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Erfahrung

Erfahrung. Erfahrung bedeutet: 1. die Wahrnehmung und das durch sie Gegebene, auch das von Wahrnehmungen Abstrahierte oder aus ihnen durch Induktion Gewonnene. Solche Erfahrung hat nur komparative, nicht strenge Allgemeinheit (s. d.) und Notwendigkeit, sie ist wandelbar, aber ein unentbehrliches Fundament der Erkenntnis. Diese stammt aber nicht bloß aus der Erfahrung, sondern enthält Faktoren, die von ihr unabhängig, a priori (s. d.) gelten und im Subjekte selbst ihre Quelle haben. Diese apriorischen Faktoren, die Anschauungsformen, Kategorien und transzendentalen Grundsätze (s. d.) sind Bedingungen der 2. Erfahrung im engeren Sinne, des allgemeingültigen Zusammenhanges von Daten zu einer Erfahrung und des Prozesses der Verknüpfung solcher Daten zu objektiver Einheit. Die Erfahrung in diesem Sinne besteht also aus etwas rein Empirischem und etwas Apriorischem; sie ist selbst schon ein Erzeugnis des Intellekts, des Verstandes, und setzt etwas als gültig voraus, was sich zwar in ihr konstant bewährt, aber nicht auf Wahrnehmung und Induktion sich stützt. Alle Erkenntnis ist erfahrende, in Erfahrungen fortschreitende Erkenntnis, aber die Erfahrung überhaupt ist nicht gegeben, sondern Verarbeitung eines sinnlich Gegebenen durch apriorische Erkenntnisformen. Die Erkenntnis ist, soweit sie nicht rein formal ist. auf Erfahrung bezogen; was prinzipiell nicht erfahrbar ist, ist auch unerkennbar (nicht undenkbar). Die Erfahrung stimmt mit den Objekten überein, entspricht ihnen, weil die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung zugleich die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrungsobjekte sind. Ebendieselben Funktionen und Voraussetzungen, welche objektive Erfahrung ermöglichen, konstituieren, ermöglichen auch jene Einheitssynthesen, in welchen sich die Objekte der Erfahrung darstellen. Das Erfahrbare ist nichts, was von außen her in das Bewußtsein aufgenommen wird; es ist zwar Erscheinung eines „Ding an sich“, aber dieses selbst ist unerkennbar, ist nicht Gegenstand der Erfahrung, sondern das, was diesem zugrunde liegt. Innerhalb möglicher Erfahrung kann die Erkenntnis unbegrenzt fortschreiten, auf feste, unwandelbare Grundsätze der Erfahrungserzeugung sich stützend. Das Apriorische der Erkenntnis dient zu nichts anderem als dem Ziele der Erfahrung selbst, es geht auch beständig in sie ein. Die äußere Erfahrung ist ebenso unmittelbar und hat ebensolche Realität wie die innere (s. d.); vgl. Idealismus.

„In dem Sinnlichen aber und den Erscheinungen heißt das, was dem logischen Gebrauche des Verstandes vorhergeht, das Erscheinende, dagegen die reflektierte Erkenntnis, welche aus der mittelst des Verstandes erfolgenden Vergleichung mehrerer Erscheinungen hervorgeht, heißt Erfahrung. Der Weg von dem Erscheinen zur Erfahrung führt daher nur durch die Reflexion gemäß dem logischen Gebrauche des Verstandes. Die allgemeinen Begriffe der Erfahrung werden empirische genannt und ihre Gegenstände Erscheinungen; die Gesetze aber sowohl der Erfahrung als überhaupt aller sinnlichen Erkenntnis heißen die Gesetze der Erscheinungen“, Mund. sens. § 5 (V 2, 98 f.). Erfahrung selbst ist eine „Erkenntnisart“, „die Verstand erfordert, dessen Regel ich in mir, noch ehe mir Gegenstände gegeben werden, mithin a priori voraussetzen muß“. Die Gegenstände der Erfahrung (als Erscheinungen) müssen sich nach den apriorischen „Formen“ der Anschauung und des Denkens richten, KrV Vorr. z. 2. A. (I 29—Rc 23 f.); vgl. Erkenntnis, Metaphysik. „Daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden, geschähe es nicht durch Gegenstände, die unsere Sinne rühren und teils von selbst Vorstellungen bewirken, teils unsere Verstandestätigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verknüpfen oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindrücke zu einer Erkenntnis der Gegenstände zu verarbeiten, die Erfahrung heißt? Der Zeit nach geht also keine Erkenntnis in uns vor der Erfahrung vorher, und mit dieser fängt alle an.“ „Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung. Denn es könnte wohl sein, daß selbst unsere Erfahrungserkenntnis ein Zusammengesetztes aus dem sei, was wir durch Eindrücke empfangen, und dem, was unser eigenes Erkenntnisvermögen (durch sinnliche Eindrücke bloß veranlaßt) aus sich selbst hergibt, welchen Zusatz wir von jenem Grundstoffe nicht eher unterscheiden, als bis lange Übung uns darauf aufmerksam und zur Absonderung desselben geschickt gemacht hat“, KrV Einl. I (I 47—Rc 45). Erfahrung „lehrt uns zwar, daß etwas so ist oder so beschaffen sei, aber nicht, daß es nicht anders sein könne“. „Erfahrung gibt niemals ihren Urteilen wahre oder strenge, sondern nur angenommene und komparative Allgemeinheit (durch Induktion), so daß es eigentlich heißen muß: so viel wir bisher wahrgenommen haben, findet sich von dieser oder jener Regel keine Ausnahme“, ibid. Einl. II (I 49—Rc 49). Zur „Möglichkeit der Erfahrung selbst“ bedarf es aber „reiner Grundsätze a priori“. „Denn wo wollte selbst die Erfahrung ihre Gewißheit hernehmen, wenn alle Regeln, nach denen sie fortgeht, immer wieder empirisch, mithin zufällig wären“, ibid. (150—Rc 51). Die Erfahrung ist „eine synthetische Verbindung der Anschauungen“, ibid. IV (I 57—Rc 63). Alle Erfahrung enthält außer der Anschauung der Sinne, wodurch etwas gegeben wird, noch einen „Begriff von einem Gegenstande, der in der Anschauung gegeben wird oder erscheint“. Demnach liegen „Begriffe von Gegenständen überhaupt, als Bedingungen a priori“, aller Erfahrungserkenntnis zugrunde, und die objektive Gültigkeit der Kategorien beruht also darauf, daß durch sie allein Erfahrung möglich ist. „Denn alsdann beziehen sie sich notwendigerweise und a priori auf Gegenstände der Erfahrung, weil nur vermittelst ihrer überhaupt irgendein Gegenstand der Erfahrung gedacht werden kann.“ Sie sind „Bedingungen a priori der Möglichkeit der Erfahrungen“, geben den „objektiven Grund der Möglichkeit der Erfahrung“ ab. Was Hume sich nicht einfallen ließ, ist: daß der Verstand „durch diese Begriffe selbst Urheber der Erfahrung, worin seine Gegenstände angetroffen werden, sein könne“, ibid. tr. Anal. § 14 (I 146 f.—Rc 167). Erfahrung ist nur möglich durch die Synthesis der Apprehension (s. d.), d. h. „die Zusammensetzung des Mannigfaltigen in einer empirischen Anschauung“. Da diese der Einheit der transzendentalen Apperzeption (s. d.) und den Kategorien (s. d.) gemäß sein muß, so sind die letzteren „Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung“ und gelten also „a priori von allen Gegenständen der Erfahrung“, ibid. § 26 (I 170 ff.—Rc 217 f.). „Wir können uns keinen Gegenstand denken, ohne durch Kategorien; wir können keinen gedachten Gegenstand erkennen, ohne durch Anschauungen, die jenen Begriffen entsprechen. Nun sind alle unsere Anschauungen sinnlich, und diese Erkenntnis, sofern der Gegenstand derselben gegeben ist, ist empirisch. Empirische Erkenntnis aber ist Erfahrung. Folglich ist uns keine Erkenntnis a priori möglich, als lediglich von Gegenständen möglicher Erfahrung.“ Die Erfahrung selbst ist bedingt durch die Kategorien (s. d.) und die apriorischen Grundsätze, welche die obersten, allgemeinsten Gesetze (s. d.) für alles Erfahrbare setzen, ibid. tr. Anal. § 27 (I 174 ff.— Rc 225 ff.). „In dem Ganzen aller möglichen Erfahrung liegen ... alle unsere Erkenntnisse“, ibid. tr. Anal. 2. B. 1. H. (I 189—Rc 244). Die „Möglichkeit der Erfahrung“ ist das, was allen unseren Begriffen und Erkenntnissen a priori „objektive Realität“ (s. d.) gibt. Erfahrung beruht auf der „synthetischen Einheit der Erscheinungen“, d. h. auf einer „Synthesis nach Begriffen vom Gegenstande der Erscheinungen überhaupt, ohne welche sie nicht einmal Erkenntnis, sondern eine Rhapsodie von Wahrnehmungen sein würde, die sich in keinem Kontext nach Regeln eines durchgängig verknüpften (möglichen) Bewußtseins, mithin auch nicht zur transzendentalen und notwendigen Einheit der Apperzeption zusammen schicken würden“. „Die Erfahrung hat also Prinzipien ihrer Form a priori zum Grunde liegen, nämlich allgemeine Regeln der Einheit in der Synthesis der Erscheinungen, deren objektive Realität, als notwendige Bedingungen, jederzeit in der Erfahrung, ja sogar ihrer Möglichkeit gewiesen werden kann.“ Erfahrung, als „empirische Synthesis“, ist die einzige Erkenntnisart, welcher aller anderen Synthesis Realität gibt; so hat die Erkenntnis (Synthesis) a priori nur dadurch „Wahrheit“, d. h. „Einstimmung mit dem Objekt“, daß sie „nichts weiter enthält, als was zur synthetischen Einheit der Erfahrung überhaupt notwendig ist“. Die Möglichkeit „synthetischer Urteile a priori“ (vgl. Grundsätze) liegt darin: „die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung, und haben darum objektive Gültigkeit in einem synthetischen Urteile a priori“. Die Bedingungen der möglichen Erfahrung selbst aber sind: „die formalen Bedingungen der Anschauung a priori“ (Anschauungsformen), „die Synthesis der Einbildungskraft“ und „die notwendige Einheit derselben in einer transzendentalen Apperzeption“, ibid. tr. Anal. 2. B. 2. H. 2. Abs. (I 196 ff.—Rc 252 ff.). Erfahrung selbst ist nur möglich durch oberste „transzendentale“, „ursprüngliche“ Gesetze (s. d.). Es sind „Regeln der synthetischen Einheit a priori“, vermittelst deren wir die Erfahrung „antizipieren“ können, ibid. 3. Abs. 3, 3. Analogie (I 247 f.—Rc 307 ff.). Alles, was der reine Verstand (s. d.) aus sich selbst schöpft, das hat er nur zum „Erfahrungsgebrauch“, ibid. 2. B. 3. H. (I 271—Rc 333). Alle seine Begriffe und Grundsätze a priori beziehen sich zuletzt auf „empirische Anschauungen, d. i. auf data zur möglichen Erfahrung“, ibid. (I 273—Rc 335).

„Erfahrung ist ohne Zweifel das erste Produkt, welches unser Verstand hervorbringt, indem er den rohen Stoff sinnlicher Empfindungen bearbeitet. Sie ist eben dadurch die erste Belehrung und im Fortgange so unerschöpflich an neuem Unterricht, daß das zusammengekettete Leben aller künftigen Zeugungen an neuen Kenntnissen, die auf diesem Boden gesammelt werden können, niemals Mangel haben wird. Gleichwohl ist sie bei weitem nicht das einzige Feld, darin sich unser Verstand einschränken läßt. Sie sagt uns zwar, was da sei, aber nicht, daß es notwendigerweise so und nicht anders sein müsse. Eben darum gibt sie uns auch keine wahre Allgemeinheit, und die Vernunft, welche nach dieser Art von Erkenntnissen so begierig ist, wird durch sie mehr gereizt als befriedigt.“ Selbst unter unsere Erfahrungen mengen sich Erkenntnisse, die ihren Ursprung a priori (s. d.) haben müssen, KrV 1. A. Einl. (I 51—Rc 44). Die „Bedingungen der Möglichkeit aller Erfahrung“ sind enthalten in drei „ursprünglichen Quellen (Fähigkeiten oder Vermögen der Seele)“: Sinn, Einbildungskraft und Apperzeption. „Darauf gründet sich 1. die Synopsis des Mannigfaltigen a priori durch den Sinn; 2. die Synthesis dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft; endlich 3. die Einheit dieser Synthesis durch ursprüngliche Apperzeption. Alle diese Vermögen haben außer dem empirischen Gebrauche noch einen transzendentalen, der lediglich auf die Form geht und a priori möglich ist“, ibid. tr. Anal. § 14 (I 147—Rc 167). „Es ist nur eine Erfahrung, in welcher alle Wahrnehmungen als im durchgängigen und gesetzmäßigen Zusammenhange vorgestellt werden ... Wenn man von verschiedenen Erfahrungen spricht, so sind es nur so viel Wahrnehmungen, sofern solche zu einer und derselben allgemeinen Erfahrung gehören. Die durchgängige und synthetische Einheit der Wahrnehmungen macht nämlich gerade die Form der Erfahrung aus, und sie ist nichts anderes als die synthetische Einheit der Erscheinungen nach Begriffen.“ „Die Bedingungen a priori einer möglichen Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung“, ibid. tr. Anal. 1. B. 2. H. 2 Abs. 4 (I 715 f.—Rc 192 f.). Ohne die Einheit des Bewußtseins, welche durch die Kategorien sich in der Mannigfaltigkeit der Wahrnehmungen manifestiert, würden die Wahrnehmungen „zu keiner Erfahrung gehören, folglich ohne Objekt, und nichts als ein blindes Spiel der Vorstellungen, d. i. weniger als ein Traum sein“, ibid. (I 717—Rc 194); vgl. Apperzeption, Einheit, Synthese. Die „wirkliche Erfahrung“ besteht aus der Apprehension (s. d.), Assoziation (Reproduktion, s. d.) und Rekognition (s. d.). Sie enthält „Begriffe, welche die formale Einheit der Erfahrung und mit ihr alle objektive Gültigkeit (Wahrheit) der empirischen Erkenntnis möglich machen“. Es sind dies die Kategorien, ibid. 3. Abs. (I 726—Rc 214). Der reine Verstand (s. d.) ist, vermittelst der Kategorien, „ein formales und synthetisches Prinzipium aller Erfahrungen“. Er gibt die Gesetze für die Synthesis der (produktiven) Einbildungskraft (s. d.), welche, die Wahrnehmungen verknüpfend, Erfahrung aus ihnen macht, ibid. (I 721 ff.—Rc 204 ff.). Der Verstand ist die „Gesetzgebung für die Natur“, der „Quell der Gesetze der Natur“. Die Natur, als Gegenstand der Erkenntnis in einer Erfahrung, ist nur in der Einheit der Apperzeption, im Verstande möglich. „Alle Erscheinungen liegen also als mögliche Erfahrungen ebenso a priori im Verstande und erhalten ihre formale Möglichkeit von ihm, wie sie als bloße Anschauungen in der Sinnlichkeit liegen und durch dieselbe der Form nach allein möglich sind“, ibid. (I 727—Rc 218).

Erfahrung ist „eine kontinuierliche Zusammenfügung (Synthesis) der Wahrnehmungen“, Prol. § 5 (III 26). Erfahrung lehrt uns zwar, „was da sei, und wie es sei, niemals aber, daß es notwendigerweise so und nicht anders sein müsse“, ibid. § 14 (III 51). Hier bedeutet Erfahrung den Wahrnehmungsbestandteil eines Erfahrungsurteils (s. d.), nicht dieses selbst, welches einen apriorischen Faktor (Kategorie) enthält. Erfahrung ist ein „Produkt der Sinne und des Verstandes“, es liegt ihr ein Urteil zugrunde, durch welches eine gegebene Anschauung einem reinen Verstandesbegriff (einer Kategorie) subsumiert wird. Dadurch erhält das Urteil Allgemeingültigkeit (Verknüpfung in einem „Bewußtsein überhaupt“) und objektive Geltung, ibid. § 20 (III 57 ff.). Die Möglichkeit der Erfahrung beruht auf den Kategorien und Grundsätzen des reinen Verstandes. Erfahrung ist objektiv gültige empirische Erkenntnis, ibid. § 21 (III 60). „Erfahrung besteht aus Anschauungen, die der Sinnlichkeit angehören, und aus Urteilen, die lediglich ein Geschäft des Verstandes sind“, ibid. § 21 a (III 62). „Wenn ich sage: Erfahrung lehrt mir etwas, so meine ich jederzeit nur die Wahrnehmung, die in ihr liegt ..., und also ist der Erfahrungssatz sofern allemal zufällig.“ Die Notwendigkeit der Verknüpfung im Erfahrungsurteil aber „lerne ich nicht durch Erfahrung, sondern umgekehrt, Erfahrung wird allererst durch diesen Zusatz des Verstandesbegriffes ... zur Wahrnehmung erzeugt“, ibid. § 22 Anm. (III 63 f.). „Erfahrung besteht in der synthetischen Verknüpfung der Erscheinungen (Wahrnehmungen) in einem Bewußtsein, sofern dieselbe notwendig ist“, ibid. § 22 (III 63). Die Grundsätze (s. d.) möglicher Erfahrung sind zugleich allgemeine Gesetze (s. d.) der Natur, welche a priori erkannt werden können, ibid. § 23 (III 64); vgl. § 26 (III 68).

Erfahrung ist nicht „eine bloß empirische Zusammensetzung der Wahrnehmungen“. Sie geht viel weiter, als diese reichen, indem sie „empirischen Urteilen Allgemeingültigkeit gibt und dazu einer reinen Verstandeseinheit bedarf, die a priori vorhergeht“, ibid. § 26 (III 70). Erfahrung ist das „Produkt des Verstandes aus Materialien der Sinnlichkeit“, ibid. § 34 (III 77). Indem der Verstand alle Erscheinungen „unter seine eigenen Gesetze faßt“, bringt er allererst Erfahrung (ihrer Form nach) a priori zustande, ibid. § 38 (III 84 f.). „Jede einzelne Erfahrung ist nur ein Teil von der ganzen Sphäre ihres Gebietes; das absolute Ganze aller möglichen Erfahrung ist aber selbst keine Erfahrung und dennoch ein notwendiges Problem für die Vernunft“, ibid. § 40 (III 82); vgl. Idee, Totalität. — Es würde Ungereimtheit sein, „wenn wir von irgendeinem Gegenstande mehr zu erkennen hofften, als zur möglichen Erfahrung desselben gehört, oder auch von irgendeinem Dinge, wovon wir annehmen, es sei nicht ein Gegenstand möglicher Erfahrung, nur auf die mindeste Erkenntnis Anspruch machten, es nach seiner Beschaffenheit, wie es an sich selbst ist, zu bestimmen“, ibid. § 57 (III 120 f.); vgl. Ding an sich. Der Grundsatz des kritischen Idealismus (s. d.) ist: „Alle Erkenntnis von Dingen aus bloßem reinen Verstande oder reiner Vernunft ist nichts als lauter Schein, und nur in der Erfahrung ist Wahrheit“, ibid. Anh. Probe eines Urteils (III 151). „Mein Platz ist das fruchtbare Bathos der Erfahrung“, ibid. 1. Anm. (III 151); vgl. Transzendental. Erfahrung ist „nach allgemeinen Gesetzen zusammenhängende Erkenntnis der Gegenstände der Sinne“, GMS 3. Abs. V. d. äußersten Grenze ... (III 85). Im Verstande liegt a priori die Aufgabe, „aus gegebenen Wahrnehmungen einer allenfalls unendliche Mannigfaltigkeit empirischer Gesetze enthaltenden Natur eine zusammenhängende Erfahrung zu machen“. Der Verstand bedarf außer den allgemeinen Naturgesetzen noch einer gewissen „Ordnung“ der Natur in deren „besonderen Regeln“, die ihm nur empirisch bekannt werden können. Ohne diese Regeln würde „kein Fortgang von der allgemeinen Analogie einer möglichen Erfahrung überhaupt zur besonderen“ stattfinden, KU, Einl. V (II 21 ff.); s. Gesetz. „Der vernünftige Gebrauch der Erfahrung hat auch seine Grenzen. Diese kann zwar lehren, daß etwas so oder so beschaffen sei, niemals aber, daß es gar nicht anders sein könne; auch kann keine Analogie diese unermeßliche Kluft zwischen dem Zufälligen und Notwendigen ausfüllen“, Rezension von Herders Ideen 2. T. (VI 36).

„Die Erkenntnis der Gegenstände der Sinne als solcher, d. i. durch empirische Vorstellungen, deren man sich bewußt ist (durch verbundene Wahrnehmungen), ist Erfahrung.“ „Weil nun alle theoretische Erkenntnis mit der Erfahrung zusammenstimmen muß, so wird dieses nur auf eine oder die andere Art möglich, nämlich daß entweder die Erfahrung der Grund unserer Erkenntnis oder die Erkenntnis der Grund der Erfahrung ist. Gibt es also eine synthetische Erkenntnis a priori, so ist kein anderer Ausweg als: sie muß Bedingungen a priori der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt enthalten. Alsdann aber enthält sie auch die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung überhaupt; denn nur durch Erfahrung können sie für uns erkennbare Gegenstände sein. Die Prinzipien a priori aber, nach denen allein Erfahrung möglich ist, sind die Formen der Gegenstände, Raum und Zeit, und die Kategorien, welche die synthetische Einheit des Bewußtseins a priori enthalten, sofern unter sie empirische Vorstellungen subsumiert werden können.“ Das „Synthetische der Erkenntnis“, welches das „Wesentliche der Erfahrung“ ausmacht, ist apriorisch (s. Synthesis). Zum „Empirischen“, zur „Materie der Erfahrung“, muß noch die „Form“ hinzukommen, d. h. die „synthetische Einheit der Apperzeption derselben im Verstande“, um Erfahrung als empirische Erkenntnis hervorzubringen, wozu „Grundsätze a priori nach bloßen Verstandesbegriffen“ notwendig sind, „welche ihre Realität durch die sinnliche Anschauung beweisen und in Verbindung mit dieser, nach der a priori gegebenen Form derselben, Erfahrung möglich machen, welche eine ganz gewisse Erkenntnis a posteriori ist“. Wir machen Erfahrung aus Wahrnehmungen und „der Form der Anschauung in ihnen nach Grundsätzen durch die Kategorien“, Fortschr. d. Metaph. 1. Abt. V. d. Umfange ... (V 3, 100 ff.). Die apriorischen Erkenntniselemente können, „obzwar a priori gegründet“, doch nur ihre Gegenstände „in der Erfahrung finden“. Die Erfahrung selbst dient zum Beweis ihrer „Realität“ in der Weise, daß man sie in aller Forschung „mit dem besten Erfolg“ braucht, weil sie ein dem Verstande „unentbehrlicher Leitfaden“ sind, Erfahrung anzustellen, ibid. Beilage I Einl. (V 3, 148 f.). — „Eine empirische Vorstellung, deren ich mir bewußt bin, ist Wahrnehmung; das, was ich zu der Vorstellung der Einbildungskraft vermittelst der Auffassung und Zusammenfassung (comprehensio aesthetica) des Mannigfaltigen der Wahrnehmung denke, ist die empirische Erkenntnis des Objekts, und das Urteil, welches eine empirische Erkenntnis ausdrückt, ist Erfahrung.“ Ist es eine Erfahrung, daß wir denken? (VIII 163). Innere Erfahrung ist, ohne Zeitbestimmung mit ihr zu verknüpfen, unmöglich, „weil ich dabei passiv bin und mich nach der formalen Bedingung des inneren Sinnes affiziert fühle“, ibid. (VIII 163 f.); vgl. Denken. Das „Bewußtsein, eine Erfahrung anzustellen“, ist nicht Erfahrung, sondern ein „transzendentales Bewußtsein“, ibid.: vgl. Bewußtsein.

