indem sein Wert als Mittel steigt, steigt sein Wert als Mittel, und zwar so hoch, daß es als Wert schlechthin gilt und das Zweckbewußtsein an ihm definitiv haltmacht. Die innere Polarität im Wesen des Geldes: das absolute Mittel zu sein und eben dadurch psychologisch für die meisten Menschen zum absoluten Zweck zu werden, macht es in eigentümlicher Weise zu einem Sinnbild, in dem die großen Regulative des praktischen Lebens gleichsam erstarrt sind. Wir sollen das Leben so behandeln, als ob jeder seiner Augenblicke ein Endzweck wäre, jeder soll so wichtig genommen werden, als ob das Leben eigentlich um seinetwillen bis zu ihm gereicht hätte; und zugleich: wir sollen das Leben so führen, als ob überhaupt keiner seiner Augenblicke ein definitiver wäre, an keinem soll unser Wertgefühl stillhalten, sondern jeder hat als ein Durchgang und Mittel zu höheren und immer höheren Stufen zu gelten. Diese scheinbar widerspruchsvolle Doppelforderung an jeden Lebensmoment, ein schlechthin definitiver und ein schlechthin nicht definitiver zu sein, quillt aus den letzten Innerlichkeiten, in denen die Seele ihr Verhältnis zum Leben gestaltet - und findet, wunderlich genug, eine gleichsam ironische Erfüllung am Gelde, dem äußerlichsten, weil jenseits aller Qualitäten und Intensitäten stehenden Gebilde des Geistes.

 


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