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698. Gerücht¹⁾. Sage²⁾. Überlieferung³⁾.

1) Report, rumour.
2) Legend.
3) Tradition.
1) Bruit (rumeur).
2) Mythe (fable, légende).
3) Tradition.
1) Voce.
2) Fama (saga, leggenda).
3) Tradizione.

Der Inhalt der Gerüchte (von rufen; Gerücht ist die niederd. Form zu dem nicht mehr üblichen hochd. Gerüfte) und Sagen sind Begebenheiten. Gerücht war eigentlich der Ruf, der in einem Dorfe hinter dem Diebe, dem Wolfe her oder bei ausbrechendem Feuer erscholl (Diebjo, Wolfjo, Feuerjo) und in den jeder Bewohner des Dorfes einstimmen mußte, sobald er ihn hörte. Gegenwärtig versteht man darunter überhaupt das, was über eine Person oder über ein Ereignis sich durch den Mund der Leute weiter verbreitet hat. Gerücht hat aber im Vergleich zu Sage einen engeren Kreis der Erzählenden wie des Erzählten und beschränkt sich in seiner Verbreitung auf die Gegenwart. Sage wie Überliefrung gehen auf das mehr oder minder Vergangene, von einem Geschlecht auf das andere Übergehende, Geschichtliche und bilden ein Stück des geistigen Eigentums einer kleineren oder größeren Gemeinde, eines Volkes usw. Sage und Überliefrung unterscheiden sich dadurch, daß der Inhalt der Sage nur Geschichte ist, der der Überliefrung aber auch Lehren und Vorschriften über gewisse Gebräuche sein kann. Ehe die Schreibekunst erfunden war, wurde die Geschichte und das Andenken merkwürdiger Begebenheiten bloß mündlich fortgepflanzt. Die Geschichte der alten nordischen Völker ist daher in ihren Sagen aufbehalten. Die römische Kirche lehrt, daß sie neben der Bibel noch eine Überliefrung habe, welche Lehren und Vorschriften enthalte, die von den Zeiten der Apostel bis auf die Gegenwart von Geschlecht zu Geschlecht ununterbrochen fortgepflanzt und aufbewahrt worden seien. Im weitern Sinne versteht man unter Überlieferung alles das, was von unseren Vorfahren, mündlich oder schriftlich, in Worten, Sachen, Einrichtungen, Gebräuchen usw. auf uns gekommen ist. „Gern wär’ ich Überliefrung los | und ganz original; | doch ist das Unternehmen groß | und führt in manche Qual. | Als Autochthone rechnet’ ich | es mir zur höchsten Ehre, | wenn ich nicht gar zu wunderlich | selbst Überlieferung wäre.“ Goethe, Zahme Xen. VI.