Qualität - Leibniz, Kant, Schelling


Nach LEIBNIZ sind alle Qualitäten, auch Gestalt und Ausdehnung, nur Erscheinung, welcher an sich die Kraft zu wirken und zu leiden zugrunde liegt (Erdm. p. 443). Die sekundären Qualitäten stehen zu den Gestalten und Bewegungen in bestimmten Beziehungen (Nouv. Ess. II, ch. 8, § 15. Erdm. p. 79 f.). CHR. WOLF bemerkt: »Qualitates primitivae sunt, quibus aliae priores in esse concipi nequeunt« (Ontolog. § 460), im Unterschiede von den »qualitates derivativae« (ib.). »Qualitas occulta« ist jene Qualität, »quae suffciente ratione destituitur, cur subiecto insit, vel saltem inesse possit« (Cosmolog. 189). MENDELSSOHN schließt: »Was dem allerhöchsten Wesen nicht zukommt, das kann keine Realität sein, denn ihm kommen alle möglichen Realitäten im höchsten Grade zu. Hieraus folget ganz natürlich, daß die Ausdehnung, Bewegung und Farbe bloße Erscheinungen und keine Realitäten sind. denn wären sie Realitäten, so müßten sie dem allerhöchsten Wesen zugeschrieben werden« (Abh. üb. d. Evid. S. 98).

Nach KANT sind alle Qualitäten, auch die räumlichen, subjektiv im Sinne der Phänomenalität (s. d.). Während aber Raum und Zeit allgemeingültig und in diesem Sinne objektiv, weil a priori (s. d.) sind, haben die Sinnesqualitäten bloß individuell-Subjektive, relative, empirische Bedeutung. »Die Realität der Empfindung ist jederzeit bloß empirisch und kann a priori gar nicht vorgestellt werden« (Kr. d. r. Vern. S. 169). »Der Wohlgeschmack eines Weines gehört nicht zu den objektiven Bestimmungen des Weines, mithin eines Objekts sogar als Erscheinung betrachtet, sondern zu der besondern Beschaffenheit des Sinnes an dem Subjekte, was ihn genießt. Die Farben sind nicht Beschaffenheiten der Körper, deren Anschauung sie anhängen, sondern auch nur Modifikationen des Sinnes des Gesichts, welches vom Lichte auf gewisse Weise affiziert wird. Dagegen gehört der Raum, als Bedingung äußerer Objekte, notwendigerweise zur Erscheinung oder Anschauung derselben. Geschmack und Farben sind gar nicht notwendige Bedingungen, unter welchen die Gegenstände allein für uns Objekte der Sinne werden können. Sie sind nur als zufällig beigefügte Wirkungen der besondern Organisation mit der Erscheinung verbunden« (l. c. S. 56). Die Sinnesqualitäten sind »bloß Empfindungen und nicht Anschauungen«, lassen an sich »kein Objekt, am wenigsten a priori, erkennen« (l. c. S. 57, Anm.). Ähnlich die Kantianer (s. d.), Idealisten (s. d.).

