Zum Hauptinhalt springen

Religion

Religion. Die Religion tritt uns zunächst als positive, geoffenbarte Religion entgegen, als Inbegriff statutarischer Glaubenssätze und Kulthandlungen. Soweit in diese das Wesen der Religion gelegt wird, neigt die Religion zum „Afterdienst“, wird sie zu einer Werbung um die Gunst Gottes, die als solche keinen moralischen Wert hat. Doch enthält die Religion auch — und das ist die der Religion immanente „Vernunftreligion“ — einen sittlichen Gehalt, den die Philosophie aus ihr herauszuarbeiten hat. Die reine Religion ist Auffassung unserer Pflichten als Göttliche Gebote, die Vollendung des Ethischen durch dessen Beziehung auf das in der sittlichen Weltordnung sich manifestierende Prinzip, die Idee der Gottheit, die theoretisch keine Erkenntnis bietet, aber für den Abschluß der sittlichen Weltanschauung von höchstem Werte ist (s. Gott, Glaube, Postulate). Das Positive der historischen Religion (bzw. des Christentums als deren höchsten Form) muß als Symbol für das göttliche Prinzip der sittlichen Weltordnung und unserer Beziehungen zu ihm aufgefaßt werden.

Wir werden Handlungen nicht darum für verbindlich halten, weil sie Gebote Gottes sind, sondern „sie darum als göttliche Gebote ansehen, weil wir dazu innerlich verbindlich sind“ Wir werden nur sofern glauben, „dem göttlichen Willen gemäß zu sein“, als wir das Sittengesetz „heilig halten“ und „das Weltbeste an uns und an anderen befördern“, KrV tr. Meth. 2. H. 2. Abs. (I 676 f.—Rc 829); vgl. Gott. Religion ist die „Erkenntnis aller Pflichten als göttlicher Gebote, nicht als Sanktionen, d. i. willkürlicher, für sich selbst zufälliger Verordnungen eines fremden Willens, sondern als wesentlicher Gesetze eines jeden freien Willens für sich selbst, die aber dennoch als Gebote des höchsten Wesens angesehen werden müssen, weil wir nur von einem moralisch vollkommenen (heiligen und gütigen), zugleich auch allgewaltigen Willen das höchste Gut, welches zum Gegenstande unserer Bestrebung zu setzen um das moralische Gesetz zur Pflicht macht, und also durch Übereinstimmung mit diesem Willen dazu zu gelangen hoffen können“, KpV 1. T. 2. B. 2. H. V (II 165); vgl. Gott. Für den seiner aufrichtigen gottgefälligen Gesinnung sich bewußten Menschen nur ist die Gottheit etwas Erhabenes, nicht bloß Furcht Einflößendes. So nur unterscheidet sich innerlich Religion von „Superstition“, „welche letztere nicht Ehrfurcht für das Erhabene, sondern Furcht und Angst vor dem übermächtigen Wesen, dessen Willen der erschreckte Mensch sich unterworfen sieht, ohne ihn doch hochzuschätzen, im Gemüte gründet; woraus denn freilich nichts als Gunstbewerbung und Einschmeichelung, statt einer Religion des guten Lebenswandels, entspringen kann“, KU § 28 (II 109 f.). Die moralische Teleologie (bzw. die „Ethikotheologie“ s. d.) führt zur Religion, d. h. der Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote, „weil die Erkenntnis unserer Pflicht und des darin uns durch Vernunft auferlegten Endzwecks den Begriff von Gott zuerst bestimmt hervorbringen konnte, der also schon in seinem Ursprunge von der Verbindlichkeit gegen dieses Wesen unzertrennlich ist“. Eine nicht so, sondern theoretisch gegründete Religion muß „den Anstrich von Zwang und abgenötigter Unterwerfung“ bei sich führen, statt der wahrhaften Ehrfurcht, die gänzlich von pathologischer Furcht unterschieden ist, KU Allgem. Anmerk. zur Teleologie (II 357 f.).

Alle Religionen kann man in die der „Gunstbewerbung“ (des bloßen Kultus) und die „moraische“ (des guten Lebenswandels) einteilen. „Nach der ersteren schmeichelt sich entweder der Mensch: Gott könne ihn wohl ewig glücklich machen, ohne daß er eben nötig habe, ein besserer Mensch zu werden (durch Erlassung seiner Verschuldungen, oder auch, wenn ihm dieses nicht möglich zu sein scheint: Gott könne ihn wohl zum besseren Menschen machen, ohne daß er selbst etwas mehr dabei zu tun habe, als darum zu bitten.“ „Nach der moralischen Religion aber (dergleichen unter allen öffentlichen, die es je gegeben hat, allein die christliche ist) ist es ein Grundsatz: daß ein jeder soviel, als in seinen Kräften ist, tun müsse, um ein besserer Mensch zu werden“, und nur dann hoffen könne, es werde das, was nicht in seinem Vermögen ist, durch höhere Mitwirkung ergänzt werden, Rel. 1. St. Allg. Anmerk. (IV 56). Eine moralische Religion besteht nicht in Satzungen und Observanzen, sondern in der „Herzensgesinnung zu Beobachtung aller Menschenpflichten als göttlicher Gebote“, ibid. 2. St. Allg. Anmerk. (IV 95). „Es ist nur eine (wahre) Religion; aber es kann vierlerlei Arten des Glaubens geben.“ In den verschiedenen Kirchen kann dennoch eine und dieselbe wahre Religion anzutreffen sein, ibid. 3. St. 1. Abt. V (IV 123 f.). Der „reine Religionsglaube“ ist vom „statutarischen Kirchenglauben“ zu unterscheiden, welcher in jenem seinen „höchsten Ausleger“ haben muß. Die Auslegung der Offenbarung in den hl. Schriften muß gemäß dem moralischen Glauben im Sinne des Sittengesetzes erfolgen, ibid. VI (IV 125 ff.). Das Historische, das nicht zur Besserung der Menschen beitragt, ist „etwas an sich ganz Gleichgültiges, mit dem man es halten kann wie man will“, der Geschichtsglaube ist an sich ohne moralischen Wert. Die reine „Vernunftreligion“ ist „der Geist Gottes, der uns in alle Wahrheit leitet“. „Alles Forschen und Auslegen der Schrift muß von dem Prinzip ausgehen, diesen Geist darin zu suchen“, ibid. (IV 128 f.). Es gibt keine Norm des Kirchenglaubens als die Schrift und keinen anderen Ausleger desselben als reine Vernunftreligion und Schriftgelehrsamkeit, ibid. (IV 131). „Der allmähliche Übergang des Kirchenglaubens zur Alleinherrschaft des reinen Religionsglaubens ist die Annäherung des Reiches Gottes“, ibid. VII (IV 132). Die Religion wird schließlich von allen Statuten, welche auf Geschichte beruhen, allmählich frei werden, und die reine Vernunftreligion wird über alle herrschen, ibid. (IV 140 f.). Mag auch der Kirchenglaube sich noch als nützliches Vehikel erhalten, so muß er doch dann entbehrlich sein können. Die „kirchliche Glaubenseinheit mit der Freiheit in Glaubenssachen zu vereinigen“, ist eine Idee, die als „praktisches regulatives Prinzip“ objektive Realität hat, um auf diesen Zweck der Einheit der Vernunftreligion hinzuwirken, ibid. VII 2. Anm. (IV 141 f.).

