Duett

Duett. (Musik) Ein Tonstück, das aus zwei konzertierenden Hauptstimmen besteht, es sei, dass sie wirklich ganz allein gehört werden oder dass sie einen Bass und Mittelstimmen zur Begleitung haben; denn in diesem Fall werden die begleitenden Stimmen nicht mitgerechnet, weil die Hauptstimmen so beschaffen sein müssen, dass sie eine völlige Reinheit und Vollständigkeit der Harmonie haben, wenn alle begleitende Stimmen weggelassen werden.

Man hat zwei Arten des Duetts; die merklich von einander unterschieden sind. Die eine Art besteht bloß aus zwei Hauptstimmen, ohne alle Begleitung; diese nennen die Tonlehrer allgemein Bicinia: die andere Art hat zwar auch nur zwei Hauptstimmen, aber diese haben eine oder mehrere Stimmen zur Begleitung, so dass der Satz bisweilen vier, fünf und mehrstimmig darin vorkommt. Von dieser Art sind die Duette in der Oper, wo außer einem begleitenden Basse noch verschiedene Mittelstimmen zur Begleitung vorkommen.

Die erste Art kann entweder für einerlei oder für verschiedene Stimmen und Instrumente verfertigt werden, als für zwei Diskantstimmen, für zwei Violinen, für zwei Flöten u. s. f. oder für eine Diskant- und eine Tenorstimme, für eine Flöte und eine Violine u. s. w. Nur muss bei der Verschiedenheit der Stimmen oder Instrumente dieses in acht genommen werden, dass sie in Ansehung der Höhe nicht zu weit auseinander sein als wie z. B. eine Bassstimme und eine Diskantstimme sein würden; denn dadurch würde die Harmonie zu sehr zerstreut werden, die Stimmen würden zu sehr gegen einander abstechen und eine würde die andere verdunkeln. Diese Art erfordert einen überaus reinen und dabei Harmoniereichen Satz, der so beschaffen sein muss, dass ohne Zwang nicht einmal eine dritte begleitende Stimme dazu könnte angebracht werden. Wenn der Satz in seiner höchsten Vollkommenheit dabei beobachtet worden, so muss das Gehör durchaus so befriediget werden, dass ihm nirgends weder ein dritter Ton, noch ein Fundament zur Unterstützung der oberen Stimmen, dabei einfallen könnte. Dergleichen Tonstücke sind also nur den geübtesten Tonsetzern zu überlassen, die alle Geheimnisse der reinen Harmonie völlig besitzen.

Die andere Art ist die, welche überall aus den Opern bekannt ist. Zwei Sänger singen bald wechselweise einer nach dem anderen, bald beide zugleich, ähnliche Melodien, welche von einem beständigen Bass und von verschiedenen Mittelstimmen begleitet werden.

Beide Arten der Duette kommen darin überein, dass beide darin vorkommende Stimmen Hauptstimmen sind und keine über die andere herrscht; dass bald die eine, bald die andere eine Zeitlang sich allein hören lässt, danach aber beide zugleich, jede aber in ihrem besonderen Gang. Hieraus entsteht in beiden Arten die Notwendigkeit, dass das Duett fugenmäßig und völlig nach der Kunst des doppelten Kontrapunkts gesetzt sein müsse, damit beide Melodien bei der Einheit des Charakters eine schöne Mannigfaltigkeit haben. Und wiewohl die erstere Art, die ohne Begleitung ist, vorzüglich die ganze Harmonie in zwei Stimmen zusammen fasst; so muss auch die andere Art so bearbeitet sein, dass der Bass und die Mittelstimmen davon wegbleiben können, ohne dass die Harmonie mangelhaft werde. Denn die beiden konzertierenden Stimmen nehmen sich doch vor den begleitenden so sehr aus, dass das Gehör sich damit hauptsächlich beschäftigt. Sollten also die beiden Hauptstimmen so beschaffen sein, dass sie zur Reinheit der Harmonie einer dritten Stimme bedürften, so würde das Fehlerhafte gar zu fühlbar werden, wenn das Gehör sich, wie es allemal geschieht, vorzüglich mit den beiden Hauptstimmen beschäftigte. Dieses wird durch folgendes Beispiel begreiflich werden. Dieser Satz hat so, wie er hier steht, nichts gegen die gute Harmonie; inzwischen könnte man ein Duett nicht nach dieser Art setzen; denn wenn man den Bass wegließe, so würden die beiden oberen Stimmen in Quarten gegen einander stehen und sehr unangenehm werden.

Man muss also bei solchen Duetten auch ohne Rücksicht auf die Umkehrung der Stimmen, die Regeln des doppelten Kontrapunkts in der Oktave vor Augen haben; weil nur dadurch die beiden Hauptstimmen auch ohne den Bass ihre harmonische Richtigkeit bekommen. Deswegen ist das Duett allemal ein Werk, das nur der Setzer unternehmen kann, der ein vollkommener Harmoniker ist und so wohl die Kunst der Fugen und Nachahmungen als des doppelten Kontrapunkts in seiner Gewalt hat. Zwei schöne Melodien, deren jede ihren eigenen richtigen Ausdruck, ihre eigenen Verzierungen hat, so zu vereinigen, dass keine die andere verdunkelt, dies ist der Gipfel der Kunst: wer darin stark ist, wie ein Händel oder Graun, der kann mit Recht auf dem obersten Rang der Tonsetzer seinen Platz nehmen.

Da in der heutigen Musik die Duette von zwei Singstimmen, so wohl in Kantaten als in dem Drama die wichtigsten und lieblichsten Tonstücke sind, so verdienen sie auch eine vorzügliche Betrachtung der Kritik. Rousseau hat mit Einsicht und Geschmack davon geschrieben [s. Diction. de Musique Art. Duo], und verdient von Dichtern und Tonsetzern über diese Materie nachgeschlagen zu werden.

Dem ersteren Anschein nach hält man es für ganz unnatürlich, dass zwei Personen zugleich eine Zeitlang ihre Empfindungen gegen einander äußern, ohne dass die eine auf die andere Achtung gibt. Am wenigsten scheint dieses sich für handelnde Personen von hohem Rang zu schicken, wie sie in der Oper allgemein sind. Indessen gibt es doch Fälle, wo die Leidenschaften, besonders die von zärtlicher Art, die Gemüter dergestalt hinreißen, dass eine so überfließende und vom Anstand ungehemmte Äußerung derselben, wie sie im Duett vorkommt, ganz natürlich wird; wenn nur der Dichter diese Fälle natürlich genug vorstellt und der Tonsetzer dieselben als ein Mann von feinem Geschmack behandelt. Man kann sich auf die Empfindung aller Menschen berufen, die in verschiedenen berlinischen Opern, wo der Dichter nur einigermaßen natürlich gewesen ist, die reizenden Duette unseres Grauns gehört haben, um zu behaupten, dass nichts so tief in das innerste der Empfindungen eindringt als ein gutes Duett.

Der Dichter muss das Duett mit großer Behutsamkeit und nur in solchen Umständen der Handlung anbringen, wo natürlicher Weise die Empfindungen zwei handelnder Personen auf einen Grad steigen, der an den Wahnwitz grenzt. In solchen Umständen wird es natürlich, dass die Empfindung sich abwechselnd, bald durch wenig schwärmerische Worte, bald bloß durch unartikulierte Töne, bald nur durch die nachdrücklichsten Gebärden äußere; dass von zwei Personen, die ein Gegenstand außer sich gesetzt hat, bald die eine, bald die andre, bald beide zugleich ausbrechen; aber immer kurz und oft nur in ein paar Silben. Also muss das Duett keine zusammenhängenden Sätze der Rede, sondern abgebrochene kurze Reden in unvollständigen Sätzen und abwechselnd, bald von der einen, bald von der anderen der handelnden Personen, enthalten. Nicht jede starke Leidenschaft erlaubt diese Behandlung. Die von der zärtlichen Art, die einen klagenden Ton annehmen, schicken sich dazu am besten. Es ist aber nötig, dass jede der beiden Personen die Leidenschaft auf eine ihr und ihrem Charakter eigene Art empfinde, damit die beiden Stimmen sich hinlänglich gegeneinander auszeichnen.

Wenn der Dichter das Duett als ein Mann von Geschmack angebracht und vorgetragen hat, so wird dem Tonsetzer zwar seine Arbeit erleichtert; aber dennoch hat sein Genie die glücklichste Stunde dazu nötig. Er muss sich den Gemütszustand jeder der beiden Personen lebhaft vorstellen und dann kurze melodische Sätze finden, die sich für beide zugleich passen, die zu der kontrapunktischen Umkehrung und zu der fugenmäßigen Nachahmung schicklich sind. Erst lässt er jede Person allein singen; die zweite Stimme muss einen anderen Gesang haben als die erste und dennoch muss dieses der Einheit des Gesanges nicht schaden; denn nun befällt die Leidenschaft beide zugleich und abwechselnd wird sie jetzt in der einen, dann in der anderen stärker.

Alles, was die Kunst der Fuge, der Nachahmungen, des doppelten Kontrapunkts und des Kanons schweres hat, ist kaum noch hinreichend, dem Tonsetzer aus allen Schwierigkeiten, die er dabei vor sich findet, heraus zu helfen. Wer das höchste und glücklichste Genie zur Musik in allen einzeln dazu gehörigen Teilen bewundern will, der studiere nur die Duette unseres Grauns, wodurch er die unempfindlichsten Seelen außer sich gesetzt hat. Es würde ein unersetzlicher Verlust für die Kunst sein, wenn diese entzückenden Duette sollten verloren gehen; und doch ist die Gefahr dieses Verlusts vorhanden, so lange sie nicht durch den Druck vervielfältigt und ausgebreitet werden. Deutschland kann damit allein gegen alle andere Nationen auftreten, um den Vorzug in der Musik zu behaupten: aber eben dieser Vorzug kann ihm durch die Achtlosigkeit für die Erhaltung und Ausbreitung dieser himmlischen Gesänge zur größten Schande gereichen.


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