„Erfahrungen“ sind Urteile, „die durch Versuch und Erfolg kontinuierlich bewährt werden“, Anthr. 1. T. § 6 (IV 29). Alle Erfahrung („empirische Erkenntnis“), die innere wie die äußere, ist „nur Erkenntnis der Gegenstände, wie sie uns erscheinen, nicht wie sie (für sich allein betrachtet) sind“, ibid. Anmerk. (IV 30). Der Verstand macht aus den Sinneswahrnehmungen erst dadurch Erfahrung, daß er sie „unter einer Regel des Denkens verbindet (Ordnung in das Mannigfaltige hineinbringt)“, ibid. § 9 (IV 34). „Das Erkenntnis eines Gegenstandes in der Erscheinung (d. i. als Phänomens) ist Erfahrung. Also ist Erscheinung diejenige Vorstellung, wodurch ein Gegenstand der Sinne gegeben wird, ... Erfahrung aber oder das empirische Erkenntnis diejenige, wodurch er zugleich als ein solcher gedacht wird. — Also ist Erfahrung die Handlung (der Vorstellungskraft), wodurch Erscheinungen unter den Begriff von einem Gegenstande derselben gebracht werden, und Erfahrungen werden gemacht dadurch, daß Beobachtungen (absichtliche Wahrnehmungen) angestellt und über die Vereinigung derselben unter einem Begriffe nachgedacht (reflektiert) wird. — Wir erwerben und erweitern unser Erkenntnis durch Erfahrung, indem wir dem Verstande Erscheinungen (äußere oder auch des inneren Sinnes) als den Stoff unterlegen“, ibid. Ergänz, aus der Handschr. (IV 294 f.) Damit die Wahrnehmung „innere Erfahrung“ wird, „muß das Gesetz bekannt seil, welches die Form der Verbindung in einem Bewußtsein des Objekts bestimmt“. „Der Mensch kann sich selbst innerlich nicht beobachten, wenn er nicht durch eine Regel geleitet wird, unter der allein die Wahrnehmung verbunden sein müsse, wenn sie ihm eine Erfahrung liefern soll“, ibid. (IV 296).

„Erfahrung ist eine verstandene Wahrnehmung. Wir verstehen sie aber, wenn wir sie unter Titel des Verstandes uns vorstellen. Erfahrung ist eine Spezifikation der Verstandesbegriffe durch gegebene Erscheinungen.“ „Erfahrungen sind also nur dadurch möglich, daß vorausgesetzt wird, alle Erscheinungen gehören unter Verstandestitel“, Lose Bl. 13. Keine Erfahrung kann ohne Regel (s. d.) stattfinden. Der Satz des zureichenden Grundes ist ein „principium der Regel der Erfahrung, nämlich solche anzustellen“, ibid. 14. „Erfahrung ist Erkenntnis der Gegenstände, die den Sinnen gegenwärtig ist“, ibid. B 7. „Zuerst gehört zu aller Erfahrung Vorstellung der Sinne, zweitens Bewußtsein.“ Erfahrung enthält „empirische Vorstellung, aber zugleich als Erkenntnis der Gegenstände der Sinne“. Alle Erkenntnis, also auch die der Erfahrung, besteht aus Urteilen. „Also ist Erfahrung nur durch Urteile möglich, in denen Wahrnehmungen zwar die empirischen Materialien ausmachen, die Beziehung derselben aber auf ein Objekt und Erkenntnis desselben durch Wahrnehmungen nicht vom empirischen Bewußtsein allein abhängen kann“, N 5923. „Erfahrung ist Erkenntnis a posteriori, d. i. dessen, was Objekt der Empfindung ist (a posteriori). Empfindungen geben gar keine Erkenntnis; also muß etwas über sie (a priori) hinzukommen, wenn Erfahrung möglich werden soll. Über die Vorstellung a posteriori kann nur die a priori aus Begriffen hinzukommen, und diese kann nur die Verknüpfung (Synthesis) sein, sofern sie a priori bestimmt ist.“ „Der allgemeine (formale) Grundsatz möglicher Erfahrung ist also: Alle Erscheinungen sind in Ansehung ihrer Verknüpfung a priori bestimmbar gemäß der Einheit des Bewußtseins in allen Urteilen überhaupt, d. i. sie stehen unter Kategorien.“ „Alle Erfahrungen als mögliche Wahrnehmungen stehen a priori unter Verstandesbegriffen, durch die sie allein empirische Erkenntnis, d. i. Vorstellung der Objekte (a posteriori) werden können“. N 5934; vgl. 5926.

