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Vom Ziele der Wissenschaft

12.

Vom Ziele der Wissenschaft. — Wie? Das letzte Ziel der Wissenschaft sei, dem Menschen möglichst viel Lust und möglichst wenig Unlust zu schaffen? Wie, wenn nun Lust und Unlust so mit einem Stricke zusammengeknüpft wären, dass, wer möglichst viel von der einen haben will, auch möglichst viel von der andern haben muss, — dass, wer das „Himmelhoch-Jauchzen“ lernen will, sich auch für das „zum-Todebetrübt“ bereit halten muss? Und so steht es vielleicht! Die Stoiker glaubten wenigstens, dass es so stehe, und waren konsequent, als sie nach möglichst wenig Lust begehrten, um möglichst wenig Unlust vom Leben zu haben (wenn man den Spruch im Munde führte „Der Tugendhafte ist der Glücklichste“, so hatte man in ihm sowohl ein Aushängeschild der Schule für die große Maße, als auch eine casuistische Feinheit für die Feinen). Auch heute noch habt ihr die Wahl: entweder möglichst wenig Unlust, kurz Schmerzlosigkeit — und im Grunde dürften Sozialisten und Politiker aller Parteien ihren Leuten ehrlicher Weise nicht mehr verheißen — oder möglichst viel Unlust als Preis für das Wachstum einer Fülle von feinen und bisher selten gekosteten Lüsten und Freuden! Entschließt ihr euch für das Erstere, wollt ihr also die Schmerzhaftigkeit der Menschen herabdrücken und vermindern, nun, so müsst ihr auch ihre Fähigkeit zur Freude herabdrücken und vermindern. In der Tat kann man mit der Wissenschaft das eine wie das andere Ziel fördern! Vielleicht ist sie jetzt noch bekannter wegen ihrer Kraft, den Menschen um seine Freuden zu bringen, und ihn kälter, statuenhafter, stoischer zu machen. Aber sie könnte auch noch als die große Schmerzbringerin entdeckt werden! — Und dann würde vielleicht zugleich ihre Gegenkraft entdeckt sein, ihr ungeheures Vermögen, neue Sternenwelten der Freude aufleuchten zu lassen!