Verhältnis des Ich zur Natur


Das Festhalten an der Subjektivität der transzendentalen Anschauung, durch welches Ich ein subjektives Subjekt-Objekt bleibt, erscheint in dem Verhältnis des Ich zur Natur am auffallendsten, teils in der Deduktion derselben, teils in den darauf sich gründenden Wissenschaften.

Weil Ich subjektives Subjekt-Objekt ist, so bleibt ihm eine Seite, von welcher ihm ein Objekt absolut entgegengesetzt ist, von welcher es durch dasselbe bedingt ist; das dogmatische Setzen eines absoluten Objekts verwandelt sich in diesem Idealismus, wie wir gesehen haben, in ein — der freien Tätigkeit absolut entgegengesetztes — Sich-selbst-Beschränken. Dies Gesetztsein der Natur durch Ich ist ihre Deduktion und der transzendentale Gesichtspunkt; es wird sich zeigen, wie weit er reicht und was seine Bedeutung ist.

Als Bedingung der Intelligenz wird eine ursprüngliche Bestimmtheit postuliert, was oben als Notwendigkeit erschien (weil das reine Bewußtsein kein vollständiges Bewußtsein ist), zum empirischen Bewußtsein fortzugehen. Ich soll sich selbst absolut begrenzen, entgegensetzen; es ist Subjekt, und die Schranke ist im Ich und durch Ich. Diese Selbstbegrenzung wird sowohl eine Begrenzung der subjektiven Tätigkeit, der Intelligenz, als der objektiven Tätigkeit; die begrenzte objektive Tätigkeit ist der Trieb;20) die begrenzte subjektive ist der Zweckbegriff. Die Synthese dieser gedoppelten Bestimmtheit ist Gefühl; in ihm ist Erkenntnis und Trieb vereinigt. Zugleich aber ist Fühlen ein lediglich Subjektives,21) und im Gegensatz gegen Ich = Ich, gegen das Unbestimmte erscheint es allerdings als ein Bestimmtes überhaupt, und zwar als ein Subjektives im Gegensatz gegen Ich als Objektives; es erscheint als ein Endliches überhaupt sowohl gegen die unendliche reelle Tätigkeit als gegen die ideelle Unendlichkeit, im Verhältnis zur letzteren als ein Objektives. Aber für sich ist Fühlen als Synthesis des Subjektiven und Objektiven, der Erkenntnis und des Triebes charakterisiert worden, und weil es Synthesis ist, fällt sein Gegensatz gegen ein Unbestimmtes weg, dies Unbestimmte sei nun eine unendliche objektive oder subjektive Tätigkeit. Es ist überhaupt nur endlich für die Reflexion, die jene Entgegensetzung der Unendlichkeit produziert; an sich ist es gleich der Materie Subjektives und Objektives zugleich, Identität, insofern diese sich nicht zur Totalität rekonstruiert hat.

Gefühl sowohl als Trieb erscheinen als Begrenzte, und die Äußerung des Begrenzten und der Begrenzung in uns ist Trieb und Gefühl; das ursprüngliche bestimmte System von Trieben und Gefühlen ist die Natur. Da das Bewußtsein derselben sich uns aufdrängt und zugleich die Substanz, in welcher dieses System von Begrenzungen sich findet, diejenige sein soll, welche frei denkt und will und die wir als uns selbst setzen, ist es unsere Natur;22) und Ich und meine Natur machen das subjektive Subjekt-Objekt aus, meine Natur ist selbst im Ich.

 

_________________

20) Fichte, System der Sittenlehre (1798), SW, Bd. IV, S. 105 f.

21) Fichte, Wissenschaftslehre, SW, Bd. I, S. 289

22) Fichte, Sittenlehre, SW, Bd. IV, S. 109


 © textlog.de 2004 • 18.04.2024 08:28:42 •
Seite zuletzt aktualisiert: 11.11.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright