Radieren

Radieren. (Zeichnende Künste) Mit diesem ursprünglich lateinischen Worte,1 das eigentlich auskrazen oder abkrazen bedeutet, drückt man die Arbeit aus, mit der ein Zeichner vermittelst einer stählernen Nadel eine Zeichnung auf eine kupferne Platte einreißt. Dieses geschiehet hauptsächlich auf eine, mit Firnisgrund überzogene Platte2, wo mit der Nadel der Firnisgrund, so wie es die Zeichnung erfordert, bis auf das Kupfer weggekrazt wird, damit das Ätzwasser, das man danach über die gegründete Platte gießt, die mit der Nadel gerissenen Striche auf dem Kupfer ausfressen oder einätzen könne. Man radiert aber auch auf die bloße Platte, ohne Firnis: dieses nennen einige mit der kalten Nadel arbeiten; das ist mit der Nadel die Zeichnung in das Kupfer einreißen. Es geschieht in zweierlei Absicht. Gemeinhin, wenn eine Platte schon geätzt und ein Probedruck davon gemacht ist, um der Zeichnung hier und da nachzuhelfen und noch fehlende Striche hereinzubringen; aber man radiert auch kleine Zeichnungen ganz mit der kalten Nadel, so wie man mit dem Grabstichel gleich auf das bloße Kupfer sticht. Weil aber der Zeichner auf diese Weise nicht tief in das Kupfer reißen kann und mit mehr oder weniger Kraft auf die Nadel drücken muss, so kön nen nur kleine und flüchtige Zeichnungen so radiert werden, die danach auch nur sehr wenig Abdrücke geben. Also muss man das Radieren hauptsächlich betrachten, insofern es auf den Firnisgrund zum Ätzen vorgenommen wird; wobei es hinlänglich ist, dass der Firnis, so wie es das Ätzen erfordert, mit der Nadel weggenommen werde.

 Weil der Firnis sehr dünne aufgetragen und weich ist, so hat man nicht nötig, wie beim Radieren mit der kalten Nadel, sie stark aufzudrücken; man kann die Nadel bald eben mit der Leichtigkeit führen, wie die Feder oder die Reißkohle. Mithin kann ein geübter Zeichner mit eben der Freiheit und Flüchtigkeit radieren, mit der er auf Papier zeichnet. Und hierin liegt der Grund, warum man in mehreren Absichten den radierten Kupferblättern, den Vorzug über die gestochenen geben muss, wovon schon anderswo gesprochen worden.3

Über die Handgriffe des Radierens und die Beschaffenheit der Nadeln, kann man in dem im Artikel

  Ätzkunst angezeigten Werke des Abr. Boße die nötigen Nachrichten finden. Was übrigens in diesem Artikel noch anzuführen wäre, findet sich bereits in den Artikeln Ätzen, Firnis, Gründen und Kupferstecherkunst.

 

________________

1 Radere.

2 S. Gründen, Firnis zum Ätzen.

3 S. Ätzkunst.

 


 © textlog.de 2004 • 19.03.2024 09:02:04 •
Seite zuletzt aktualisiert: 14.11.2004 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright  A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  Z