8. The Monster


Den 12. Mai

 

Wie sich die Neuigkeiten hier jagen! Wie immer frische Nahrung für das gefräßige Tier mit achtmal hunderttausend Schlünden herbeigeschafft werden muß! Gestern ist der König von Schweden an einem Gallenfieber gestorben; heute ersticht man die Kaiserin von Rußland; die Spanier haben Jamaika weggenommen; Frankreich rüstet zwanzig Linienschiffe aus. Bald erschallen wieder durch die ganze Stadt lauter Friedensgerüchte! Diese widersprechenden Erdichtungen sind auf den nächsten Kreis um die Londoner Börse berechnet; die öffentlichen Fonds steigen und fallen, je nachdem man dieses oder jenes Gerücht wahrscheinlich zu machen weiß; authentische Briefe, gerichtliche Aussagen von Schiffskapitänen, Ministerkonfidenzen, nichts wird dabei gespart, um Wirkung hervorzubringen; und wenn es endlich nun einmal gelingt, diejenigen, die sich die Weisesten und Vorsichtigsten dünken, zu übertölpeln, so ist der Gewinn schon entschieden. – Man fragt sich also schon immer bei jeder neuen Mähre, wohin sie zielt, und welchen Effekt auf die Barometer des öffentlichen Kredits sie haben könne; und wahrlich! künstlich muß der Mäkler sein, der jetzt noch seinen Zweck erreichen will. – Allein der größere Kreis des Publikums, der zur bestimmten Stunde seines Frühstücks die Zeitung liest, und die Zeit teils mit dieser Lektüre, teils mit der Konversation, wozu sie den Stoff gibt, zu tödten sucht, hat noch einen ganz andern Heißhunger nach Neuigkeiten, und eine gesegnete Gabe der Verdauung, die mit dem Wunderglauben in eine Klasse gesetzt zu werden verdient. Seit vier Wochen spricht ganz London von dem Ungeheuer; die Zeitungen sind voll davon; die Theaterdichter unterhalten das Volk davon auf der Bühne; die Damen fürchten sich davor; der Pöbel sieht jeden Vorübergehenden schärfer darauf an, ob er nicht in ihm das Ungeheuer entdecken könne; alle Wände sind mit Ankündigungen und Darbietungen einer Belohnung für denjenigen, der das Ungeheuer greifen wird, beklebt; freiwillige Subskriptionen sind eröffnet worden, um es fangen zu lassen; Mrs. Smith, eine Dame du bon ton, hat es mit einem Pistol hinters Ohr geschossen, – es hat sich verkleidet, geht in vielerlei Gestalten umher, verwundet schöne Frauenzimmer mit einem eigends erfundenen Instrument, mit Haken in Blumensträußern verborgen, mit Packnadeln, u.s.f. – und dieses Ungeheuer ist nichts mehr und nichts weniger als – ein Unding, womit man die müßigen Einwohner von London amüsiert. Ein Taschendieb, der vermittelst eines Instruments die Taschen umzukehren und auszuleeren gelernt hatte, konnte vielleicht eine Dame verwundet haben, indem er dieses Kunststück an ihren Taschen probierte; dieser unbedeutende Zufall war hinreichend, um eine ganze Geschichte von einem Ungeheuer darauf zu gründen, welches gegen weibliche Schönheit wütete, und eine Verschwörung zwischen mehreren Geschöpfen dieser Art wahrscheinlich zu machen, die aus Bosheit, oder Rache, oder verkehrtem Geschmack, das ganze Geschlecht, oder doch den schöneren Teil desselben, vernichten sollten.




Share
 © textlog.de 2004 • 18.04.2024 04:12:39 •
Seite zuletzt aktualisiert: 17.11.2007 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright