Promotion und Habilitation


So standen denn seiner Promovierung zum Magister wie seiner Habilitation als Privatdozent der Philosophie an der Albertina keine Schwierigkeiten entgegen. Zum Zweck seiner Magister-, wir würden heute sagen: Doktor-Promotion, mußte er zunächst eine lateinische Dissertation — es war eine naturphilosophische Abhandlung 'Über das Feuer' — einreichen, was am 17. April 1755 geschah. Vier Wochen später folgte die mündliche Prüfung (das Rigorosum), am 12. Juni die feierliche Promotion im Auditorium maximum, einem langen, aber niedrigen, mit den Bildnissen der preußischen Landesfürsten geschmückten Saale, in dem heute ein Teil der Stadtbibliothek untergebracht ist. Vollzogen wurde sie durch denselben J. B. Hahn als Fakultätsdekan, der ihn vor 15 Jahren immatrikuliert hatte. Dieser hielt eine ausführliche Rede "Von den Ehren Tituln der alten Juden [!] bei ihren Akademischen Promotionen: Rabh, Rabbi und Rabbon", während der neue Magister den ganzen Akt mit einer Danksagung vom "oberen" Katheder beschloß.*) Zum Thema seiner vorangehenden eigenen, natürlich auch lateinischen, Rede hatte Kant ein weit moderneres Thema: "Vom leichteren und vom gründlichen Vortrag der Philosophie" gewählt. Er muß doch schon einen geachteten und bekannten Namen gehabt haben; denn, um ihn zu hören, waren besonders viele angesehene und gelehrte Männer der Stadt zusammengeströmt, und während seiner Rede legte nach des selbst anwesenden Borowski Zeugnis "das ganze Auditorium durch ausgezeichnete Stille und Aufmerksamkeit die Achtung an den Tag, mit der es den angehenden Magister aufnahm". Der Text von Kants Rede, der Borowski noch in Abschrift vorlag, hat sich leider nicht erhalten. Dagegen haben wir in der Stadtbibliothek ein Exemplar von Kants "Doktordiplom", genauer gesagt der gedruckten Einladung zu dem feierlichen Akt entdeckt, in deren sehr ausführlichem Text es heißt:

 

Facultas Philosophica

viro iuveni nobilissimo et clarissimo

Emanueli Kant, Reg. Pruss.

Philosophiae candidato dignissimo

Post egregie, in specimine exhibito et examine rigoroso, edita documenta

Doctoris philosophiae seu magistri gradum et insignia

Proxima Jovis die XII. Junii, Natali Brabeutae septuagesima

rite et solenniter conferet

 

Auf deutsch: Die philosophische Fakultät wird dem hochedlen und hochberühmten Emanuel Kant, aus dem Königreich Preußen, hochwürdigen Kandidaten der Philosophie, nach vorzüglichen, in seiner Abhandlung und bei dem Examen rigorosum gelieferten Proben den Grad und die Auszeichnungen eines Doctors der Philosophie oder Magisters am nächsten Donnerstag, 12. Juni, am 70. Geburtstage des Kampfrichters in gehöriger Form und feierlich übertragen.

 

Am 27. September desselben Jahres erfolgte sodann, mit der öffentlichen Verteidigung seiner pro venia docendi eingereichten, gleichfalls lateinischen Dissertation "Eine neue Beleuchtung der ersten Prinzipien der metaphysischen Erkenntnis", seine Habilitation an der heimischen Universität. Das Amt des "Respondenten" versah der Kandidat der Theologie Leonhard; "Opponenten" waren ein Theologie-Student und zwei Rechtskandidaten.

 

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*) Vgl. die Anzeige in den "Königsb. Frag.- und Anzeigungsnachrichten" vom 14. Juni 1755 (mitgeteilt von Rud. Reicke in Altpreuß. Monatsschrift XVIII, 204).


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