Ajax und Ulysses

 

Ebenso nehm' ich gewiß (wenn das Glück will) deine Geschosse;

Als ich gefangen mir nahm den dardanischen Seher der Zukunft,

Als ich die Götterbescheid' und Trojas Schicksal enthüllte,

Als ich das tiefverborgne Gebild der phrygischen Pallas

Mitten aus Feinden gewann! - Und mir vergleichet sich Ajax?

Traun! es versagt' ohn' ihren Besitz das Geschick die Erobrung!

Wo denn der tapfere Ajax? und wo des erhabenen Mannes

Hohes Wort? Was zagest du hier? was wagt es Ulysses,

Durch die Wächter zu gehn, und sich der Nacht zu vertrauen?

Und durch drohende Schwerter nicht nur in die Mauern der Troer,

Sondern emporzudringen zur Burg; und aus eigenem Tempel

Weg die Göttin zu reißen, und wegzufahren durch Feinde?

Wenn nicht solches ich tat; der Telamonier Ajax

Trug umsonst am Arme den siebenhäutigen Stierschild.

Jene Nacht erwarb mir den Sieg der türmenden Troja;

Pergamos hab' ich besiegt, da ich Möglichkeit schuf der Besiegung.

Endige, uns den Tydiden, durch deutende Mien' und Gemurmel,

Meinen Gehilfen, zu zeigen; er hat an dem Lobe sein Anteil!

Du auch, als du den Schild für der Danaer Flotte dahertrugst,

Warst nicht allein: dich geleitet' ein Schwarm, mir wurde der Eine.

Wenn er nicht selbst urteilte, der Streitbare müsse dem Klugen

Nachstehn, nicht handfester Gewalt nur komme der Preis zu;

Selbst wetteifert er nun, und zugleich der bescheidene Ajax,

Auch Eurypylus, tapfer und kühn, und der Sohn des Andrämon;

Nicht Idomeneus auch, noch Meriones, Helden von Kreta,

Fehleten hier, noch der Bruder des hocherhabnen Atriden.

Schau, mit der Hand so tapfer (du selbst siegprangest nicht höher!)

Wichen sie meinem Bedacht. Du liehest den Arm in der Feldschlacht

Nicht ohn' Erfolg; nur die Seele bedarf dir unserer Lenkung.

Du hast Kraft, doch ohne Verstand; ich Sorge der Zukunft.

Du vermagst in dem Kampf, die gemessenen Zeiten des Kampfes

Wählt der Atride mit mir. Du bringst mit dem Leibe nur Vorteil;

Wir mit dem Geist. Und so weit, wer ein Fahrzeug steuert mit Klugheit,

Ragt vor dem Ruderverdienst; so weit vor dem Krieger der Feldherr:

Steh' ich höher denn du. Ja, selbst in dem Leibe des Menschen

Gilt das Herz vor der Hand; die belebende Kraft ist im Herzen.

Auf denn, gewähret den Preis, ihr Gewaltigen, euerem Hüter;

Und für die ängstliche Treue, für so vieljährige Sorgfalt,

Gebt mir die Ehre zum Dank, den Ersatz der redlichen Dienste.

Schon ist die Arbeit am Ziel; das hemmende Schicksal entfernt' ich.

Schon ward Pergamos' Höhe bezwinglich gemacht, und bezwungen.

Bei dem verbündeten Wunsch, und den fallenden Mauren der Troer,

Bei der Unsterblichen fleh' ich, die jüngst den Feinden ich abnahm;

Bei dem übrigen noch, was vielleicht durch Weisheit geschehn muß;

Wenn noch kühnes Geschäft, auf schlüpfrigem Wege zu schaffen,

Wenn noch einiges ihr von Trojas Schicksal vorausgeht:

Denkt doch meiner in Gunst! Wo ihr mir nicht gebet die Waffen,

Gebet sie der! - Und er zeigte das hehre Gebild der Minerva.

 

Rings sind die Fürsten bewegt. Was treffende Worte vermochten,

Lehrte die Tat; und die Waffen des Tapferen nahm der Beredte.

 

Er, der den Hektor so oft, der Eisen und Glut und den Donner

Jupiters trug, er allein! der trägt den einzigen Zorn nicht.

Schmerz bezwingt, den keiner bezwang; und das Schwert sich entreißend:

Mein ist, ruft er, doch dies! Wird das auch verlangen Ulysses?

Dies sei gegen mich selbst mir gebraucht! das mit Phrygierblute

Oft sich genetzt, soll nun mit des Eigeners Blute sich netzen!

Und nicht könne dem Ajax ein Mann obsiegen, als Ajax!

 

Sprach's, und hinein in die Brust, die nun erst Wunden erduldet,

Dort, wo dem Eisen die Bahn sich öffnete, senkt er den Mordstahl.

Nicht vermochten die Hände das Schwert zu entziehen; doch strahlend

Schnellte das Blut es hervor. Das Land, von dem Morde gerötet,

Zeugt' aus grünendem Rasen die purpurfarbene Blume,

Die dir früher entkeimt', öbalischer Knab' Hyacinthus.

Eine gemeinsame Schrift, dem Knaben sowohl wie dem Manne,

Ward auf die Blätter geprägt: ihn nennet sie, jenen beklagt sie.

 


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