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Reflexionsbegriffe

Reflexionsbegriffe. „Die Überlegung (reflexio) hat es nicht mit den Gegenständen selbst zu tun, um geradezu von ihnen Begriffe zu bekommen, sondern ist der Zustand des Gemüts, in welchem wir uns zuerst dazu anschicken, um die subjektiven Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen wir zu Begriffen gelangen können. Sie ist das Bewußtsein des Verhältnisses gegebener Vorstellungen zu unseren verschiedenen Erkenntnisquellen, durch welches allein ihr Verhältnis untereinander richtig bestimmt werden kann.“ Alle Urteile und Vergleichungen bedürfen einer Überlegung, d. h. „einer Unterscheidung der Erkenntniskraft, wozu die gegebenen Begriffe gehören“. „Die Handlung, dadurch ich die Vergleichung der Vorstellungen überhaupt mit der Erkenntniskraft zusammenhalte, darin sie angestellt wird, und wodurch ich unterscheide, ob sie als zum reinen Verstande oder zur sinnlichen Anschauung gehörend untereinander verglichen werden, nenne ich die transzendentale Überlegung.“ Das Verhältnis, in welchem die Begriffe in einem Bewußtseinszustande zueinander gehören können, ist das der „Einerleiheit“ und „Verschiedenheit“, der „Einstimmung“ und des „Widerstreites“, des „Inneren“ und des „Äußeren“, des „Bestimmbaren“ (Materie) und der „Bestimmung“ (Form). „Die richtige Bestimmung dieses Verhältnisses beruht darauf, in welcher Erkenntniskraft sie subjektiv zueinander gehören, ob in der Sinnlichkeit oder dem Verstande“, KrV tr. Anal. Anh Amphibolie der Reflexionsbegriffe (I 290 f.—Rc 354 f.). Ob die Dinge einerlei oder verschieden usw. sind, wird nicht aus den Begriffen selbst durch bloße Vergleichung ausgemacht werden können, sondern erst durch die „Unterscheidung der Erkenntnisart, wozu sie gehören, vermittelst einer transzendentalen Überlegung (reflexio)“ Diese „enthält den Grund der Möglichkeit der objektiven Komparation der Vorstellungen untereinander“, ibid. (I 292—Rc 356). Zu hüten hat man sich vor der „Amphibolie“ (s. d.) der Reflexionsbegriffe durch die „Verwechslung des empirischen Verstandesgebrauches mit dem transzendentalen“ (s. Gebrauch), wie sie besonders bei Leibniz stattfindet, der alle Dinge „bloß durch griffe“ miteinander vergleicht und nicht beachtet, daß durch die Form der sinnlichen Anschauung Verhältnisse der Dinge bedingt sind, die durch den bloßen Verstand nicht zu finden sind, ibid. Anmerk. (I 298 ff.—Rc 362 ff.); vgl. Einerleiheit, Einstimmung, Inneres, Form, Identität des Nichtzuunterscheidenden. Die „transzendentale Topik“ (s. d.) schützt vor der „transzendentalen Amphibolie“, d. h. vor der „Verwechslung des reinen Verstandesobjekts mit der Erscheinung“. Durch eine solche Amphibolie getäuscht, begründete Leibniz ein „intellektuelles System der Welt“, indem er alle Dinge nur durch Begriffe verglich und nur rein begriffliche Verschiedenheiten an ihnen fand; Erscheinung war ihm eine verworrene Vorstellung der Dinge an sich selbst. Leibnizintellektuierte die Erscheinungen“, so wie Locke — nach seinem System der „Noogonie“ — sie insgesamt „sensifizierte“. Beide sahen nicht, daß Verstand und Sinnlichkeit „zwei ganz verschiedene Quellen von Vorstellungen“ sind, die aber in Verbindung objektive Erkenntnis geben, ibid. (I 298 f.—Rc 362 f.). Die Reflexionsbegriffe „mengen sich in der Ontologie, ohne Vergünstigung und rechtmäßige Ansprüche, unter die reinen Verstandesbegriffe“, obgleich sie nur Begriffe der „bloßen Vergleichung schon gegebener Begriffe“ sind und daher eine ganz andere Natur und Gebrauch haben, Prol. § 39 (III 90). Reflexionsbegriffe nennt Kant auch die Kategorien (s. d.). — „Alle Begriffe ... sind reflektierte, d. i. in das logische Verhältnis der Vielgültigkeit gebrachte Vorstellungen. Allein es gibt Begriffe, deren ganzer Sinn nichts anderes ist als eine oder andere Reflexion, welcher vorkommende Vorstellungen können unterworfen werden. Sie können Reflexionsbegriffe (conceptus reflectentes) heißen“, N 5051.