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900. Körper¹⁾. Leib²⁾.

1) & 2) Body.
1) & 2) Corps.
1) & 2) Corpo.
2) Corps humain.
Corpo umano.

Körper (aus lat. corpus oder vielmehr aus dem Stamme dieses Wortes: corpor —; das altgermanische Wort für Körper war Leich, jetzt noch in Leichnam) bezeichnet überhaupt das Materielle, Stoffliche, was man sehen und greifen kann, im Gegensatz zum Geist; Leib (mhd. lîp, d. i. Leben und Leib) bezeichnet nur den beseelten und belebten Stoff, den tierischen und menschlichen Körper, im Gegensatz zur Seele. Körper ist also der allgemeinere Ausdruck; er kann daher auch da gebraucht werden, wo man sonst Leib anwendet, aber nicht umgekehrt kann Leib überall da stehen, wo man Körper sagt. So spricht man von Himmelskörpern, von elastischen, spröden, harten, weichen usw. Körpern, von der Körperwelt u. a. Überhaupt kann jedes Ding ein Körper heißen, insofern es uns als Einzelwesen erscheint. „Es sind himmliche Körper und irdische Körper.“ Luther, 1. Cor. 15, 40. „Gegenstände, die nebeneinander oder deren Teile nebeneinander existieren, heißen Körper. Folglich sind Körper mit ihren sichtbaren Eigenschaften die eigentlichen Gegenstände der Malerei.“ Lessing. „Ein Körper in physischer Bedeutung ist eine Materie zwischen bestimmten Grenzen.“ Kant. „Wasser ist Körper und Boden der Fluß. Das neuste Theater | tut in der Sonne Glanz zwischen den Ufern sich auf.“ Goethe, Vier Jahreszeiten, Winter. „Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war, | ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar, | das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht | den alten Rang, den Raum ihr streitig macht. | Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, soviel es strebt, | verhaftet an den Körpern klebt; | von Körpern strömt’s, die Körper macht es schön, | ein Körper hemmt’s auf seinem Gange. | So, hoff ich, dauert es nicht lange, | und mit den Körpern wird’s zu Grunde gehn.“ Goethe, Faust I, Studierzimmer. Leib könnte in allen diesen Fällen nicht stehen. Wohl aber sagt man: der menschliche Körper und Leib. Sobald aber der menschliche Körper aufhört, ein Werkzeug der Empfindung und der Bewegung zu sein, ist er kein Leib mehr, aber er bleibt immer noch ein Körper und ein menschlicher Körper, weil er die Gestalt desselben hat. Zu anatomischen Studien werden menschliche Körper, aber keine Leiber verwendet. „Unser Leib als Körper betrachtet, ist weder moralischen, noch physischen Übeln unterworfen. Nur insoweit er mit der Seele verknüpft ist“ usw. Mendelssohn. Über die Empfindungen. Man sagt Oberkörper, aber: Unterleib (nicht: Unterkörper). Man trägt Wolle, d. i. wollene Unterkleider, auf dem Leibe (nicht: auf dem Körper; denn auf dem Körper trägt man überhaupt die gesamte Kleidung; auf dem Leibe bezeichnet hier, daß man die Wolle unmittelbar auf dem Leibe trägt). Häufig klingt Körper gewählter. Der gewöhnliche Mann aus dem Volke sagt: „Mich friert am ganzen Leibe!“ Der Gebildete: „Mich friert am ganzen Körper!“ Das Fremdwort erscheint hier gleichsam als verhüllend, nicht so sinnlich derb und kräftig wie das heimische; so kommt es ja auch vor, daß zimperliche Damen sagen: „Ich transpiriere“ statt: „Ich schwitze!“ Über die beiden Wörter sagt Rudolf Hildebrand treffend (Grimms Wb. V, 1835): „Das Fremdwort Körper ist mit dem einheimischen Leib noch bis heute nicht völlig eins geworden, und dabei hat sich jenes mehr zu Geist, dieses mehr zu Seele gesellt; denn Geist und Körper, Leib und Seele ist die uns geläufige Zusammenstellung, z. B.: „Die Scheidung zwischen Geist und Körper, Seele und Leib.“ Goethe. Wie nämlich der denkende Geist höher gestellt wird, sozusagen noch geistiger ist als die nur empfindende Seele, so ist uns nach der andern Seite hin Körper schärfer bezeichnend, sozusagen noch körperlicher als Leib; denn Leib schließt uns meist Leben und Fühlen, also die Seele eigentlich mit ein, während man das Absehen von allem Geistigen und Seelischen, das Leibliche an sich am schärfsten nur mit Körper ausdrückt. „Man möchte sagen, er (Klopstock) ziehe allem, was er behandelt, den Körper aus, um es zu Geist zu machen, so wie andere Dichter alles Geistige mit einem Körper bekleiden.“ Schiller, Über naive und sentimentalische Dichtung. Bürger unterscheidet an einem Dichtwerke Geist, Körper und Kleid: „So sollte wenigstens eine Dolmetschung (Homers) an Geist, Körper und Bekleidung dem Originale so nahe als möglich kommen.“ — Wo es sich um das Leben handelt, um den mit der Seele innig verknüpften Leib steht der Ausdruck Leib, nicht Körper. So sagt man z. B.: Ich habe meinen Leib gewagt. „Nehmen sie den Leib | Gut, Ehr, Kind und Weib, | laß fahren dahin!“ Luther. Leib und Leben, Leib und Blut sind daher stehende Formeln. „Für meine Lieben ließ ich Leib und Blut.“ Goethe. Neben Leib und Seele findet sich nur ausnahmsweise Leib und Geist. „Ja, indem mein Leib verreist, | bleib ich hier mit meinem Geist.“ Rückert, Liebesfrühling. „Ich bin dabei mit Seel und Leib.“ Goethe. Zuweilen bedeutet Leib soviel wie Taille, z. B. „Es geht mir ein Schauder durch den ganzen Körper, Wilhelm, wenn Albert sie um den schlanken Leib faßt.“ Goethe, Werthers Leiden. Daher sagt man auch Schnürleib, Leibchen. Körper kann in diesem Sinne nicht stehen.