Tugend - Descartes, Spinoza, Leibniz...

In den Willen zum Vernunftgemäßen setzt die Tugend DESCARTES (vgl. De meth. 6. Ep. 38 u. ö.). Nach GASSENDI ist die Tugend »aut ipsa prudentia rationisve rectae dictamen, prout ipsi assuescimus« (Philos. Epic. synt. III, C. 7). Nach GEULINCX ist die Tugend einheitlich und eine: »Virtus una est atque unica« (Eth. II, prooem. p. 66). An die Stoiker erinnert das Folgende: »Virtus ergo individua nobis dicitur, quia una virtus sine alia esse non potest, sed necessario, ubi una est, ibi omnes, ubi una aliqua non est, ibi nulla« (l. c. II, 1, § 2, p. 69). Haupttugend ist die Demut (s. d.), die auf »inspectio et despectio sui« beruht (l. c. I, 2, 2, § 3 squ.). Nach SPINOZA besteht die Tugend in der Fähigkeit, das unserer Natur Gemäße, d.h. aber das Vernunftgemäße als das wahrhaft Nützliche zu tun. Tugend beruht auf (geistiger) Selbsterhaltung, Tugend ist Macht des Geistes, ist Glückseligkeit (s. d.). »Quo magis unusquisque suum utile quaerere, hoc est suum esse conservare conatur et potest, eo magis virtute praeditus est. et contra quatenus unusquisque suum utile, hoc est, suum esse conservare negligit, eatenus est impotens« (Eth. IV, prop. XX). »Virtus est ipsa humana potentia, quae sola hominis essentia definitur, hoc est, quae solo conatu, quo homo in suo esse perseverare conatur, definitur« (l. c. dem.). »Nulla virtus potest prior hac (nempe conatu sese conservandi) concipi« (l. c. prop. XXII). »Homo quatenus ad aliquid agendum determinatur ex eo, quod ideas habet inadaequatas, non potest absolute dici ex virtute agere. sed tantum quatenus determinatur ex eo, quod intelligit« (l. c. prop. XXIII). »Ex virtute absolute agere nihil aliud in nobis est, quam ex ductu rationis agere, vivere, suum esse conservare (haec tria idem significant) ex fundamento proprium utile quaerendi« (l. c. prop. XXIV). »Ex virtute absolute agere nihil aliud in nobis est, quam ex legibus propriae naturae agere. At nos eatenus tantummodo agimus, quatenus intelligimus« (l. c. dem.). Höchste Tugend ist die Erkenntnis Gottes, das Begreifen aller Dinge aus Gottes Wesen. »Summa mentis virtus est Deum cognoscere« (l. c. V, prop. XXVII, dem.). »Beatitudo non est virtutis praemium, sed ipsa virtus« (l. c. prop. XLII). Nach LEIBNIZ ist die Tugend »ein unwandelbarer Vorsatz des Gemüts und stete Erneuerung desselben, durch welchen wir zu demjenigen, so wir glauben gut zu sein, zu verrichten gleichsam getrieben werden« (Gerh. VII. 92). Die Tugend ist das Lobenswerte (Nouv. Ess. II, ch. 28, § 12). Die Tugenden führen zur Vollkommenheit (Theod. I B, § 181). Der Tugendhafte liebt Gott und tut alles, was mit dem vermutlichen Willen Gottes für übereinstimmend gehalten wird (Monadol. 90).

Nach H. MORE ist die Tugend eine »intellectualis vis« der Seele, wodurch sie die Affekte des Körpers beherrscht und nach dem Guten strebt. Es gibt »virtutes primitivae« und »derivativae« (Enchir. Eth. I, 12). Nach LOCKE bezeichnen Tugend und Laster Handlungen, die durch ihre eigene Natur recht oder unrecht sind (Ess. II, ch. 28, § 10). Tugend ist überall das, was als preiswürdig gilt (l. c. § 11. vgl. Sittlichkeit). In das Wohlwollen setzen die Tugend R. CUMBERLAND (De leg. nat. 1 ff.) und HUTCHESON, welcher erklärt »animi virtutes praecipuas esse benevolos voluntatis motus« (Philos. moral. I, C. 3, p. 51). Nach SHAFTESBURY besteht die Tugend in dem Herstellen der Harmonie zwischen egoistischen und sozialen Neigungen (Sens. commun. IV, 1. Inqu. I, 2, 3). Prinzip aller Tugend ist die Schönheit im Handeln und Leben (Sens. commun. IV, 3). CLARKE setzt die Tugend in die richtige, den natürlichen Verhältnissen und Eigenschaften der Dinge gemäße Behandlung derselben (A discourse concern. the unchangeable obligat. of natur. relig. 1708). Ahnlich lehrt WOLLASTON. Sittlichkeit und Wahrheit hängen zusammen: »No act of any being, to whom moral good and evil are imputable, that interferes with any true proposition, or denies any thing to be as it is, can be right« (The relig. of nat. sct. I, p. 13 ff.). Nach HUME ist Tugend eine geistige Tätigkeit oder Eigenschaft, welche in dem unbeteiligten Zuschauer Beifall erweckt, »whatever mental action or quality gives to a spectator the pleasing sentiment of approbation« (Enquir. conc. Mor. § 1 ff.). Nach FERGUSON ist die Tugend ein Zustand der Seele. »Die Bestandteile derselben sind Neigung, Gutes tun zu wollen. Geschicklichkeit, es tun zu können. Fleiß, diese Geschicklichkeit zu den besten Endzwecken mit Beharrlichkeit zu brauchen. Stärke, das Unternommene auch bei Schwierigkeiten und Gefahren durchzusetzen.« Die Cardinaltugenden sind: Gerechtigkeit, Klugheit, Mäßigung, Mut (Grds. d. Moralphilos. S. 210 ff.). In der geistigen Vervollkommnung des menschlichen Wesens besteht alle Tugend. Nach PALEY ist Tugend der Trieb, den Menschen wohlzutun und Gott zu gehorchen (Princ. of moral and polit. philos. 1775). Nach J. BENTHAM beruht das Laster auf einem Irrtum in der Wertschätzung (Deontolog. I, 131).

Nach LA ROCHEFOUCAULD ist die Eigenliebe Hauptmotiv aller Handlungen. »Nos vertus ne sont le plus souvent que des vices déguisés.« »Ce que nous prenons pour des vertus n'est souvent qu'un assemblage de diverses actions et de divers intérêts que la fortune ou notre industrie savent arranger« (Rèflex. 1 p. 15). Ahnlich LA BRUYÈRE. In das Streben nach Glückseligkeit setzt die Tugend HELVETIUS (De l'homme I, 13). HOLBACH bemerkt: »La vertu n'est que l'art de se rendre heureux soi-même de la félicité des autres« (Syst. de la nat. I, 15). Nach VOLTAIRE ist die Tugend das der Gesellschaft nützliche Verhalten (Dict. philos.). So auch nach VOLNEY (Ruin., Nat.-Ges. C. 4, S. 234). es gibt individuelle, häusliche, soziale Tugenden (l. c. S. 235).

In das dem Naturgesetz gemäße Verhalten und in das Streben nach Vervollkommnung setzt die Tugend CHR. WOLF. »Virtus est habitus actiones suas legi naturali conformiter dirigendi« (Philos. pract. I, § 321). »Virtus philosophica a nobis dicitur habitus conformandi actiones legi naturali ob intrinsecam earundem bonitatem ac malitiam« (l. c. § 338). »Virtus sibimet ipsi praemium est, seu ipsamet praemium in nos confert« (l. c. § 353). »Virtutes intellectuales dicuntur habitus intellectu recte utendi in rerum quarumcunque cognitione, verum scilicet a falso, certum ab incerto, probabile a minus probabili accurate discernendo« (Eth. I, § 142). Tugend ist eine »Fertigkeit..., sich, und andere so vollkommen zu machen, als durch unsere Kräfte geschehen kann« (Vern. Ged. von d. Kr. d. m. Verst. S. 21). Nach CRUSIUS ist Tugend »die Übereinstimmung des moralischen Zustandes eines vernünftigen Geistes mit den Regeln der wesentlichen Vollkommenheit der Dinge« (Vernunftwahrh. § 477). Tugendhaft sein heißt »aus Gehorsam gegen Gott und Erkenntnis seiner Schuldigkeit« handeln (l. c. § 481). Nach DARIES ist sie die innere Stärke des Geistes, wodurch er mehr gegen die Ausübung des Guten als des Bösen geneigt ist (Sittenl. C. 3, 2, § 72). Nach PLATNER ist die Tugend das »Wollen des Guten« (Philos. Aphor. II, § 126 ff., 161 ff.). MENDELSSOHN bestimmt: »Die Tugend ist eine Fertigkeit zu guten, und, das Laster eine Fertigkeit zu bösen Handlungen« (Üb. d. Evid. S. 122).


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