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Hausmannskost

Redensarten sind die Reste,
die wir in den Mund noch kriegen
als den Schmaus zum Siegesfeste,
wenn den Hunger wir besiegen.

Sie sind unsre letzte Labe
in den glorreich großen Tagen,
da wir all mit unsrer Habe
unsre Haut zu Markte tragen.

Unser Mangel schmeckt noch besser,
weil auch drüben manches Loch ist.
Seelentrost für starke Esser
heute mit der beste Koch ist.

Freilich, wenn von heut auf morgen
schwindelnd steigen alle Taxen,
ist den nächsten Nahrungssorgen
meistenteils kein Kraut gewachsen.

Auf des Feindes Mangel zählen,
schadenfroh ihm Rübchen schaben,
macht noch nicht, daß sie ihm fehlen,
doch auch nicht, daß wir sie haben.

Andernfalls, ich möchte wetten,
würde Fülle uns betrüben.
Wenn wir Kraut und Rüben hätten,
lägen sie wie Kraut und Rüben.

Im chaotischen Betriebe
nähren wir uns von Gerüchten,
da nichts andres übrig bliebe,
als den alten Kohl zu züchten.

Doch um ihn nicht fett zu machen
und den Friedensdrang zu stillen,
opfern wir dem Höllenrachen
mit vermehrtem Siegeswillen.

Jeden Tag ein neuer Treffer,
daß die Lebenslust sich hebe.
Ja, da lag’ der Has’ im Pfeffer,
wenn es Has’ und Pfeffer gäbe.

Fehlt das Fleisch, so gibt es Blut noch,
weil die Weisheit so geruhte.
Der Gehorsam und der Mut noch
stecken uns im Fleisch und Blute.

Deutsch das Herz, deutsch der Verstand auch:
immer wird es so was geben.
Könnte nur von deutscher Hand auch
in den deutschen Mund man leben!

Uns die Siege zu versalzen,
scheut der Gastwirt keine Mühe.
Nur die Rechnung ist geschmalzen
und der Gast sitzt in der Brühe.

Kommt der Appetit beim Siegen,
soll man an kein Wunder glauben.
Meist sind’s Flieger, selten fliegen
in das Maul gebratne Tauben.

Wie erklärt sich’s dem Verstande,
daß wir stets das Schwert noch zücken?
Weil wir gern im Feindeslande
irgendwo ein Hühnchen pflücken.

Des gerechten Gottes Zorn noch,
ach, den müssen wir verschärfen.
Wo gedeiht denn heut ein Korn noch,
um die Flinte hinzuwerfen!

Wie die neue Ernte, raten
alle Bürger nur mit Bangen.
Wissen bloß, daß blutige Saaten
wieder glücklich aufgegangen.

Eine Schlachtbank läßt nie darben
die dort angestellten Kunden.
Raben haben, seit wir starben,
täglich Nahrung noch gefunden.

Doch den Untertan verlockt hat,
er besorgt es unterdessen,
was man so ihm eingebrockt hat,
bis zum Endsieg auszuessen.

Sitzt man mit Gemeinschaftsmägen
an dem ungedeckten Tische:
heute gibt es außer Schlägen
höchstens etwa faule Fische.

Manche diplomat’sche Note
für die Welt nur ein Geräusch ist,
die im Friedensangebote
schmeckt, daß es nicht Fisch, nicht Fleisch ist.

Riecht man dann selbst hier den Braten,
kriegt man ihn doch nicht zu schauen.
Ich mag diesen Surrogaten,
nein, beim deutschen Gott nicht trauen!

In Geheimrats Teufelsküche
möcht’ in keinen Topf ich gucken;
müßte wegen der Gerüche
Hexen in die Suppe spucken.

Wovon man denn fett wird, war schon
schwierig ehedem ergründet;
während man seit manchem Jahr schon
nicht mehr weiß, wovon man schwindet.

Bleibt der Seele ein Gehäuse,
wird der Mensch noch nicht begraben.
Einstens hierzuland die Läuse
auch nichts mehr zu beißen haben.

Von den deutschen Chemikalien
scheint das Gas allein gediegen,
während durch die Viktualien
der, den’s trifft, sofort bleibt liegen.

Um das Leben zu ersetzen,
sinnt die Wissenschaft noch heute.
Sonst ist alles da an Schätzen,
nicht so wie bei arme Leute.

’s ist wie einmal, da der Prahlhans
war der deutsche Küchenmeister;
doch das Mahl nicht mal vom Schmalhans,
denn die Soß nicht mal ein Kleister.

Eine schöne Soße wär’ das,
wenn das nicht ein Fremdwort wäre.
In der Tunke sein: auf Ehr’ das
fordert nationale Ehre.

Alle diese welschen Speisen
sind ja doch zu gar nichts nütze.
Unschwer ließe sich’s beweisen
mit ein wenig deutscher Grütze.

Üppigkeit von damals muß sich
heute durch Entbehrung rächen.
Ach, wie ließ’ man mit Genuß sich
wieder mal vom Hafer stechen!

Während wir um schlechte Währung
mit noch minderm Vorrat geizen,
blüht auf unterster Ernährung
heute bloß des Wuchrers Weizen.

Statt des Fleisches äße Leder
schon der eingefleischte Sparer.
Aber Leder, das weiß jeder,
ist ja noch bei weitem rarer.

Daß dem Wirt schon alles Wurst ist,
führt in Irrtum nur die Toren.
Aber auch für ihren Durst ist
Malz und Hopfen längst verloren.

Nimmer mag das Volk der Denker
über seine Lage denken.
Gern vermeiden seine Lenker
reinen Wein ihm einzuschenken.

Aber Zuckerbrot und Peitsche
nicht mehr der Erziehung ziemen;
denn es fehlt ja doch der deutsche
Zucker und der deutsche Riemen.

Täglich sie die Milch der frommen
Denkart diesem Volk entzogen.
Kinder, die jetzt angekommen,
haben Drachengift gesogen.

Totentanz ist’s, sei der Titel
Tango oder wieder Ländler.
Hast du keine Lebensmittel,
werde Lebensmittelhändler.

Hin ist hin, die Hetz ist hin und
G’spaß gibt’s keinen gegenwärtig.
Krieg ist Krieg, sagt man in Wien und
da gibt’s keine Würstel, fertig.

Wenn das Schicksal sich vollendet,
wird kein Kren mehr übrig bleiben,
daß den Wiener man verwendet,
um im Notfall Kren zu reiben.

Dafür ist man kaum entschädigt
durch ein kriegsgemäßes Leben,
wozu mit der Sittenpredigt
ihren Senf die Sieger geben.

Schnittlauch selbst auf allen Suppen,
Zutat fremdem Wert und Werke,
bilden sie um Gräber Gruppen,
hoffend, daß man sie bemerke.

Hungert man im Hinterlande,
bleibt der Mut doch ungebrochen
jener, die am Weltenbrande
ihre eigne Suppe kochen.

Nimmer würde sie’s verdrießen
und sie würden unablässig
Öl noch in das Feuer gießen,
damit aber ist es Essig.

Vor den furchtbaren Kontrasten
lernt man diese Ordnung hassen,
in der die Gerechten fasten
und die Ungerechten prassen.

Diese Ersten, die sich mästen
und sich selbst die Kreme heißen,
wenn die namenlosen Besten
ungezählt ins Gras doch beißen —

keinen gibt es, der nicht nähme,
während andere verrecken.
Welch ein Abschaum diese Kreme!
Längst schon kann ich sie nicht schmecken!

Durchzuhalten, wird von Tröpfen
manch ein Scherflein beigesteuert,
wenn die Butter auf den Köpfen
aller Schieber sich verteuert.

Dazu würden Siegesweisen
wie ein Ei dem andern gleichen,
könnte man zu höchsten Preisen
das Vergleichsobjekt erreichen.

Lange schon auf Mehl wir harren.
Finden wir’s, wenn wir es suchen?
Da sagt man in Wien: Ja Schmarren!
In Berlin sagt man: Ja Kuchen!

Was du noch bekommen solltest,
nicht bekömmlich ist’s. Zum Hohne
heißt’s dort, wenn du fragen wolltest:
»Gibt es Kaffee?« »Nicht die Bohne!«

Aber unser täglich Brot doch
wird man uns wohl nicht verstecken!
Das gibt’s in der Zeit der Not doch
stets beim Bäcker? Ja beim Bäcken!

Neue Nahrung ward dem Neide,
nicht uns selbst: mit Duldermiene
hörten wir von dem Getreide,
lagernd in der Ukraine.

Billig wie die Brombeern waren
nicht einmal die Brombeern heuer.
Sie zu kriegen, war seit Jahren
guter Rat nicht mehr so teuer.

Vor den Obstgeschäften standen
viele Füchse auf der Lauer;
wären Trauben noch vorhanden,
keinem wären sie zu sauer.

Fruchtlos ferner uns zu fretten,
ward von oben uns geheißen.
Möchten gern, wenn wir ihn hätten,
in den sauern Apfel beißen.

Auch die Zuversicht, sie glaubt nur
täglich noch den schummern Wandel.
Fortan kriegt man überhaupt nur
eine harte Nuß im Handel.

Über weitere Annexionen
freuten wir uns ungeheuer,
trügen gern zu allen Thronen
die Kastanien aus dem Feuer.

Und mit diesen Staatsgewalten —
fast hätt’ ich den Punkt vergessen —
wär’ es gut, sich zu verhalten
und mit ihnen Kirschen essen.

Essen suchen selbst die Rüpel,
die sich jenes Krupp erinnern,
Herbergsvaters aller Krüppel,
Vorbilds allen Kriegsgewinnern.

Schön ist es, im Sommer ländlich
so im deutschen Wald zu wohnen.
Wie die Pilze schießen endlich
aus der Erde die Kanonen.

Aber diese herzlos harten
Winter soll der Teufel holen.
Wärmeres Wetter zu erwarten,
sitzt man fluchend wie auf Kohlen.

Mit Tabak ist’s noch viel schlimmer.
Doch man wird ihn nicht mehr brauchen,
wenn doch immerzu die Trümmer
nur in diesem Kriege rauchen.

Jedenfalls bei weitem schärfer
spürt den Mangel man an Zündern,
da vermehrte Flammenwerfer
solchen Notstand nicht vermindern.

Opfervoll ist diese Prüfung,
hält die Treu’ durch Not und Tod man.
Ach, des Bündnisses Vertiefung
braucht wie einen Bissen Brot man.

Und den Ausbau, den verlangen
Nibelungenpflichten eben.
Auf den Speck sind wir gegangen,
als wir unsern hingegeben.

Und wir müssen es beklagen,
die wir Höchstes doch besessen:
daß wir auf den Lorbeern lagen
und sie nicht gleich aufgegessen.

Denn nach vielen Feindeslügen
eine ward erst jetzt vernommen:
daß die Deutschen dieses Siegen
endlich einmal satt bekommen!