Mit was für Rechte er sich der Herrschaft über die Tiere anmaßt


Durch eben diese eitle Einbildung macht er sich Gott gleich, legt sich göttliche Eigenschaften bei, sondert sich selbst von dem Haufen der andern Geschöpfe ab, schneidet den Tieren, seinen Mitbrüdern und Gesellen ihren Teil zu, und gibt ihnen so viel Vermögen und Kräfte, als ihm gutdünckt. Wie, erkennt er denn durch die Stärke seines Verstandes die innerlichen und verborgenen Regungen der Tiere? Aus was für einer Vergleichung zwischen uns und ihnen folgert er dann die Dummheit, die er ihnen beilegt? Wer weiß, wenn ich mit meiner Katze spiele, ob sie sich die Zeit nicht mehr mit mir vertreibt, als ich mir dieselbe mit ihr vertreibe? Wir treiben wechselsweise mit einander Possen. Gleichwie ich nach Gefallen anfangen oder aufhören kann: so kann sie es auch. Plato (a) zählt in seiner Abbildung der güldenen Zeit unter dem Saturn, den Umgang der Menschen, mit den Tieren, bei welchen sie sich erkundigten, belehren ließen, und jeder Art ihre wahre Eigenschaften und Charakter erfuhren, mit unter die hauptsächlichsten Vorzüge der damaligen Menschen: weil sie auf diese Art eine sehr vollkommene Erkenntnis und Klugheit erlangten, und daher ein ungemein glücklicher Leben führten, als wir zu führen im Stande sind. Brauchen wir einen besseren Beweis von der menschlichen Unverschämtheit in Ansehung der Tiere? Dieser große Schriftsteller hat dafür gehalten, dass die Natur meistenteils bei der ihnen erteilten Leibesbildung bloß auf die gewöhnlichen Vorbedeutungen gesehen habe, die man zu seiner Zeit darinnen suchte. Warum liegt der Fehler, welcher den Umgang zwischen uns und ihnen hindert, nicht eben so wohl an uns, als an ihnen? Es ist noch nicht ausgemacht, an wem der Fehler liegt, dass wir einander nicht verstehen: denn wir verstehen sie eben so wenig, als sie uns verstehen. Sie können uns aus eben dem Grunde für unvernünftig halten, aus welchem wir sie dafür halten. Es ist kein großes Wunder, wenn wir sie nicht verstehen. Wir verstehen ja auch die Biscayer und die (b) Troglodyten nicht. Indessen haben sich doch einige sie zu verstehen gerühmt, als (c) Apollonius von Thyana, (d) Melampus (e), Tiresias, Thales, und andere. Und wenn, wie die Erdbeschreiber berichten, (f) gewisse Völker einen Hund zu ihrem Könige machen: so müssen sie doch wohl seine Stimme und seine Bewegungen zu verstehen glauben.

 

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(a) In dem Gespräch, welches die Überschrift hat Politicus. T. II. p. 272.

(b) Alte Völker an der westlichen Küste des arabischen Meerbusens, welche so genennet wurden, weil sie in Höhlen wohnten.

(c) Welcher es, wie Philostrat sagt, von den Arabern gelernt hatte. Tês te sophias hê ton Arabion tropon es xynesin tês tôn zôôn phônês êlthen, Emathe de touto dia toutôni tôn Arabiôn poreuomenos. u.s.w. De vita Apollon. Tyan. L. I. C. 20. p. 25. Ed. Olear.

(d) Apollodor. L. I. C. 9. §. II.

(e) Eb. Das. L. III. C. 6. §. 7.

(f) Plin. Hist. Nat. L. VI. C. 30. Ex Africae parte Ptoembari, Ptoemphanae, qui canem pro Rege habent, motu eius imperia augurantes.


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