Tiere folgen ihren Neigungen ebenso frei, als die Menschen


Ich sage also, um wieder auf mein Vorhaben zu kommen, dass man ohne einen wahrscheinlichen Grund annimmt, die Tiere täten eben das aus einer natürlichen und gezwungenen Neigung, was wir aus eigner Wahl und mit Bedachte vornehmen. Wir müssen aus gleichen Wirkungen auf gleiche Kräfte, und aus vollkommeneren Wirkungen auf vollkommenere Kräfte schließen, und folglich bekennen, dass sich eben die Vernunft, und eben die Art zu verfahren, welche wir beobachten, oder vielleicht eine bessere, auch bei den Tieren findet. Warum bilden wir uns diesen natürlichen Zwang bei ihnen ein, da wir doch keine dergleichen Wirkung davon wahrnehmen? Hierzu kommt noch, dass es weit rühmlicher für ein Wesen ist, wenn es durch eine natürliche und unvermeidliche Bestimmung, und welche der Gottheit näher kommt, ordentlich zu handeln geleitet und verbunden wird, als wenn es nach einer vermessenen und unbestimmten Freiheit ordentlich handelt; und dass es ferner sicherer ist, der Natur, als uns, die Zügel bei unserer Aufführung zu lassen. Unser eitler Hochmut macht, dass wir unsere Geschicklichkeit lieber unsern Kräften, als ihrer Freigebigkeit zu danken haben wollen. Wir bereichern die andern Tiere mit natürlichen Gütern, und überlassen sie ihnen, um uns durch erworbene Güter hervor zu tun, und zu adeln. Eine große Einfalt, wie mich dünkt! Denn, ich würde mir doch wenigstens eben so viel auf meine eigentümlichen und natürlichen Reize, als auf die erbettelten und gekünstelten einbilden. Wir können uns keinen schöneren Ruhm, als diesen erwerben, dass uns Gott und die Natur günstig sind.


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Seite zuletzt aktualisiert: 16.08.2006 
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