Nach SCHELLING beruht die Qualität der Materie »einzig und allein auf der Intensität ihrer Grundkräfte« (Naturphilos. I, 389). Nach H. RITTER sind die Sinnesqualitäten »nur im Verhältnis zu unserer sinnlichen Empfänglichkeit zu verstehen« (Syst. d. Log. u. Met. I, 309 ff.). Ähnlich auch HERBART. Nach ihm hat jedes »Reale« (s. d.) eine unveränderliche, positive, einfache Qualität (Allg. Met. II, § 206 ff.). »Die Qualität des Seienden ist gänzlich positiv oder affirmativ, ohne Einmischung von Negativem« (ib.). »Die Qualität des Seienden ist allen Begriffen der Quantität schlechthin unzugänglich« (l. c. § 208). Die Subjektivität der (durch das Nervensystem bedingten) Sinnesqualitäten betont JOH. MÜLLER (Physiol. d. Gesichtssinn. I, S. 40 ff.. s. Energie, spezifische). - Nach LOTZE sind die Sinnesqualitäten »bloß subjektive Arten unserer sinnlichen Affektionen«. Die Qualitäten sind »etwas, was den Dingen unter Umständen widerfährt, oder Arten, wie sie sich unter Bedingungen verhalten« (Gr. d. Met. S. 17). Die Vorstellung der übersinnlichen Qualitäten bilden wir durchaus nach dem Muster der sinnlichen, die wir kennen (Mikrok. II2, 163). Die Gleichheit mit sich selbst an der Qualität ist »nur ein freundlicher Schein, in welchem für unsere Auffassung irgend ein bewegter Augenblick des Geschehens, der Wechselwirkung zwischen mehreren Elementen fixiert ist« (l. c. S. 164). Als das Produkt der Wechselwirkung der Dinge faßt die Qualitäten u.a.m. CARRIERE auf (Sittl. Weltordn. S. 90, 136). Nach J. H. FICHTE sind alle Sinnesinhalte Subjektiv. gemeinsam mit dem Wesen unseres Geistes ist den Realen Ausdehnung und Dauer (Psychol. I, 309. vgl. S. 306 über specif. Energie). Nach O. LIEBMANN ist die Qualität der Empfindung »nicht eine Eigenschaft des empfundenen Objekts, sondern eine Modifikation der empfindenden Sensibilität« (Anal. d. Wirkl.2, S. 41). Mit J. MÜLLER, ROKITANSKY, FICK, AUG. MÜLLER u. a. ist die Phänomenalität der Qualitäten zu betonen (l. c. S. 42). HELMHOLTZ betrachtet sie als Zeichen, Symbole der Gesetzmäßigkeiten der Dinge (Tatsach. d. Wahrn. S. 12 f.). Ähnlich ÜBERWEG: »Die sinnlichen Qualitäten... sind zwar als solche nur subjektiv und nicht Abbilder von Bewegungen, stehen aber zu bestimmten Bewegungen als deren Symbole in einem gesetzmäßigen Zusammenhange« (Lop.4, § 44). »Die Sinnesempfindungen können als solche nur in beseelten Wesen sein. Daß sie aber durch Äußeres angeregt und zum Teil diesem Äußeren ähnlich seien, ist hierdurch nicht im rnindesten ausgeschlossen« (Welt- u. Lebensansch. S. 98). P. CARUS nennt »Subjektive« Eigenschaften der Dinge »diejenigen, welche unsere Sinne den Dingen zuschreiben«, »objektive« jene, »welche unsere Reflexion als unabhängig von unserer Vorstellung existierend anerkennt«. »Demnach ist die Welt subjektiv das Bild, welches der Verstand vermöge der Sinnlichkeit entwirft. objektiv dagegen so, wie sie unsere Vernunft sich unabhängig von unserer Vorstellung denken muß« (Met. S. 15). »Daß wir von der objektiven Welt schließlich doch keine absolute Erkenntnis haben, sondern nur eine relative, welche sich der unerreichbaren ›absoluten‹ in Hypothesen immer mehr nähert, darf uns nicht bestimmen, das Streben nach diesem Ideal aufzugeben oder die Existenz dieser objektiven Welt zu leugnen« (l. c. S. 16). - HAGEMANN erklärt: »Die Merkmale, welche durch die einzelnen Sinne allein vermittelt werden..., sind relativ, d.h. sie sind als welche nur Empfindungen im wahrnehmenden Subjekte, weisen aber auf bestimmte Beschaffenheiten der Gegenstände hin, wodurch diese imstande sind, jene Empfindungen hervorzurufen. Die räumlichen Verhältnisse hingegen... sind absolute Eigenschaften« (Log. u. Noet.5, S. 141). O. WILLMANN bemerkt: »Unsere Empfindung ist ein abbildendes Teilnehmen an einem Tatbestand, den die Bewegung der Massenteilchen nicht ausmacht, sondern nur vorbereitet« (Gesch. d. Ideal. III, 135). - Nach WUNDT sind die qualitativen Eigenschaften der Objekte »Wirkungen, welche die Substanzen auf den Anschauenden hervorbringen«, und zwar subjektive Wirkungen, während die quantitativen (s. d.) Eigenschaften objektive Wirkungen sind (Syst. d. Philos.2, S. 260 ff.. Philos. Stud. II, 182, 187 f.). Die Sinnesqualitäten sind Symbole der begrifflich bestimmten Objekte (s. d.). HÖFFDING betont: »Wir empfinden... eigentlich nicht die Dinge, sondern unsere Empfindungen entsprechen dem Zustand, in welchen unser Gehirn gerät, wenn sich Wirkungen von den Gegenständen nach demselben fortpflanzen« (Psychol. S. 300 f.). Die Sinnesqualitäten sind »Zeichen, Signale, Syrnbole« »deren wechselseitige Reihenfolge wir als Ausdrücke einer objektiven Reihe von Ereignissen deuten können, obschon sich nicht beweisen läßt, daß sie deren Abbilder sind« (Philos. Probl. S. 45 f.). Nach K. LASSWITZ sind nicht die Qulitäten der Empfindung Subjektiv, sondern »nur das mit ihnen verbundene Gefühl, daß der Inhalt, den ich in jedem Augenblick mein Ich nenne,... sich verändert hat. Die Empfindung ist objektiv, insofern an dieser Stelle des Raumes wirklich Beziehungen aufgetreten sind, die als Rundes, Rotes, Weiches, Duftendes sich bestimmen« (Wirkl. S. 142).

