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III. [Entwicklung des Geldes von der Substanz zur Funktion]

 

Die Praxis und die Theorie der Geldpolitik scheint ebenso den Entwicklungsgang von der Substanzbedeutung des Geldes zur Funktionsbedeutung, wie die Abhängigkeit desselben von den soziologischen sehen Zuständen zu bestätigen. Man könnte den Fiskalismus des Mittelalters und den Merkantilismus als materialistische Geldpolitik bezeichnen. Wie der Materialismus den Geist mit seinen Äußerungen und seinem Werte der Materie einordnet, so meinten jene Standpunkte das Wesen und die Bewegungskraft des staatlich-wirtschaftlichen Lebens an die Geldsubstanz gebunden. Es besteht aber zwischen ihnen derselbe Unterschied wie zwischen der rohen und der feineren Form des Materialismus. Jene behauptet, daß die Vorstellung selbst etwas Materielles wäre und das Gehirn Gedanken absondere, wie die Drüsen ihre Flüssigkeit, wie die Leber die Galle. Diese: die Vorstellung sei nicht selbst materiell, aber eine Bewegungsform des Materiellen, der Gedanke bestehe wie Licht, Wärme, Elektrizität in einer besonderen Art von Schwingungen körperlicher Teile. Diesem Unterschiede der intellektuellen Standpunkte entspricht es, wenn einerseits der Fiskalismus das Interesse der Regierung darein verlegt, möglichst viel bares Geld zur unmittelbaren Verwendung des Fürsten oder für die Staatszwecke herauszuschlagen, andrerseits der Merkantilismus zwar auch auf das bare Geld einen Hauptwert legt, aber nicht, um es substanziell herauszuziehen, sondern um die wirtschaftlichen Bewegungen des Landes funktionell zu beleben. Innerhalb dieser materialistischen Richtungen der Geldpolitik selbst, die noch ganz tief in der Vorstellung steckten, daß die Geldsubstanz der Wert an und für sich wäre, macht sich also doch schon die Wendung von der grob äußerlichen zu der funktionellen Bedeutung dieser Substanz geltend. Dem entspricht die politische Verfassung der fraglichen Perioden. Der Fürst da, wo die mittelalterliche fiskalische Verfassung herrschte, in einem bloß äußerlichen Verhältnis zu seinem Lande, oft in einem völlig unorganischen, durch Erheiratung oder Eroberung hergestellten, so daß es sich in der Tendenz, nur möglichst viel Geld aus dem Lande zu ziehen, völlig adäquat ausdrückte - wovon der häufige Verkauf ganzer Territorien gegen Geld der konsequente Abschluß war; indem das starre, bloß substanzielle Geldinteresse Herrscher und Beherrschte verband, zeigte es, wie unverbunden sie waren. Für dieses soziologische Verhältnis zwischen den beiden Parteien ist die im Mittelalter so häufige Münzpolitik der Herrscher, die in einer fortwährenden Verschlechterung der Münze bestand, die nächstliegende Technik; nur bei einem völlig unorganischen Zusammen sind derartige Politiken möglich, die auf der Seite des einen allen. Nutzen, auf der der anderen allen Schaden lassen. Die Freude am baren Gelde, die den Orientalen angeboren scheint, hat man auf den Fiskalismus ihrer Fürsten zurückgeführt, die das Münzregal als Steuerquelle benutzen, ohne sich um die Folgen der Valutaverschlechterung zu sorgen: das notwendige Gegenstück dazu sei die Leidenschaft des Untertanen für die Aufhäufung von barem Gold und Silber. Der aufkommende zentralistisch-despotische Staat bedeutete ein viel engeres und lebendigeres Verhältnis zwischen den politischen Faktoren: die Vorstellung ihrer organischen Einheit bildet das Gemeinsame der Fürstenideale, vom l'état c'est moi bis zum Könige als dem ersten Diener seines Volkes. Wenn nun auch hier das Interesse der Regierung noch an dem Hereinbringen möglichst reichlicher Geldsubstanz haftet, so entspricht es doch der regeren Wechselwirkung zwischen Haupt und Gliedern des Staatskörpers, der Belebtheit der Staatsexistenz als solcher, daß nicht mehr in dem substanziellen Besitze, sondern in der Fruchtbarkeit des Geldes für das Gedeihen der Industrie usw. der Endzweck seines Erwerbes gesucht wurde. Als dann die liberalen Tendenzen das staatliche Leben zu immer freierem Fluß, immer ungehemmterer Geschmeidigkeit, immer labilerem Gleichgewicht der Elemente führten, war die materielle Grundlage für die Theorie Adam Smiths gegeben: daß Gold und Silber bloße Werkzeuge sind, nicht anders als Kochgeräte, und daß ihr Import an und für sich so wenig den Wohlstand der Länder steigere, wie man durch die Vermehrung der Kochgeräte schon mehr zu essen habe. Haben sich schließlich die alten substanziellen Ordnungen so weit aufgelöst, um anarchistische Ideale zu ermöglichen, so wird in ihnen begreiflicherweise auch diese Richtung der Geldtheorie ihr Extrem erreichen. Proudhon, der alle festen Staatsgebilde beseitigen und die freie unmittelbare Wechselwirkung der Individuen als die einzig richtige Form des sozialen Lebens anerkennen will bekämpft den Gebrauch des Geldes überhaupt; denn in ihm sieht er ein genaues Analogen jener Herrschaftsgebilde, die aus den Individuen ihre lebendige Wechselwirkung heraussaugen und in sich kristallisieren. Es müsse daher die Tauschbarkeit der Werte ohne Dazwischenkunft des Geldes begründet werden, ebenso wie die Regierung der Gesellschaft durch alle Bürger ohne Dazwischenkunft des Königs; und wie man jedem Bürger das Stimmrecht gegeben habe, so müsse jede Ware an und für sich und ohne Vermittlung des Geldes zum Wertrepräsentanten werden. - Mit der Ansicht Adam Smiths ist die Richtung auf die hier vertretene Geldtheorie eingeschlagen, die man im Gegensatz zu den materialistischen als transzendentale bezeichnen kann. Denn wenn der Materialismus erklärt: der Geist ist Materie - so lehrt die Transzendentalphilosophie: auch die Materie ist Geist. Nicht um den Geist im Sinne des Spiritualismus handelt es sich, der auch eine Substanz, ein ruhendes Sein, wenn auch immaterieller Art ist; sondern um die Erkenntnis, daß jegliches Objekt, körperhafter oder geistiger Art, für uns nur besteht, insofern es von der Seele in ihrem Lebensprozeß erzeugt wird, oder genauer: insofern es eine Funktion der Seele ist. Wenn nun die materialistische Auffassung des Geldes als Irrtum erscheint, so zeigt die historische Betrachtung, daß es kein zufälliger war, sondern der angemessene theoretische Ausdruck eines tatsächlichen soziologischen Zustandes, der erst durch reale Mächte überwunden werden mußte, ehe sein theoretisches Gegenbild durch theoretische überwunden werden konnte.

 


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