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Fürwahrhalten

Fürwahrhalten. Das Fürwahrhalten ist „eine Begebenheit in unserem Verstande, die auf objektiven Gründen beruhen mag, aber auch subjektive Ursachen im Gemüte dessen, der da urteilt, erfordert. Wenn es für jedermann gültig ist, sofern er nur Vernunft hat, so ist der Grund desselben objektiv hinreichend, und das Fürwahrhalten heißt alsdann Überzeugung. Hat es nur in der besonderen Beschaffenheit des Subjekts seinen Grund, so wird es Überredung genannt“. Die Drei „Stufen“ des Fürwahrhaltens sind: Meinen, Glauben und Wissen, KrV tr. Meth. 2. H. 3. Abs. (I 677 ff.—Rc 830 ff.). „Wahrheit ist objektive Eigenschaft der Erkenntnis; das Urteil, wodurch etwas als wahr vorgestellt wird — die Beziehung auf einen Verstand und also auf ein besonderes Subjekt — ist subjektiv das Fürwahrhalten.“ „Das Fürwahrhalten ist überhaupt von zweifacher Art: ein gewisses oder ein ungewisses. Das gewisse Fürwahrhalten oder die Gewißheit ist mit dem Bewußtsein der Notwendigkeit verbunden; das ungewisse dagegen oder die Ungewißheit mit dem Bewußtsein der Zufälligkeit oder der Möglichkeit des Gegenteiles. — Das letztere ist hinwiederum entweder sowohl subjektiv als objektiv unzureichend; oder zwar objektiv unzureichend, aber subjektiv zureichend. Jenes heißt Meinung, dieses muß Glaube genannt werden.“ Die drei Arten (Modi) des Fürwahrhaltens sind: Meinen, Glauben, Wissen, Log. Einl. IX (IV 72 f.). „Man pflegt sich oft der Ausdrücke zu bedienen: seinem Urteil beipflichten; sein Urteil zurückhalten, aufschieben oder aufgeben. — Diese und ähnliche Redensarten scheinen anzudeuten, daß in unserem Urteilen etwas Willkürliches sei, indem wir etwas für wahr halten, weil wir es für wahr halten wollen. Es fragt sich demnach hier: ob das Wollen einen Einfluß auf unsere Urteile habe?“ „Unmittelbar hat der Wille keinen Einfluß auf das Fürwahrhalten; dies wäre auch sehr ungereimt. Wenn es heißt: wir glauben gern, was wir wünschen, so bedeutet dies nur unsere gutartigen Wünsche, z. B. die des Vaters von seinen Kindern ... Der Wille kann aber nicht wider überzeugende Beweise von Wahrheiten streiten, die seinen Wünschen und Neigungen zuwider sind.“ „Sofern aber der Wille den Verstand entweder zur Nachforschung einer Wahrheit antreibt oder davon abhält, muß man ihm einen Einfluß auf den Gebrauch des Verstandes und mithin auch mittelbar auf die Überzeugung selbst zugestehen, da diese so sehr von dem Gebrauche des Verstandes abhängt.“ „Was aber insbesondere die Aufschiebung oder Zurückhaltung unseres Urteiles betrifft, so besteht dieselbe in dem Vorsatze, ein bloß vorläufiges Urteil nicht zu einem bestimmenden werden zu lassen.“ Das vorläufige Urteilen (s. Annahme) ist „ein mit Bewußtsein bloß problematisches Urteilen“. Diese Urteile sind unentbehrlich. „Denn sie dienen dazu, den Verstand bei seinen Nachforschungen zu leiten und ihm hierzu verschiedene Mittel an die Hand zu geben.“ „Wenn wir über einen Gegenstand meditieren müssen wir immer schon vorläufig urteilen und die Erkenntnis gleichsam schon wittern, die uns durch die Meditation zuteil werden wird. Und wenn man auf Erfindungen oder Entdeckungen ausgeht, muß man sich immer einen vorläufigen Plan machen; sonst gehen die Gedanken bloß aufs Ungefähr. — Man kann sich daher unter vorläufigen Urteilen Maxime denken zur Untersuchung einer Sache. Auch Antizipationen könnte man sie nennen, weil man sein Urteil von einer Sache schon antizipiert, noch ehe man das bestimmende hat. — Derartige Urteile haben also ihren guten Nutzen, und es ließen sich sogar Regeln darüber geben, wie wir vorläufig über ein Objekt urteilen sollen“, ibid. (IV 81 ff.). Vgl. Wahrheit, Gewißheit, Evidenz, Überzeugung, Glaube, Meinung, Wissen, Hypothese, Wahrscheinlichkeit, Annahme.