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Lazarus Geiger

Geigers "Ursprung und Entwicklung der menschlichen Sprache und Vernunft" ist ein Fragment geblieben, aber lesenswert durch den Scharfsinn und die Vorurteilslosigkeit des Verfassers. Am Ende des ersten Bandes gibt Geiger die Absicht, die ihn leitete, zu erkennen. Er will eine empirische Vernunftkritik schreiben. Er will durch etymologische Forschungen rückwärts führen "zu dem ewig staunenswürdigen Augenblicke, wo in dem Bewußtsein einer Tiergattung unseres Planeten jene Gärung entstand, welche Vernunft, Entwicklung, Kultur, Sitte, Glauben, Kunst, Wissenschaft und, mit einem Worte, Menschentum in ihrem Gefolge haben sollte". Ein glänzender Versuch, mit untauglichen Mitteln unternommen.

Geiger geht davon aus, dass auch die unkultivierteste Menschensprache noch ein bewunderungswürdiges Werk sei, dass sie aber — wie zu seiner Zeit bereits für selbstverständlich galt — unmöglich die Schöpfung bewußter Verstandestätigkeit sein könne, dass sie vielmehr ein unbewußt entstandenes Kunstwerk sei gleich den lebendigen Organismen. Die Organismen oder lebendigen Individuen sind ein Teil der sinnlichen Welt. An der Sprache aber ist es die merkwürdigste Erscheinung, dass sie nicht die sinnlichen Einzeldinge bezeichnet, sondern immer und ohne jede Ausnahme ihre Namengebung von der menschlichen Auffassung, von der Vernunft, hernimmt. Wir benennen die Teile des menschlichen Körpers nach der Bedeutung, die wir ihnen beilegen; wir haben ein gemeinsames Wort z. B. für die menschliche Hand, nicht aber eines für die drei oder für die vier letzten Finger. Ebenso fassen wir Gruppen von Tieren je nach unserer Auffassung durch besondere Worte zusammen. Die Griechen hatten ein gemeinsames Wort für alles Lebendige, für Tiere und Menschen; unser "Tier" wird nur gegen den Sprachgebrauch auch auf die Menschen ausgedehnt. Es gibt Sprachen, die ein Wort für die gemeinsame Gruppe von Schafen und Ziegen haben. Selbst Eigennamen bezeichnen Individuen regelmäßig ursprünglich durch einen Begriff.