Wichtige Nebensachen

Subjektivität


Sie sagte: »Seitdem man mir meinen alten ›Bösendorfer-Saal‹ (Konzertsaal in Wien) demoliert hat, bin ich ein unglücklicher Mensch geworden. Ich gebe es zu, daß es ›im Weltkriege‹ tiefere Probleme und Tragödien gibt, aber für mich Armseligste dieses Lebens gibt es leider – oder Gott sei Dank – keine anderen. So viele Helden gehen dahin, und ich trauere um meinen ›Bösendorfer-Saal‹. Deshalb soll ich mich schämen, es zu bekennen?! Er war mein Alles. Wenn ich dort saß, vergaß ich der Welt. Ich vergaß der Gegenwart, der Zukunft. Später, beim Nachtmahle, wußte ich nicht, was ich aß. Das wird nie mehr wiederkommen. Ich kenne die anderen Konzertsäle. Aber ich vergesse darin nicht der Gegenwart, der Zukunft. Ob ich ›musikalisch‹ bin!? Wer weiß es?! Im Bösendorfersaale war ich es. Muß man es, kann man es denn überall sein?! Das sind ja schon ›Genies‹, die Das überall können. Unsereins ist irgendwo schrecklich angebunden. Dort lebt er auf, dort gedeiht er, dort wird er er selbst! Nein, mehr als er selbst. Wegen mir allein konnte man das Gebäude nicht stehen lassen, das ist doch selbstverständlich. Nur einmal kam ich aus der Fassung. Da sagte mir Jemand: ›Er war doch nicht einmal besonders »akustisch«!‹ Ich habe gedacht: ›Wenn ich eine Tigerin wäre, mit meinen Pranken im Sprung ihm seinen Hals aufzureißen!‹

Aber ich bin leider keine Tigerin.«


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