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1510. Worte¹⁾. Wörter²⁾.

1) & 2) Words.
1) Paroles.
Parole.
2) Mots.
Voci.

Der Plural von Wort heißt Wörter, wenn man diese Redeteile als einzelne, für sich bestehende Lauteinheiten ohne Rücksicht auf ihre Verbindung in zusammenhängender Rede betrachtet (vocabula), Worte wenn man auf ihren Zusammenhang in der Rede Bezug nimmt (verba). In einem Wörterbuche werden die erklärten Ausdrücke außer allem Zusammenhange bloß nach alphabetischer Ordnung aufgeführt. Der Prediger sagt hingegen: die Textesworte, wenn er den Text vorliest, über den er predigen will. — Die Pluralendung -er, die sich bei neutralen Wörtern findet (z. B. Gräber, Kälber, Kräuter, Rinder, Lämmer, Täler u. a.), ist ursprünglich keine Biegungsendung, sondern eine Bildungssilbe, die in der gotischen Deklination noch nicht vorkommt, aber schon im Althochdeutschen in der Form ir an viele Wörter der ersten starken Neutraldeklination der a-Klasse antritt. Diese Silbe wurde vermutlich deshalb angefügt, weil man den Nom. Plur., der durch den Abfall der gotischen Biegungsendung -a dem Nom. Sing, völlig gleich geworden war (daz wort, diu wort), von dem Nom. Sing, in der Form deutlicher unterscheiden wollte. Im Mittelhochdeutschen wurde aus diesem ir: er, und diese Endung bewirkte durch die Kraft des zugrunde liegenden i regelmäßig den Umlaut. Von Wort heißt der ursprüngliche Plural althochdeutsch und mittelhochdeutsch diu wort. Schon im Mittelhochdeutschen kam aber neben dem ursprünglichen Plural auch die Form worter vor. Üblicher wird der Plural Wörter, wie wir neuhochdeutsch sagen, erst mit dem 16. Jahrhundert (Luther sagt aber noch vorwiegend: die wort). Doch die beiden Formen Worte (wie wir im jüngeren Neuhochdeutsch für das ältere „die Wort“ sagen) und Wörter sind in der Bedeutung bis zum Ausgange des 17. Jahrhunderts nicht unterschieden, wie Schottel, Stieler u. a. deutlich bekunden. Erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird der oben angeführte Unterschied gemacht, und zwar zuerst in Frischs Teutsch-lateinischem Wörterbuche (II, 458 a), sowie in Gottscheds „Beobachtungen über den Gebrauch und Mißbrauch vieler deutscher Wörter und Redensarten“ (1758), S. 4311 Wenn sich nun im allgemeinen dieser Unterschied auch festgesetzt hat, so kann man doch ganz ruhig, ohne gegen den Geist der deutschen Sprache zu verstoßen, den Plural Worte auch da gebrauchen, wo man von einzelnen Lauteinheiten schlechthin als von Teilen der Sprache redet; denn die Form Worte kann als der ursprüngliche Plural in allen Bedeutungen verwendet werden und ist dann etwa so zu betrachten wie die Plurale Lande für Länder, Denkmale für Denkmäler, Tale für Täler, Gewande für Gewänder usw., d. h. als der ältere und edlere Plural. Klopstock gebraucht mit Ausnahme des Ausdrucks Wörterbuch nur den Plural Worte. Wir können daher sagen: Hauptworte, Zeitworte usw., und Hauptwörter, Zeitwörter usw., nicht aber umgekehrt den Plural Wörter da verwenden, wo die Form Worte stehen muß. Man kann daher über Dichterworte schreiben und sprechen, nicht aber über Dichterwörter usw. (vgl. meinen Aufsatz: Einige grammatische Fragen, in der Zeitschr. des Allgemeinen deutschen Sprachvereins I, 13, S. 206 ff.).