Von der Religion kann man keine Universalhistorie verlangen, denn sie ist, als auf den reinen moralischen Glauben gegründet, kein öffentlicher Zustand, sondern jeder kann sich der Fortschritte, die er in demselben gemacht hat, nur für sich selbst bewußt sein. „Der Kirchenglaube ist es daher allein, von dem man eine allgemeine historische Darstellung erwarten kann, indem man ihn nach seiner verschiedenen und veränderlichen Form mit dem alleinigen, unveränderlichen, reinen Religionsglauben vergleicht.“ Diese Geschichte enthält nichts als „die Erzählung von dem beständigen Kampf zwischen dem gottesdienstlichen und dem moralischen Religionsglauben“, Rel. 3. St. 2. Abt. (IV 143); vgl. Christentum. „Religion ist (subjektiv betrachtet) die Erkenntnis aller unserer Pflichten als göttlicher Gebote“, ibid. 4. St. 1. T. (IV 179). Es wird in der Religion „kein assertorisches Wissen (selbst des Daseins Gottes nicht) gefordert“, sondern nur, theoretisch, ein „problematisches Annehmen (Hypothesis)“ und, praktisch, ein „freies assertorisches Glauben“ vorausgesetzt, „welches nur der Idee von Gott, auf die alle moralische ernstliche (und darum gläubige) Bearbeitung zum Guten unvermeidlich geraten muß, bedarf, ohne sich anzumaßen, ihr durch theoretische Erkenntnis die objektive Realität sichern zu können“. „Zu dem, was jedem Menschen zur Pflicht gemacht werden kann, muß das Minimum der Erkenntnis (es ist möglich, daß ein Gott sei) subjektiv schon hinreichend sein.“ Es gibt ferner in einer allgemeinen Religion „keine besonderen Pflichten gegen Gott“, „denn Gott kann von uns nichts empfangen; wir können auf und für ihn nicht wirken“, ibid. 1. Anm. (IV 179). Diejenige Religion, „in welcher ich vorher wissen muß, daß etwas ein göttliches Gebot sei, um es als meine Pflicht anzuerkennen, ist die geoffenbarte (oder einer Offenbarung benötigte) Religion“. Diejenige hingegen, „in der ich zuvor wissen muß, daß etwas Pflicht sei, ehe ich es für ein göttliches Gebot anerkennen kann, ist die natürliche Religion“, ibid. 1. T. (IV 179 f.). Nach ihrer Mitteilungsfähigkeit gibt es die „natürliche“, von der jeder durch seine Vernunft überzeugt werden kann, und die „gelehrte“ Religion. „Es kann... eine Religion die natürliche, gleichwohl aber auch geoffenbart sein, wenn sie so beschaffen ist, daß die Menschen durch den bloßen Gebrauch ihren Vernunft auf sie von selbst hätten kommen können und sollen, ob sie zwar nicht so früh oder in so weiter Ausbreitung, als verlangt wird, auf dieselbe gekommen sein würden, mithin eine Offenbarung derselben zu einer gewissen Zeit und an einem gewissen Orte weise und für das menschliche Geschlecht sehr ersprießlich sein konnte, so doch, daß, wenn die dadurch eingeführte Religion einmal da ist und öffentlich bekannt gemacht worden, forthin jedermann sich von dieser ihrer Wahrheit durch sich selbst und seine eigene Vernunft überzeugen kann. In diesem Falle ist die Religion objektiv eine natürliche, obwohl subjektiv eine geoffenbarte; weshalb ihr auch der erstere Name eigentlich gebührt.“ Auch jede geoffenbarte Religion muß gewisse Prinzipien der natürlichen Religion enthalten; denn Offenbarung (s. d.) kann zum Begriff einer Religion „nur durch die Vernunft hinzugedacht werden“, weil „dieser Begriff selbst, als von einer Verbindlichkeit unter dem Willen eines moralischen Gesetzgebers abgeleitet, ein reiner Vernunftbegriff ist“, ibid. (IV 181 f.). Aus der Bibel (s. d.) läßt sich „das was uns darin reine, mithin allgemeine Vernunftreligion sein mag, heraussuchen“, ibid. (IV 182 f.); vgl. Bibel, Christentum. „Die wahre alleinige Religion enthält nichts als Gesetze, d. i. solche praktische Prinzipien, deren unbedingter Notwendigkeit wir uns bewußt werden können, die wir also als durch reine Vernunft (nicht empirisch) offenbart anerkennen. Nur zum Behuf einer Kirche, deren es verschiedene gleich gute Formen geben kann, kann es Statuten, d. i. für göttlich gehaltene Verordnungen geben, die für unsere reine moralische Beurteilung willkürlich und zufällig sind. Diesen statutarischen Glauben nun (der allenfalls auf ein Volk eingeschränkt ist und nicht die allgemeine Weltreligion enthalten kann) für wesentlich zum Dienste Gottes überhaupt zu halten und ihn zur obersten Bedingung des göttlichen Wohlgefallens am Menschen zu machen, ist ein Religionswahn, dessen Befolgung ein Afterdienst, d. i. eine solche vermeintliche Verehrung Gottes ist, wodurch dem wahren, von ihm selbst geforderten Dienste gerade entgegengehandelt wird“, ibid. 4. St. 2. T. (IV 196 f.). „Alles, was außer dem guten Lebenswandel der Mensch noch tun zu können vermeint, um Gott wohlgefällig zu werden, ist bloßer Religionswahn und Afterdienst Gottes“, ibid. § 2 (IV 199). Hierbei ist jede Art des mechanischen Gottesdienstes gleich wenig wertvoll, ibid. (IV 202 f.). „Der Wahn, durch religiöse Handlungen des Kultus etwas in Ansehung der Rechtfertigung vor Gott auszurichten, ist der religiöse Aberglaube, sowie der Wahn, dieses durch Bestrebung zu einem vermeintlichen Umgange mit Gott bewirken zu wollen, die religiöse Schwärmerei.“ „Der allem Religionswahn abhelfende oder vorbeugende Grundsatz eines Kirchenglaubens ist also: daß dieser neben den statutarischen Sätzen, deren er vorjetzt nicht gänzlich entbehren kann, doch zugleich ein Prinzip in sich enthalten müsse, die Religion des guten Lebenswandels als das eigentliche Ziel, um jener dereinst gar entbehren zu können, herbeizuführen“, ibid. (IV 204 f.). „Die Verehrung mächtiger unsichtbarer Wesen, welche dem hilflosen Menschen durch die natürliche, auf dem Bewußtsein seines Unvermögens gegründete Furcht abgenötigt wurde, fing nicht sogleich mit einer Religion, sondern von einem knechtischen Gottes- (oder Götzen-) Dienste an“, ibid. § 3 (IV 205). Man hat hier die Absicht, „die unsichtbare Macht, welche über das Schicksal der Menschen gebietet, zu ihrem Vorteil zu lenken“, ibid. (IV 206). Man ist hier im Wahne des Besitzes einer „Kunst, durch ganz natürliche Mittel eine übernatürliche Wirkung zuwege zu bringen“, d. h. des „Zauberns“ oder des „Fetischmachens“, ibid. (IV 207 f.). Das „Pfaffentum“ (s. d.) ist „die Verfassung einer Kirche, sofern in ihr ein Fetischdienst regiert, welches allemal da anzutreffen ist, wo nicht Prinzipien der Sittlichkeit, sondern statutarische Gebote, Glaubensregeln und Observanzen die Grundlage und das Wesentliche desselben ausmachen“. Durch diesen „Fetischglauben“ wird das Volk seiner moralischen Freiheit beraubt, es herrscht ein Klerus, der allein in Glaubenssachen die Autorität hat, zuletzt auch den Staat beherrscht und durch „Gewöhnung an Heuchelei“ die Untertanen „zum Scheindienst auch in bürgerlichen Pflichten abwitzigt“, ibid. (IV 210 f.).

Das Gesetz der Moralität führt schon allein auf den Glauben an Gott oder bestimmt wenigstens allein seinen Begriff als den eines moralischen Gesetzgebers. Der „Moralisch-Gläubige“ ist dann auch für den Geschichtsglauben offen, sofern er ihn zur Belebung seiner reinen Religionsgesinnung zuträglich findet. Die reine moralische Verehrung Gottes hat zum Inhalt des Religionsvortrages die „Gottseligkeitslehre“ (religio) und die „Tugendlehre“. „Gottseligkeit“ enthält „zwei Bestimmungen der moralischen Gesinnung im Verhältnisse auf Gott; Furcht Gottes ist diese Gesinnung in Befolgung seiner Gebote aus schuldiger (Untertanen-)Pflicht, d. i. aus Achtung fürs Gesetz; Liebe Gottes aber aus eigener freier Wahl und aus Wohlgefallen am Gesetze (aus Kindespflicht)“. Die Tugendlehre besteht durch sich selbst und ist der Gottseligkeitslehre voranzuschicken; letztere ist nur ein Mittel, die Tugendgesinnung zu stärken, dadurch, daß sie die Erwartung des Endzwecks verheißt und sichert, Rel. 4. St. 2. T. § 3 (IV 212 ff.). „Wenn die Verehrung Gottes das Erste ist, der man also die Tugend unterordnet, so ist dieser Gegenstand ein Idol, d. i. e wird als ein Wesen gedacht, dem wir nicht durch sittliches Wohlverhalten in der Welt, sondern durch Anbetung und Einschmeichelung zu gefallen hoffen dürften; die Religion aber ist alsdann Idiolatrie. Gottseligkeit ist also nicht ein Surrogat der Tugend, um sie zu entbehren, sondern die Vollendung derselben, um mit der Hoffnung der endlichen Gelingung aller unserer guten Zwecke bekrönt werden zu können“, ibid. (IV 217). Aller religiöser „Probabilismus“ ist abzuweisen, denn man soll nichts auf die Gefahr wagen, daß es unrecht sei. Die echte „Sicherheitsmaxime“ der Religion ist die: „was als Mittel oder als Bedingung der Seligkeit mir nicht durch meine eigene Vernunft, sondern nur durch Offenbarung bekannt und vermittelst eines Geschichtsglaubens allein in meine Bekenntnisse aufgenommen werden kann, übrigens aber den reinen moralischen Grundsätzen nicht widerspricht, kann ich zwar nicht für gewiß glauben und beteuern, aber auch ebensowenig als gewiß falsch abweisen. Gleichwohl, ohne etwas hierüber zu bestimmen, rechne ich darauf, daß, was darin Heilbringendes enthalten sein mag, mir, sofern ich mich nicht etwa durch den Mangel der moralischen Gesinnung in einem guten Lebenswandel dessen unwürdig mache, zugute kommen werde“, ibid. § 4 (IV 221); vgl. Gewissen. „Pfaffentum“ ist „die usurpierte Herrschaft der Geistlichkeit über die Gemüter ..., dadurch, daß sie im ausschließlichen Besitz der Gnadenmittel zu sein sich das Ansehen gäbe“. Die „Gnadenmittel“ als solche sind ein abergläubischer Wahn, ein Fetischdienst; nur als sinnliche Mittel zur Belebung und Stärkung der sittlichen Gesinnung, zur Anregung religiös-sittlicher Gefühle sind Gebet, Kirchengehen, Taufe und Kommunion von Wert. Der „moralische Geist des Gebets“ ist „ein herzlicher Wunsch, Gott in allem unseren Tun und Lassen wohlgefällig zu sein, d. i. die alle unsere Handlungen begleitende Gesinnung, sie, als ob sie im Dienste Gottes geschehen, zu betreiben“. Der Glaube aber, durch Beten auf Gottes Willen einwirken zu können, ist Religionswahn, ibid. 4. St. Allg. Anmerk. (IV 228 ff.). Das Kirchengehen ist ebenfalls nicht an sich ein Gnadenmittel, sondern ein Mittel zur Erbauung der Menschen und eine „ihnen als Bürgern eines hier auf Erden vorzustellenden göttlichen Staates, für das Ganze unmittelbar obliegende Pflicht“, ibid. (IV 232 f.). Auch die Taufe (Einweihung in die Kirchengemeinschaft) und Kommunion zielt auf die Idee des „göttlichen Staates“ hin, in den man eintritt, ibid. (IV 233). Nur die Vereinigung der Tugend („der Anwendung eigener Kräfte zur Beobachtung der von ihm verehrten Pflicht“) mit der Frömmigkeit („einer passiven Verehrung des göttlichen Gesetzes“) konstituiert die Idee der Gottseligkeit oder wahren „Religionsgesinnung“. Der rechte Weg ist nicht, „von der Begnadigung: zur Tugend, sondern vielmehr von der Tugend zur Begnadigung fortzuschreiten“, ibid. (IV 236).

Es mag eine Aufgabe für den Altertumsforscher sein, „auch an dem Leitfaden der Sprachverwandtschaft dem Ursprunge der jetzigen Religionsbegriffe mancher Völker nachzugehen“, Ende a. D. 1. Anm. (VI 159).

Der „Religionsglaube“ ist derjenige Glaube, „der auf inneren Gesetzen beruht, die sich aus jedes Menschen eigener Vernunft entwickeln lassen“. „Daß dieses so sei, d. i. daß Religion nie auf Satzungen (so hohen Ursprungs sie immer sein mögen) gegründet werden könne, erhellt selbst aus dem Begriffe der Religion Nicht der Inbegriff gewisser Lehren als göttlicher Offenbarungen (denn der heißt Theologie), sondern der aller unserer Pflichten überhaupt als göttlicher Gebote (und subjektiv der Maxime, sie als solche zu befolgen) ist Religion.“ Religion „unterscheidet sich nicht der Materie, d. i. dem Objekt nach in irgendeinem Stücke von der Moral, denn sie geht auf Pflichten überhaupt, sondern ihr Unterschied von dieser ist bloß formal, d. i. eine Gesetzgebung der Vernunft, um der Moral durch die aus dieser selbst erzeugte Idee von Gott auf den menschlichen Willen zu Erfüllung aller seiner Pflichten Einfluß zu geben. Darum ist sie aber auch nur eine einzige, und es gibt nicht verschiedene Religionen, aber wohl verschiedene Glaubensarten an göttliche Offenbarung und deren statutarische Lehren, die nicht aus der Vernunft entspringen können, d. i. verschiedene Formen der sinnlichen Vorstellungsart des göttlichen Willens, um ihm Einfluß auf die Gemüter zu verschaffen, unter denen das Christentum, soviel wir wissen, die schicklichste Form ist“, Str. d. Fak. 1. Abs. II Anh. einer Erläuterung I (V 4, 77 f.). „Religion ist derjenige Glaube, der das Wesentliche aller Verehrung Gottes in die Moralität des Menschen setzt, Heidentum, der es nicht darein setzt.“ Der „reine Religionsglaube“ hat „Anspruch auf Allgemeingültigkeit“. „Moralische“ Glaubenssätze sind „mit dem Bewußtsein ihrer Notwendigkeit verbunden und a priori erkennbar, d. i. Vernunftlehren des Glaubens“, ibid. Allg. Anmerk. (V 4, 93). „Verschiedenheit der Religionen: ein wunderlicher Ausdruck! Gerade, als ob man auch von verschiedenen Moralen spräche. Es kann wohl verschiedene Glaubensarten historischer, nicht in die Religion, sondern in die Geschichte der zu ihrer Beförderung gebrauchten, ins Feld der Gelehrsamkeit einschlagenden Mittel und ebenso verschiedene Religionsbücher... geben, aber nur eine einzige, für alle Menschen und in allen Zeiten gültige Religion“, Z. ew. Fried. 2. Abs. 1. Zusatz 4. Anm. (VI 147).

Religion ist nichts anderes als „Tugend, sofern sie zu ihrem moralischen Endzwecke hinstrebt, dessen subjektive Bedingung die Heiligkeit, die Gesinnung aber derselben die Gottseligkeit heißt, welche selbst nur eine Idee der vollendeten Moralität und Tugend ist“, Lose Bl. E 48. „Es scheint zwar, daß ohne einen vorhergehenden bestimmten Begriff von Gott es gar keine Religion geben könne: es ist aber ganz umgekehrt, die Religion muß vorhergehen und der bestimmte Begriff von Gott nur aus ihr hervorgehen“, ibid. G 11; vgl. G 3. Religion innerhalb, nicht aus bloßer Vernunft, denn es sollte nicht die Religion als mit Ausschluß aller Offenbarung begründbar betrachtet werden, sondern nur von dem, was in der Religion als Offenbarung gilt, abstrahiert und das rein Religiöse als Vernunftprodukt herausgearbeitet werden, ibid. G 27; vgl. G 17. Religion ist nicht der Glaube an eine besondere Substanz, Altpreuß. Mth. XXI 410. Sie ist „Gewissenhaftigkeit (mihi hoc religioni), die Heiligkeit der Zusage und Wahrhaftigkeit dessen, was der Mensch sich selbst bekennen muß. Bekenne dir selbst. Diese zu haben, wird nicht der Begriff von Gott, noch weniger das Postulat: ‚es ist ein Gott‘, gefordert“, ibid. 370 Anm.; vgl. 610. „Religion ist das Gesetz in uns, insofern es durch einen Gesetzgeber und Richter über uns Nachdruck erhält; sie ist eine auf die Erkenntnis Gottes angewandte Moral.“ „Verbindet man Religion nicht mit Moralität, so wird Religion bloß zur Gunstbewerbung. Lobpreisungen, Gebete, Kirchengehen sollen nur dem Menschen neue Stärke, neuen Mut zur Besserung geben, oder der Ausdruck eines von der Pflichtvorstellung beseelten Herzens sein. Sie sind nur Vorbereitungen zu guten Werken, nicht aber selbst gute Werke, und man kann dem höchsten Wesen nicht anders gefällig werden als dadurch, daß man ein besserer Mensch werde.“ „Die Religion, die bloß auf Theologie gebaut ist, kann niemals etwas Moralisches enthalten,“ Über Pädagogik (VIII 246 f.). „Religion ohne moralische Gewissenhaftigkeit ist ein abergläubischer dienst.“ „Die wahre Gottesverehrung besteht darin, daß man nach Gottes Willen handelt, und dies muß man den Kindern beibringen“, ibid. (VIII 247).Vgl. Glaube, Theologie, Christentum, Frömmigkeit, Gebet.