Es gibt nur „eine Erfahrung“, und wenn wir von „Erfahrungen“ sprechen, so bedeutet das „nur die distributive Einheit mannigfaltiger Wahrnehmungen, nicht die kollektive ihres Objekts selbst in seiner durchgängigen Bestimmung“, Altpreuß. Mth. XIX 75; vgl. 77 f. So wie es nur einen Raum und nur eine Zeit gibt, „so gibt es auch nur einen Gegenstand möglicher äußerer Erfahrung“, „denn alle sogenannte Erfahrungen sind immer nur als Teile einer Erfahrung vermöge des allverbreiteten unbeschränkten Wärmestoffes, welcher alle Weltkörper, in einem System verbunden, in Gemeinschaft der Wechselwirkung versetzt“, ibid. 79 Anm. „Erfahrungen“ sind nur Wahrnehmungen. Die Erfahrung ist keine „Stoppelung der Wahrnehmungen“, sondern geht systematisch aus dem Verstande hervor. „Das Objekt einer allbefassenden Erfahrung ist zugleich ein Einzelnes (individuum). Das Formale der Einheit möglicher Erfahrung ist nun das, was a priori zu geben gefordert wird“, ibid. 124 f.; vgl. Äther. „Erfahrung ist das Erkenntnis eines in einem System verbundenen Ganzen der Wahrnehmungen“, ibid. 125, „Erfahrung ist absolute Einheit des Bewußtseins der Wirklichkeit eines Sinnenobjekts, und es gibt nur Eine Erfahrung“, ibid. 257 Anm. Erfahrung ist „absolute synthetische Einheit der Wahrnehmungen“. „Ein System empirischer Erkenntnisse ist selbst nicht empirisch“, ibid. 274. „Erfahrung ist Wahrnehmung, welche die Gültigkeit zu einem allgemeinen Gesetze enthält, die also immer dieselbe Phänomene unter denselben Bedingungen zur Folge hat; mithin wovon das Formale Notwendigkeit der Synthesis in seinem Begriffe bei sich führt“, ibid. 470. „Erfahrung ist Wahrnehmung in ihrer durchgängigen Bestimmung erkannt (oder gedacht, daß man Grund habe, anzunehmen, sie werde sich in allen Fällen so beweisen)“, ibid. 478 Anm. „Ich kann nicht sagen: ich habe diese oder jene Erfahrung, sondern ich mache sie mir, und dieses System der Wahrnehmungen gilt für jedermann“, ibid. 622. „Erfahrung ist absolute Einheit und Vollständigkeit der Wahrnehmung nicht in einem unbestimmten Aggregat, sondern in einem System“, ibid. 629. Ein Erfahrungssatz erfordert „durchgängige Bestimmung“, ibid. vgl. XX, 136 ff. Vgl. Empirisch, Außenwelt, Idee, Einheit.