Hingang


So war er denn auf der höchsten Stufe des Glücks, das er sich nur hätte wünschen dürfen, der Welt verschwunden. Ihn erwartete sein Vaterland, ihm streckten seine Freunde die Arme entgegen, alle Äußerungen der Liebe, deren er so sehr bedurfte, alle Zeugnisse der öffentlichen Achtung, auf die er so viel Wert legte, warteten seiner Erscheinung, um ihn zu überhäufen. Und in diesem Sinne dürfen wir ihn wohl glücklich preisen, daß er von dem Gipfel des menschlichen Daseins zu den Seligen emporgestiegen, daß ein kurzer Schrecken, ein schneller Schmerz ihn von den Lebendigen hinweggenommen. Die Gebrechen des Alters, die Abnahme der Geisteskräfte hat er nicht empfunden, die Zerstreuung der Kunstschätze, die er, obgleich in einem andern Sinne, vorausgesagt, ist nicht vor seinen Augen geschehen, er hat als Mann gelebt und ist als ein vollständiger Mann von hinnen gegangen. Nun genießt er im Andenken der Nachwelt den Vorteil, als ein ewig Tüchtiger und Kräftiger zu erscheinen: denn in der Gestalt, wie der Mensch die Erde verläßt, wandelt er unter den Schatten, und so bleibt uns Achill als ewig strebender Jüngling gegenwärtig. Daß Winckelmann früh hinwegschied, kommt auch uns zugute. Von seinem Grabe her stärkt uns der Anhauch seiner Kraft und erregt in uns den lebhaftesten Drang, das, was er begonnen, mit Eifer und Liebe fort- und immer fortzusetzen.

 


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Seite zuletzt aktualisiert: 30.10.2007 
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