Kritik des englischen Strafrechts


Als ich eines Tages bei ihm zu Tische war, war auch ein eurer Gesetze kundiger Mann aus dem Laienstande zugegen, der aus irgend einem mir unbekannten Anlasse jene stramme Justiz zu loben begann, die damals dort zu Lande eifrigst gegen die Diebe gehandhabt wurde, die, wie er erzählte, meist zu zwanzig an's Kreuz geheftet wurden. Er sagte, er wundere sich nicht wenig, dass es, obwohl nur Wenige der Todesstrafe entgingen, doch allerorten von Dieben wimmle. Da nahm ich das Wort — denn ich durfte beim Kardinal frei reden — und sagte: ›Du darfst dich mitnichten wundern, wenn diese Bestrafung der Diebe überschreitet die Grenze der Gerechtigkeit und ist für das Gemeinwohl nicht ersprießlich. Zur Sühne des Diebstahls ist sie nämlich zu grausam und zu seiner Verhinderung doch ungenügend. Der einfache Diebstahl ist doch kein so ungeheures Verbrechen, dass er mit dem Kopfe gebüßt werden muß, noch ist andrerseits eine Strafe so schwer, dass sie vom Stehlen diejenigen abhielte, die sonst keinen Lebensunterhalt haben. In dieser Beziehung scheint nicht nur Ihr, sondern die halbe Welt jenen schlechten Schullehrern nachzuahmen, die ihre Schüler lieber mit der Rute züchtigen als unterrichten. Schwere, schauerliche Strafen sind für die Diebe festgesetzt worden, während doch eher Vorsorge zu treffen gewesen wäre, dass einer nicht in die harte Notwendigkeit, zu stehlen, versetzt werde und dann infolge dessen sterben zu müssen.‹ — ›Dafür,‹ versetzte jener, ›ist genügend gesorgt, es gibt Handwerke, es gibt den Ackerbau, mittels deren das Leben gefristet werden kann, wenn die Leute nicht vorsätzlich schlecht sein wollten.‹


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