Akademien

Akademien. (Zeichnende Künste) Öffentliche Anstalten, in welchen die Jugend in allem, was zum Zeichnen gehört, unterrichtet wird. Sie werden insgemein Malerakademien genannt, obgleich nicht das eigentliche Malen, sondern das Zeichnen darin vornehmlich gelehrt wird. Diese Anstalten sind, so wie die Schulen der Gelehrsamkeit und der Wissenschaften, mit einer hinlänglichen Anzahl Lehrer versehen, die den Titel der Professoren haben. Diese unterrichten die Jugend in allen Teilen der Zeichnungskunst, vornehmlich aber in dem wichtigsten Teil derselben, der Zeichnung der Figuren oder der menschlichen Gestalt. Diese ist der wesentliche Teil der Kunst des Malers, des Bildhauers, des Stein- und Stempelschneiders und auch des Kupferstechers; deswegen dient die Akademie den Schülern aller dieser Künste.

 Ohne Kenntnis der Knochen und der vornehmsten Muskeln des menschlichen Körpers, kann die Zeichnungskunst desselben nicht vollkommen sein, und ohne die Wissenschaft der Perspektive können weder historische Gemälde noch Landschaften ganz richtig gezeichnet werden; deswegen hat die Akademie auch einen Lehrer der Anatomie und einen für die Wissenschaft der Perspektive. Zu diesen kommt endlich auch noch ein Lehrer der Baukunst, weil gar oft ganze Gebäude, oder Teile derselben, auf den Gemälden vorgestellt werden.

 Dieses sind die notwendigsten Lehrer, welche nicht nur die Regeln der Kunst vortragen, sondern die Jugend auch zur Ausübung derselben anführen. Sollte eine solche Schule ganz vollkommen sein, so müssten auch noch für andere, weniger mechanische Teile der Kunst, Lehrer vorhanden sein. Dergleichen wären; ein Lehrer der Altertümer, der die Gebräuche, die Sitten, und alles was zum üblichen gehört hinlänglich erklärte; ein Lehrer des Ausdrucks der Leidenschaften, dem auch zugleich der Unterricht über die Anordnung eines Gemäldes und über das, was zum Geschmack gehört, könnte aufgetragen werden. Diese Lehrer fehlen den Akademien insgemein, und die Teile der Kunst, die ihnen hier zugeschrieben sind, werden auf den Akademien nur beiläufig gelehrt.

 Die Akademie muss ferner mit einem guten Vorrat von Sachen versehen sein, die zu Erlernung der Zeichnungskunst notwendig sind. Diese bestehen vornehmlich in folgenden Dingen: Zeichnungsbücher, in welchen zuerst die einzelne Teile der Figuren, die Form und Proportion der Köpfe, der Nasen, Ohren, Augen, u. s. f. hernach ganze Hauptteile, endlich ganze Figuren zum nachzeichnen, in hinlänglicher Abwechslung befindlich sind. Das Nachzeichnen dieser Originale, ist das erste, worin die Jugend geübt wird. Auf diese Zeichnungsbücher sollten nun Zeichnungen von Figuren folgen, welche nach den vornehmsten Werken der Kunst gemacht sind; richtige Zeichnungen von Antiken; auserlesenen Figuren der größten Meister, eines Raphael, Michelangelo, der Carrache u. a. bei deren Nachzeichnung die Jugend schon etwas von den höhern Teilen der Kunst lernt. Das nächste, was auf diesen Vorrat von Zeichnungen folgt, ist ein Vorrat von Abgüssen der vornehmsten Antiken und auch einiger neuerer Werke der bildenden Künste, so wohl in einzeln Teilen, als in ganzen Figuren und Gruppen, in deren Nachzeichnung die Jugend fleißig zu üben ist, weil dadurch nicht nur das Augenmaß und der Geschmack an schönen Formen weiter geübt wird, sondern auch zugleich die Kunst des Lichts und Schattens, der mannigfaltigen Wendungen der Körper und der Verkürzungen kann erlernt werden.

 Ferner muss die Akademie lebendige Modele haben; Menschen von schöner Bildung, die von einem der ersten Lehrer, auf einem etwas erhabenen Gestelle oder Tisch, in veränderten Stellungen, aufgestellt werden, damit die Schüler aus verschiedenen Plätzen, und also in sehr mancherlei Ansichten dieselben zeichnen können. Dabei können die Lehrer fast alles, was die Beobachtung des Lichts und Schattens in einzelnen Figuren betrifft, vollkommen zeigen. Denn die Einrichtung des Saales, wo das Model gestellt wird, muss so sein, dass selbiger so wohl von dem Tageslicht, als durch Lampen auf das vorteilhafteste kann erleuchtet werden.

 Endlich wird auch noch zu einer vollkommenen Akademie ein beträchtlicher Vorrat von wichtigen Kupferstichen und Gemälden erfordert, an welchen die Jugend alles, was zur Erfindung, Anordnung, zum Geschmack, zur Haltung, zur Farbengebung gehört, gründlich studieren könne. Wo die Gemälde selbst der Akademie mangeln, wäre es doch sehr vorteilhaft, dass an dem Orte, wo die Akademie ist, eine Bildergallerie wäre, zu welcher die Akademie einen freien Zutritt hätte.

 Man begreift leicht, dass eine solche Veranstaltung in ihrer Vollkommenheit so wohl zur Anlegung als zur Unterhaltung, einen Aufwand erfordert, den nur große und mächtige Fürsten bestreiten können. Doch kann auch mit mittelmäßigen Kosten eine Akademie eingerichtet und unterhalten werden, welcher nichts von den notwendigsten Stücken der Einrichtung fehlt.

In einigen Akademien ist mit der eigentlichen Schule zugleich eine Künstlerakademie verbunden. Nämlich eine Gesellschaft vorzüglich geschickter Männer, die von einem Fürsten so begünstigt werden, dass es einem Künstler zur Ehre und zum Vorteil gereicht, ein Mitglied der Gesellschaft zu werden. Diese Künstlerakademie hat mit dem Unterricht der Jugend nichts zu tun; die Absicht ihrer Stiftung ist, einerseits, durch die Vorzüge große Künstler zu belohnen, anderseits, die Gesellschaft zu Untersuchungen über wichtige Teile der Kunst aufzumuntern. Sie sind für die Künste das, was die Akademien der Wissenschaften für die Gelehrsamkeit. Von Zeit zu Zeit versammeln sich die Mitglieder, um über wichtige die Kunst betreffende Materien sich zu unterreden, um Untersuchungen, Bemerkungen, Aussichten über die Kunst, vorzutragen. Es ist aber bis jetzt noch keine Künstlerakademie vorhanden, die einen solchen Plan so befolgte, als einige Akademien der Wissenschaften seit mehr als hundert Jahren zu tun gewohnt sind.

 Die älteste Malerakademie, von der man Nachricht hat, wiewohl sie diesen Namen nicht geführt hat, ist die von Florenz, die Gesellschaft des heil. Lucas genannt. Sie nahm ihren Anfang schon im Jahr 1350, und wurde erst von der Regierung unterstützt, danach von den Herzogen aus dem Hause Medicis in besonderen Schutz genommen. Die ansehnlichste Akademie der Künste und Künstler aber ist in Frankreich von Ludwig dem XIV. errichtet worden. Von anderen Akademien, die an verschiedenen Orten mehr oder weniger blühen, kann der Herr von Hagedorn nachgelesen werden.1

 

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1 Lettre à un amateur de la peinture. p. 323. f. f.

 


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