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Dogmatismus

Dogmatismus. Der „Dogmatismus der Metaphysik, d. i. das Vorurteil, in ihr ohne Kritik der reinen Vernunft fortzukommen“, ist „die wahre Quelle alles der Moralität widerstreitenden Unglaubens, der jederzeit gar sehr dogmatisch ist“. Die Kritik (s. d.) der reinen Vernunft wendet sich gegen das leere metaphysische „Vernünfteln“; ferner ist sie ein Bollwerk gegen alle Einwürfe wider Sittlichkeit und Religion. Die „arroganten Ansprüche der Schulen“, die sich gegenüber der Menge einer höheren Einsicht rühmen, werden durch die Kritik herabgesetzt, KrV Vorr. z. 2. A. (I 37 ff.—Rc 32 ff.). Die Kritik ist aber nicht dem „dogmatischen Verfahren der Vernunft“ entgegengesetzt, denn diese muß jederzeit „dogmatisch, d. i. aus sicheren Prinzipien a priori strenge beweisend sein“, sondern nur dem „Dogmatismus, d. i. der Anmaßung, mit einer reinen Erkenntnis aus Begriffen (der philosophischen), nach Prinzipien, so wie sie die Vernunft längst im Gebrauche hat, ohne Erkundigung der Art und des Rechts, wodurch sie dazu gelangt ist, allein fortzukommen. Dogmatismus ist also das dogmatische Verfahren der reinen Vernunft, ohne vorangehende Kritik ihres eigenen Vermögens“. Im künftigen System der Metaphysik (s. d.) müssen wir aber „der strengen Methode des berühmten Wolf, des größten unter allen dogmatischen Philosophen, folgen“, nämlich was die Gründlichkeit betrifft. Denn die Philosophie muß Wissenschaft sein, man darf nicht „Arbeit in Spiel, Gewißheit in Meinung und Philosophie in Philodoxie“ verwandeln, ibid. (I 40 f.—Rc 35 ff.).

Mendelssohn dachte wohl nicht daran, „daß das Dogmatisieren mit der reinen Vernunft im Felde des Übersinnlichen der gerade Weg zur philosophischen Schwärmerei sei, und daß nur Kritik ebendesselben Vernunftvermögens diesem Übel gründlich abhelfen könne“, Was heißt: s. i. D. or. ? 3. Anm. (V 2, 153). „Unter dem Dogmatismus der Metaphysik versteht diese... das allgemeine Zutrauen zu ihren Prinzipien ohne vorhergehende Kritik des Vernunftvermögens selbst bloß um ihres Gelingens willen“, Üb. e. Entdeck. 2. Abs. (V 3, 49). Weil die apriorischen Grundsätze der Möglichkeit der Erfahrung, „wenn die Kritik sie nicht vorher als solche wohl gesichert hat, leicht für Grundsätze, welche weiter als bloß für Gegenstände der Erfahrung gelten, gehalten werden, so entspringt ein Dogmatismus in Ansehung des Übersinnlichen“, ibid. 1. Anm. (V 3, 40). Der Dogmatismus ist „ein blindes Vertrauen ... auf das Vermögen der Vernunft, ohne Kritik sich a priori durch bloße Begriffe zu erweitern, bloß um des scheinbaren Gelingens derselben“, Log. Einl. X (IV 93). „Ich fand allmählich, daß viele von den Sätzen, die wir als objektiv ansehen, in der Tat subjektiv seien, d. i. die conditiones enthalten, unter denen wir allein den Gegenstand einsehen und begreifen. Allein dadurch wurde ich zwar vorsichtig, aber nicht unterrichtet. Denn da es doch wirklich Erkenntnisse a priori gibt, die nicht lediglich analytisch sind, sondern unsere Erkenntnis erweitern, so fehlete mir eine unter Regeln gebrachte Kritik der reinen Vernunft, vor allem aber ein Kanon derselben; denn ich glaubte noch immer die Methode zu finden, die dogmatische Erkenntnis durch reine Vernunft zu erweitern. Hierzu bedurfte ich nun der Einsicht, wie überhaupt eine Erkenntnis a priori möglich sei“, N 5116. Vgl. Kritizismus, Idee, Erscheinung, Ding an sich, Paralogismen, Dialektik, Antinomie.