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[Wahrheit und Methode]

634.

Übrigens ist das methodische Suchen der Wahrheit selber das Resultat jener Zeiten, in denen die Überzeugungen mit einander in Fehde lagen. Wenn nicht dem Einzelnen an seiner „Wahrheit“, das heißt an seinem Rechtbehalten gelegen hätte, so gebe es überhaupt keine Methode der Forschung; so aber, bei dem ewigen Kampfe der Ansprüche verschiedener Einzelner auf unbedingte Wahrheit, ging man Schritt vor Schritt weiter, um unumstössliche Prinzipien zu finden, nach denen das Recht der Ansprüche geprüft und der Streit geschlichtet werden könne. Zuerst entschied man nach Autoritäten, später, kritisierte man sich gegenseitig die Wege und Mittel, mit denen die angebliche Wahrheit gefunden worden war; dazwischen gab es eine Periode, wo man die Konsequenzen des gegnerischen Satzes zog und vielleicht sie als schädlich und unglücklich machend erfand: woraus dann sich für Jedermanns Urteil ergeben sollte, dass die Überzeugung des Gegners einen Irrtum enthalte. Der persönliche Kampf der Denker hat schließlich die Methoden so verschärft, dass wirklich Wahrheiten entdeckt werden konnten und dass die Irrgänge früherer Methoden vor Jedermanns Blicken blosgelegt sind.