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Artikulation

Dass die Tiersprache artikuliert ist, ergibt sich von selbst, wenn wir bedenken, ein wie subjektiver Begriff in unserem "Artikulieren" steckt. Die Artikulation der Tierlaute dadurch beweisen zu wollen, dass menschliche Laute auch von Tieren hervorgebracht werden können, scheint mir ganz überflüssig. Es ist ja ganz interessant, dass zwei so verschiedene Tiere wie Katzen und Gänse, in Wut gebracht, durch eine ähnliche Artikulation gleicherweise einen ähnlichen Laut hervorbringen wie unser ch. Aber all diese Dinge ebenso wie die mechanische Nachahmung der Menschensprache durch Papageien, Stare und Elstern beweisen doch nur, was gar nicht nötig wäre, dass Tiere spezifisch menschliche Laute artikulieren können. Artikuliert, das heißt durch eine bestimmte Stellung und Tätigkeit bestimmter Sprachorgane regelmäßig hervorgebracht, ist am Ende jeder Laut. Wenn es der Mühe lohnte, so ließe sich über die Artikulierung der Rinderstimme eine ebenso wissenschaftliche Phonetik schreiben, wie die Phonetik der Menschensprache ist. Dürfte man nur diejenigen Laute artikuliert nennen, welche in dem phönikisch-lateinischen Alphabet vorliegen, oder meinetwegen nur die, welche nach unserer Phonetik mit über hundert Zeichen ausgedrückt werden, so wären z. B. die Schnalzlaute der Hottentotten und die musikalischen Betonungen der Chinesen nicht artikuliert. Offenbar müßte man es aber eine semitisch-arische Beschränktheit nennen, die Laute sogenannter wilder Völkerschaften deshalb nicht zu den artikulierten Sprachlauten zu rechnen, weil sie wesentlich anders artikuliert werden als die unseren. Das gleiche Verhältnis besteht zwischen den Lauten tierischer und menschlicher Mitteilung. Die verschiedenen Töne der Hundesprache, die nicht allein für die Nebenhunde, sondern auch für hundefreundliche Menschen verständlich sind, sind durch bestimmte Artikulation deutlich differenziert. Ganz besonders auffallend ist der Gebrauch verschieden artikulierter Töne bei den Hühnern, welche doch zu den dümmeren Tieren gerechnet werden. Ich kann in meiner Stube, ohne zum Fenster hinaus zu sehen, deutlich verstehen, ob der Hahn in seinem Männerstolz den Hahn im Nachbargarten herausfordert, das heißt kräht; ob er Futter gefunden hat und die Hühner herbeiruft, das heißt gackert; ob er endlich sich gelegentlich um die Kücken kümmert, wobei er ebenso deutlich gluckt. Ich glaube sogar behaupten zu können, dass ich im zweiten Falle unterscheiden kann, ob er besonders reiches oder delikates Futter gefunden hat; mehrere Male gelang es mir, einen kleinen Frosch im Laufstall der Hühner zu entdecken, nachdem der Hahn ganz eigentümlich lebhaft gegackert hatte. Ferner hat man beobachtet, dass der Warnungsruf der Gluckhenne differenziert ist, je nachdem ein vierfüßiges Tier auf der Erde oder ein Raubvogel in der Luft die jungen Hühner bedroht. Und die jungen Hühner scheinen durch ihr Benehmen zu beweisen, dass sie verstehen, ob der Feind von oben oder von der Seite kommt. Ich wüßte nicht, was das alles sein sollte, wenn es nicht artikulierte Sprache ist. Man komme doch nicht mit dem hilflosen Worte Instinkt! Die Glucke warnt vor fremden Hunden; sie schweigt, wenn der Haushund sich den Kücken nähert.

Wenn man diese letzte Erscheinung analysiert, so ergibt sich nach menschlichen Vorstellungen zweierlei für die Sprache der Hühner: erstens, dass sie unter Umständen gegen den sogenannten Instinkt auch schweigen können, was doch selbst bei den Menschen erst eine Errungenschaft entwickelten Denkens ist; zweitens, dass Hühner den Begriff Hund ebenso wie den Begriff Erdentier und Lufttier erfaßt haben und dass sie von diesem Begriff das Individuum des Haushundes unterscheiden. Das führt uns auf den zweiten Punkt, der angeblich die Mitteilungen der Tiere von der Menschensprache unterscheidet.