Nach E. DÜHRING kann den Sinnesqualitäten etwas Objektives außer den sie veranlassenden Schwingungen entsprechen (Wirklichkeitsphilos. S. 276 f.). »Die Vorgänge in der äußern Natur und in den Wahrnehmungsorganen müssen in jeder Beziehung etwas Gleichartiges an sich haben, wenn nicht der Begriff des Erkennens und Wissens zum lächerlichsten Widersinn werden soll. Dieses Gleichartige kann aber nicht in bloßer Zahl oder Quantität bestehen, sondern muß sich auch auf alle eigentlichen Beschaffenheiten erstrecken« (l. c. S. 277). V. KIRCHMANN erklärt: »Die Annahme, daß die wahrgenommenen Qualitäten auch ein Bestehen außerhalb des Vorstellens haben, führt zu keinem Widerspruch, und nur dann ist man berechtigt, sie für ein Nicht -Seiendes zu erklären. Auch kann die Philosophie anerkennen, daß die von der Naturwissenschaft behaupteten Schwingungen der Atome bestehen, und dennoch behaupten, daß die Qualitäten auch äußerlich existieren. denn es ist ja möglich, daß diese Schwingungen die Qualitäten nicht erst in dem Vorstellen erwecken, sondern daß diese Qualitäten schon außerhalb des Vorstellens von diesen Schwingungen hervorgebracht werden.« Freilich muß man dazu annehmen, »daß ein Seiendes aus nichts entstehen und in das Nichts wieder vergehen könne« (Kat. d. Philos.3, S. 103 f.). Ähnlich lehrt (als Hypothese) H. SCHWARZ. welcher betont: »Es ist nicht nur inconsequent, sondern es ist methodisch undurchführbar, den Sinnesdaten der Tastwahrnehmung objektive Realität zuzuschreiben, die Objektivität der übrigen Sinnesdata zu leugnen« (Das Wahrnehmungsprobl. S. 76). Widersprüche zwischen den einzelnen Sinnesdatis an einem Objekte bestehen nicht (l. c. S. 369 ff.). »Nur von den gesehenen Farben, den gehörten Tönen wird notwendig behauptet werden müssen, daß sie durch Vermittlung mechanischer Korrelate indirekt durch die Organe bedingt sind. Von ungesehenen Farben, ungehörten Tönen dagegen kann man vielleicht die Existenz bezweifeln, ihre ev. Unabhängigkeit von irgend welchen Organen würde als ein Widerspruch nicht gelten können« (l. c. S. 374. vgl. S. 334, 397. Was will d. krit. Real.? S. 22, u. E. L. FISCHER, Grundfr. d. Erk. S. 70).

Die Immanenzphilosophie (s. d.) verlegt alle Qualitäten in das Bewußtsein. - Nach E. MACH sind die Objekte (s. d.) selbst aus den Qualitäten (»Elementen«, s. d.) zusammengesetzt. Nach R. AVENARIUS sind die Qualitäten bei der »absoluten Betrachtungsweise« descriptive Merkmale der Umgebungsbestandteile. Die »relative Betrachtungsweise« (s. d.) berechtigt nicht zur Subjektivierung der Qualitäten, sondern nur zu der Einschränkung, daß sie, so wie sie vorgestellt werden, von der individuellen Beschaffenheit des »Systems C« (s. d.) unmittelbar abhängen (Weltbegr. S. 130 f.). H. CORNELIUS sieht in der primären, d.h. der dauernden, dem Objekte unabhängig von unserer Wahrnehmung anhaftenden Eigenschaft nichts als den konstanten gesetzmäßigen Zusammenhang der sekundären, nur sinnlichen Qualitäten (Einleit. in d. Philos. S. 261). Vgl. Energie (spezifische), Empfindung, Objekt, Relativismus, Gestaltqualitäten.


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