Die Herkunft der Diebe


›Damit entschlüpfst du mir nicht‹, erwiderte ich darauf. ›Sehen wir vorerst von Jenen ab, die aus auswärtigen oder aus Bürgerkriegen verstümmelt heimkehren, wie neulich bei Euch aus der Schlacht von Cornwall, oder kurz zuvor aus dem gallischen Krieg, die ihre gesunden Gliedmassen für den König oder das Gemeinwohl in die Schätze schlagen und ihren früheren Beruf wegen Invalidität nicht mehr ausüben, und wegen vorgerückten Alters einen neuen nicht mehr erlernen können — von diesen also wollen wir absehen, da Kriege nur nach gewissen Zwischenräumen eintreten. Fassen wir vielmehr die täglichen Vorkommnisse ins Auge!

Die Zahl der Adligen ist gar groß, die nicht nur selbst im Müssiggange von der Arbeit anderer wie Drohnen leben, sondern die Landbebauer ihrer Güter der zu erhöhenden Renten wegen bis auf's Blut schinden. Dies ist die einzige Art von Sparsamkeit, die sie kennen, diese Menschen, die in anderer Hinsicht verschwenderisch bis zum Bettelstab sind; auch umgeben sie sich mit einem ungeheuren Schwarm müssiger Gefolgschaft, die keine nützliche Kunst, das Leben zu fristen, erlernt hat. Diese Leute werden, wenn ihr Herr stirbt oder sie selbst erkranken, von Haus und Hof getrieben, denn lieber will man Müssiggänger ernähren, als Kranke, und oft ist der Erbe des Sterbenden auch nicht imstande, den väterlichen Haushalt aus gleichem Fuße fortzuführen. Inzwischen hungern sich diese Leute ab, wenn sie nicht das Herz haben zu stehlen. Denn was sollen sie tun? Wenn sie nämlich durch Umherirren nach einiger Zeit Kleider und Gesundheit vernutzt haben, verschmähen es die Adeligen, die durch Krankheit Verunreinigten in fadenscheinigen Gewändern aufzunehmen, und die Bauern wagen es nicht, ihnen Arbeit zu geben, da sie recht gut wissen, dass ein reichlich in Muße und im Genusse Aufgewachsener, der nur gelohnt ist, mit Schwert und Schild trotzigen Blickes einherzuschreiten und rings um sich alle zu verachten, nicht geeignet ist, mit Spaten und Haue um elenden Lohn und dürftige Beköstigung einem Armen treu zu dienen‹.

›Gerade diesen Menschenschlag,‹ versetzte jener, ›müssen wir vor allem pflegen. Denn in ihnen, denen höherer Geistesschwung und mehr Kühnheit eignet, als den Handwerkern und Ackerbauern, besteht die Kraft des Heeres, wenn es gilt, sich im Kriege zu schlagen.‹


 © textlog.de 2004 • 24.04.2024 00:27:30 •
Seite zuletzt aktualisiert: 08.11.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright